Triggerwarnung in Pfaffenhofen

Man könnte ja so viel kaufen. Leider habe ich schon ein Besteck, auch ein zweites, drittes und viertes in der Zweitwohnung, auch für 12 Personen. Dabei wäre es gar nicht teuer gewesen. Und neu. Und billiger als Ikea.



Ich bin auch kein Taufpate- Wäre ich einer, hätte ich vermutlich dieses Düsenflieger erworben und dann zum Entsetzen der Eltern zum Geburtstag verschenkt. Aber Tretauto hat jeder, da muss man als Eltern schon Opfer bringen. Ausserdem geht das mobile Zeitalter sowieso nicht weiter, da ist alles irreal.



Nett auch die Reminszenzen an jene Tage, da es noch ordentliche Hausfrauen gab. Das hängte man sich nicht nur in die Küche, man glaubte auch daran. Heute werden Wohnungen ohne Küchen entworfen, und vielleicht gibt es auch gar keinen Platz mehr für solche Gegenstände.



A propos kein Platz: Es zieht immer noch, das Funkeln und Gleissen. Aber selbst, wenn jetzt grössere Werke anstehen: Ich habe noch welche auf Vorrat, die muss ich erst mal verbauen, bevor ich neue Exemplare kaufe. Die hier waren ohnehin zu teuer, die besten finden sich in Kisten, zerlegt und auf dem Boden.



So ein Sofa, klein und leicht, habe ich lange gesucht, aber ich habe schon ein anderes - allerdings schwer und breit - und dazu die passenden, unkaputtbaren Sessel. Und das bräuchte so viel Arbeit, und die ist so teuer, da hilft auch der günstige Preis nicht mehr. Ausserdem: Kein Platz.



Neben der Mohrenlampe, die jedesmal mit neuen Beispielen vertreten ist, gab es heute auch einen Morentabletthalter. In Südostasien lungert eine Frau aus dem Vorstand der Piraten herum: Wäre der Halter hier nicht reizend für die im Sweatshop gefertigte Chanel-Taschen-Kopie?



Voyerismus gab es auch, gemalt, mit Nackten beim Umziehen, in einem dicken, sehr goldenen Rahmen. Aber gekonnt gemalt, keine Frage. Hirsche können bei der Paarungszeit 5 Meter hohe Hindernisse überspringen, der Mensch pinselt sein Begehr, allerdings von Weitem, und nagelt es an die Wände. Und nennt es Kunst.



Eher etwas für mich - und jenen fernen Tag, da ich doch mal wieder in Berlin sein sollte - wären die Hacklstecka geeignet, mit vielen schönen Wappen aus Orten, die dort keiner je gesehen hat: Garmisch. Pertisau. Naturns. Chiasso. Saalbach. Wilder Kaiser. werden solche Wappen zum Aufnageln heute überhaupt noch gemacht? Ich sehe nur noch pinkfarbene Alustecker auf dem Berg, ganz grässlich, und sich daran klammernde Walker.



Und dann sehe ich die Elsässer. Seit ein paar Monaten sind hier immer vier Händler aus der Region, aus der auch ein Teil meiner Familie stammt, dem Eck zwischen Deutschland, der Schweiz und Frankreich. Und die haben massiv zur Aufwertung des Marktes beigetragen, denn Frankreich hat es dick. Richtig dick. Immer noch. Sie bringen die Karaffen, für die ich vor 20 Jahren nach Portugal musste, sie bringen Kerzenhalter mit Klauen, sie bringen Chryselephantinen, und was es sonst noch hier kaum gibt.



Bei den Franzosen ist alles anders, bunter, formhaltiger, gewagter, frivoler. Diese mintfarbenen Art-Deco-Sessel etwa, die hätte ich gerne in meiner Villa am Gardasee in jjenem Raum, aus dem man auf den See und die Einfahrt blickt, auf der ein himmelblauer TR2 steht.



Und diesen Adligen aus der Zeit um 1775... ich mein, ich weiss doch, dass sie da sein werden, mit Putti und Empire und ab und an auch Gemälden. Manche sind entsetzlich teuer, aber das hier, das wäre durchaus bezahlbar, viel weniger als das, was andere in einem Jahr verrauchen, für Drogen verschwenden oder in Spielcasinos verprassen. Wie auch die knallrote Dame von 1750 daneben. Beide kosten gleich viel. Man muss sich entscheiden. Was gar nicht so einfach ist.



Oder noch eine Runde gehen und nachdenken, und dann den Vorschlag eines Pakethandels machen. Beide. Sofort. Auf den letzten Drücker. Mit allen Risiken: Spuckt die Karte genug aus, oder ist das schon über dem Tageslimit? Habe ich so etwas überhaupt, oder ist das nur im Ausland? Taucht bis dahin ein Zahnarzt auf, der so einen Herrn für sein Jagdhaus will, oder so eine eher etwas ausgefallene Dame mit dem extravagant roten Mantel über der Kommode, zumal sie auch nicht so unzüchtig ist? Was, wenn er das bietet, das der Händler will? Und was, wenn die beiden Brocken - 90 mal 70, zusammen 1,2 Quadratmeter - gar nicht ins Auto passen?



Offensichtlich jedoch lebe ich sparsam genug, der Automat erschreckt mich nur mit der bankrun-feindlichen Frage, ob ich wirklich alles in 50ern will, denn grössere Scheine hat er nicht. Es war auch kein Zahnarzt da, nur beim Abtransport fragt einer, wo ich sie her habe - blöde Frage, von dort, wo keine mehr sind, natürlich! Und ins Auto passen sie gerade so, dass ich noch lenken kann. Alles bestens.

Nur daheim stelle ich fest, dass ich dafür keinen Platz habe. Aber egal, mein Versprechen, das Geld für den letzten Berlinbeitrag einem guten Zweck zuzuführen, habe ich erfüllt, die Franzosen sind froh, die Völkerverständigung funktioniert, und dem Tegernsee tut ein wenig Rokoko auch nicht schlecht. Und ansonsten habe ich gar nichts gekauft, nur zwei Sachen, das ist wirklich eigentlich so gut wie gar nichts.

In 10 Jahren werden wir alle herzlich lachen, wenn wir den Preis hören, der heute nicht wirklich billigst gewesen ist. Ich werde wohl noch einen Berlinbeitrag schreiben müssen.

Montag, 23. Juli 2012, 01:37, von donalphons | |comment

 
luxus muss weh tun - ein klein wenig. glückwunsch zur beute!

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Danke - weinen würde ich, wenn ich nicht zugegriffen hätte. Besonders nach den Erlebnissen des heutigen Abends.

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Auf die Schilderung der Erlebnisse bin ich gespannt. Ich wage nicht zu sagen ob es ein Kompliment ist, aber diese Seite ist aktuell spannender als die Wirtschaftsnachrichten.

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Nichts besonders, ich bin bei einer Auktion von drei Leuten untergepflügt worden.

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Die beiden sind ja bemerkenswert gut erhalten. Der Herr hat irgendwie etwas Tischbein-artiges, fand ich so spontan. Und die Dame in Rot ist wohl eine Stiftsdame?

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Das ist die klassische Kanonissenschülerin, und das erklärt auch die ansonsten im Rokoko nicht mehr übliche Haube, die eher aus dem 16. Jahrhundert stammt, sich hier aber in der Ordenstracht gehalten hat. Man hat damals die jungen Mädchen, wenn man Geld hatte, zur Erziehung zu den Kanonissen gesteckt, wo sie dann weggesperrt wurden, bis man sie verheiraten konnte. Und dann kam ein Maler, der ein Portrait angefertigt hat, das drei Dinge zeigen sollte: Sie ist sittsam erzogen, sie ist einigermassen vorzeigbar und sie ist als Jungfrau heiratswillig. Und deshalb trägt sie einen Strauss aus Veilchen (Treue), Lilie (Jungfräulichkeit) und roter Rose mit weissen Blattspitzen (romantische Liebe).

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Veilchen und Rosen sind "hilfreich", Lilien zu zeigen dürfte tausende andere diskriminieren. Wofür stehen denn Iris?

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So müssen wir uns Cécile de Volanges vorstellen, bevor die Valmont kennenlernt.

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Kicher...

"Die schöne Iris kündigt klassischerweise eine gute Nachricht an, steht auch für besondere Kreativität und schöpferische Energie. Ihr Zweitname "Schwertlilie" deutet außerdem auf Entschlossenheit hin: Ich will um Dich kämpfen."

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Bei der Iris hängt das von der Farbe ab. Ist aber oft etwas ziemlich Obsessives. Die Blume der Kletten.

Und ich habe mich geirrt (Heuschnpfler halt, Blumen sind nicht mein Ding): Es sind auch weisse Nelken. Übersetzt: Ich bin noch zu haben.

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Achja, Blumensprache. Das verstehen heutzutage auch nur noch die wenigsten. Und das Konzept der Klostererziehung dürfte eines der kontraproduktivsten in der Geschichte der Menschheit gewesen sein. Schade, daß man nun nicht weiß was aus dem Fräulein geworden ist. Hoffentlich hat sie die Revolution überlebt. Aber darauf wetten würde ich nicht. Manchmal ist gut nicht zu wissen, was einem bevorsteht. Ich bin ja wieder mit Abbé Galiani zugange (es ist jetzt 1772). Und über jedem Scherz schwebt der Schatten der Guillotine. In den Fußnoten standen schon die Namen mancher Opfer.

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Naja, 1740, 1750, dann dürfte sie da so 15 bis 20 gewesen sein - ich sag mal, das Kindbett war damals riskanter als die Revolution. Und der französische Uradel hat diese Epoche recht gut überstanden, weniger als 10% der Hingerichteten gehörte zum Adel.

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Lieber Don, von Blumen haste echt keine Ahnung.
Die arme I.
Wie gemein!

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der französische uradel hat die revolution tatsächlich in beinahe toto ziemlich gut überstanden. dahingerafft wurden sehr viele andere, und revolutionäre waren sich oft wenig einig und verpetzten einander.
o tempora, o mores - nur, woran mag dies nun prospektiv erinnern...

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Man sollte sich in solchen Tagen in die ruhige Provinz zurückziehen.

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schon geschehen. die garde ist auch nicht schlecht.
vielleicht geht es auch etwas verfrüht in die sommerfrische.

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Alles nur nicht Athen oder Madrid.

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bloss nicht. auch nicht marseille oder gar paris.

im herbst geht es für ein paar tage in ein provinznest in italien. hoffentlich bleibt es dort ruhig.

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Der Verkäufer der Bilder meinte, momentan könnte man in Frankreich wieder gute Geschäfte machen. Und es sei alles sehr ruhig dort. Die kommen nach Pfaffenhofen, weil sie in Deutschland noch Preise bekommen, wie sie früher in Frankreich bezahlt wurden.

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die beiden städte würde ich unruhigen zeiten aus ganz klassischen gründen meiden, so bald wird es nicht der fall sein, denke ich. falsch mit dem auto abbiegen sollte man dort aber nicht, wenn man sich nicht auskennt.

vielleicht liegt es am umfeld, doch habe ich den eindruck, dass zurzeit einige wohnsitze besonders aus finanzumstrukturierungsgründen aufgelöst (und von ausländern gekauft) werden, weswegen mehr auf den markt kommt als sonst, denn das interieur wird meist nicht mitverkauft. die handwerker und inneneinrichter können sich über mangelnde aufträge nicht beklagen.

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Wenn man aus einer besonders üblen Zone kommt, erscheint einem sogar London oder Berlin sicher. Ich habe den Eindruck, dass es in Deutschland auch einen Druck in sichere Regionen hinein gibt, also Bodensee, Chiemsee, Ammersee, oder auch Österreich.

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seen sind nie schlecht. nur werden wohl seegrundstücke oder welche mit seesicht sich noch weiter verteuern. wer nicht schon hat, muss sich schon sehr lang strecken.

nach österreich kann man leichter auswandern als in die schweiz. mir wurde zugetragen, dass, wenn man dorthin möchte, man auch gleich nach neuseeland auswandern könnte, so kompliziert sei der vorgang, wenn dies nicht ein arbeitgeber für einen erledigt.

aber österreich, bei aller liebe...

was ist eigentlich mit der krankenversicherung in solchen fällen?

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Da gibt es je nach Kasse auch Abkommen, zumindest bei der EU sähe das ganz gut aus, sagte man mir bei meiner.

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@Donna Laura:

Neuseeland ist sooo kompliziert auch wieder nicht - schon gar nicht wenn es der Arbeitgeber erleichtert (erledigen muss man schon alles selber).

Entweder man bringt genug Kapital mit, oder findet sich auf einer der skill shortage lists. Viele der guten Handwerker in NZ z.B. stammen urspruenglich aus Europa - man muss nicht zwingend Akademiker oder Ingenieur sein.

Ganz ohne Eigenkapital wird's allerdings schwierig. Und Mohrenlampen oder Rokkoko-Gemaelde sind auch duenn gesaet.

Und WasMitMedien machen die Kiwis lieber selber.

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...och, die bayerischen Stuben und Dachböden sind offenbar voll davon; also kriegt man das auch in 10 Jahren noch...

...und wahrlich ned alles ist Kunst...

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Also ich musste recht lang suchen, aber vielleicht sind die Besitzer auch nur geizig.

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(Man kann das ja mal probieren bei Google Bildersuche, wie wenig Material da zu diesem Sujet auftaucht)

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Die Sessel sind ja großartig. Schon verkauft, oder?

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Nein, noch zu haben. Das hier wäre die Villa dazu:



Und das nächste Mal sind die Herren auch wieder in Pfaffenhofen.

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Nett. Könnte alles passen. Muss nur meine Liquiditätssituation optimieren.

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Bild 10, hinter den türkisen Sesseln
Der Sekretär sieht gut erhalten aus oder täuscht das?

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Der ist ein Nachbau aus der Zeit um 1900, kostet ca. 300.

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Danke schön! (ich vermisse die Torte)

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Ich bin selbst am überlegen gewesen, aber der Platz...

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Die Villa runterhandeln und erwerben, dann ist wieder Platz für Anschaffungen. ;O)

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Dieser Rakentenjet ist ja großartig. Den hat man doch, so als kleines Projekt, ruckzuck flottgemacht, um mal richtig abzuheben. Toller Fund.

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Ich bereue jetzt schon, ihn nicht genommen zu haben. Urlaub auf dem Mond zum Beispiel.

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Sie haben doch ein Bild gekauft. Sind keine Kontaktdaten vorhanden?

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Das Besteck da habe ich auch.

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Schön!

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Gehörte früher meiner Großtante, glaube ich. Leider machte ich den Fehler und gab die Messer vor zwei oder drei Jahren mal zum Schleifen weg, seither haben sie vorne Sägezähne.

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Schön!
Sie wieder zu lesen.

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:-)
Ich war Hühnergötter suchen.

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und welche gefunden?

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Ja. Die Jungfer im Grünen hat mir verraten, wo es viele gibt.

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Da komm ich dieses Jahr nicht hin.

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"...werden solche Wappen zum Aufnageln heute überhaupt noch gemacht?"
Gemacht? Keine Ahnung. Aber es gibt sie noch reichlich. Zum Beispiel in Meran an der (Passer-)Promenade in einem seltsamen kleinen Andenken & Kitsch-Laden; der ältere Eingeborene darin hatte letzte Woche noch 'ne ganze Holzkiste mit solchen Wappen zum auf-den-Stock-nageln auf seinem Tisch zu stehen; in kleinen Fächern schön nach Orten sortiert. Aber die Gattin suchte 'ne bestimmte Halskette: ein Edelweiß sollte es sein. Auch die hatte er. Und das am Sonntag.

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