Real Life 22.01.05 - Es ist kalt auf der Strasse
Vor mir klappern drei Oranienburger-Prostituierte über den maroden Gehweg, gross, blond und mit gnadenloser Wespentaille. An einem Schuhladen bleiben sie dann kleben, diskutieren über die Nütztlichkeit eirgendeiner huchhackigen Geschmacklosigkeit, und dann ist vor mir nur noch die Nacht und der Weg zum Neurotitan, auf das das Girl hingewiesen hat.
Der Event heisst sowas wie Steak Zombies, und die einen fahren für Fleisch über die Oranienburger, die anderen gehen in den zweiten Stock eines kaputten Blocks am Hackeschen Markt. Drinnen soll es um 21 Uhr losgehen, aber selbst die mittelprächtige Schlange am Eingang kann nicht verhindern, dass man um 21.15 Uhr grauenvoll zu früh dran ist. Solange legt der Plattenmensch den Ramsch aus der Kiste auf, die er irgendwo bei seinem Dad auf dem Dachboden gefunden hat, mit viel Zeug aus einer Zeit, als sein Dad meinte, in Essen einen auf Revoluzzer machen zu müssen, bevor er doch Ministerialrat im Verkehrsministerium wurde.
Es gibt viele schlecht angezogene Menschen mit mangelnder Körperhygiene, wie das in Bogota-Ost nicht ungewöhnlich ist. Es gibt auch einen Catwalk aus roh zusammengezimmerten Brettern. Ich erzähle meinem Freund etwas über die Folgen der Immobilienpleiten in Berlin; um mich herum säuft man grosse Mengen Becks aus der Flasche und dreht Zigaretten. Die Musik ist viel zu laut. Irgendwann gegen 22 Uhr bginnt der Plattenmensch sein karges Repertoire von vorne, und ein paar Gestalten betreten den Catwalk. Es gibt eine Figur in Grün, die so eine Art Büttenrede hält und damit schon mal einen Grad an artifizieller Peinlichkeit erreicht, der glücklicherweise für die nächsten Stunden die unerreichte Messlatte bleiben wird - womit auch schon die positiven Aspekte der Veranstaltung aufgezählt sind.
Hinter den Catwalk werden Kleider und Körperpartien angemalt, soweit sie noch nicht tätowiert und/oder mittels Piercings zum humanoiden Emmentaler entstellt wurden. Irgendwo näht auch jemand noch schnell was zusammen, was zur Performance gehört. Dann latschen, stolpern, tänzeln die Modelle auch schon los, hin und her, die eine macht auf sexy, die andere ich verhuscht und froh, dass sie wieder runter darf, eine könnte vielleicht ganz gut aussehen, wenn sie nicht total mittisiert wäre. Alle fühlen sich augenscheinlich ganz toll und wahnsinnig künstlerisch, weil sie dem Modebetrieb mit seinen anorexischen 1,85-Girlies zeigen, dass es auch mit kurzen Beinen und Rumschnibbeln an den Fetzen auf der Bühne geht. Fashion in the Making.
Nach einer halben Stunde haben sich die dichten Reihen vor mir gelichtet, ich kann denkbar leicht in die zweite Reihe. Die Musik überdröhnt die Langeweile des sich verkrümelnden Publikums, das irgendwi nicht allzu viel mit der hier gezeigten Mode anfangen kann. Auch nicht mit der Kunst. Nur ein paar Sekunden ohne das Geschepper, und man würde sofort merkenm, dass die Luft längst raus ist. Zum Schluss gibt es noch einen Blumenstrauss für eine Frau, die wie die Taschenbuchausgabe von Sarah Kuttner aussieht und möglicherweise sowas wie der Kopf der Events ist, aber wer weiss das schon, ich ganz sicher nicht.
Wenigstens haben sie nicht vorgelesen; insofern war es besser als die typische Lesebühne unter Beteiligung des frischesten Leipziger Diplomliteratentums. Man verliert hier in Bogota-Ost schnell alle Anspruche. Als wir gehen, kommen uimmer noch Leute und wollen rein, und vielleicht erzählen sie dann am Montag, wie wahnsinnig spannend und extraordinär diese Verknüpfung von Kunst und wearable Street-Fashion doch ist, hier in Bogota-Ost, wo immer irgendwo ein Fernsehteam mit unbezahlten Praktikanten ist, die das für Polylux aufzeichnen. Weil es ja Kult sein könnte.
Mehr dazu hier und hier
Der Event heisst sowas wie Steak Zombies, und die einen fahren für Fleisch über die Oranienburger, die anderen gehen in den zweiten Stock eines kaputten Blocks am Hackeschen Markt. Drinnen soll es um 21 Uhr losgehen, aber selbst die mittelprächtige Schlange am Eingang kann nicht verhindern, dass man um 21.15 Uhr grauenvoll zu früh dran ist. Solange legt der Plattenmensch den Ramsch aus der Kiste auf, die er irgendwo bei seinem Dad auf dem Dachboden gefunden hat, mit viel Zeug aus einer Zeit, als sein Dad meinte, in Essen einen auf Revoluzzer machen zu müssen, bevor er doch Ministerialrat im Verkehrsministerium wurde.
Es gibt viele schlecht angezogene Menschen mit mangelnder Körperhygiene, wie das in Bogota-Ost nicht ungewöhnlich ist. Es gibt auch einen Catwalk aus roh zusammengezimmerten Brettern. Ich erzähle meinem Freund etwas über die Folgen der Immobilienpleiten in Berlin; um mich herum säuft man grosse Mengen Becks aus der Flasche und dreht Zigaretten. Die Musik ist viel zu laut. Irgendwann gegen 22 Uhr bginnt der Plattenmensch sein karges Repertoire von vorne, und ein paar Gestalten betreten den Catwalk. Es gibt eine Figur in Grün, die so eine Art Büttenrede hält und damit schon mal einen Grad an artifizieller Peinlichkeit erreicht, der glücklicherweise für die nächsten Stunden die unerreichte Messlatte bleiben wird - womit auch schon die positiven Aspekte der Veranstaltung aufgezählt sind.
Hinter den Catwalk werden Kleider und Körperpartien angemalt, soweit sie noch nicht tätowiert und/oder mittels Piercings zum humanoiden Emmentaler entstellt wurden. Irgendwo näht auch jemand noch schnell was zusammen, was zur Performance gehört. Dann latschen, stolpern, tänzeln die Modelle auch schon los, hin und her, die eine macht auf sexy, die andere ich verhuscht und froh, dass sie wieder runter darf, eine könnte vielleicht ganz gut aussehen, wenn sie nicht total mittisiert wäre. Alle fühlen sich augenscheinlich ganz toll und wahnsinnig künstlerisch, weil sie dem Modebetrieb mit seinen anorexischen 1,85-Girlies zeigen, dass es auch mit kurzen Beinen und Rumschnibbeln an den Fetzen auf der Bühne geht. Fashion in the Making.
Nach einer halben Stunde haben sich die dichten Reihen vor mir gelichtet, ich kann denkbar leicht in die zweite Reihe. Die Musik überdröhnt die Langeweile des sich verkrümelnden Publikums, das irgendwi nicht allzu viel mit der hier gezeigten Mode anfangen kann. Auch nicht mit der Kunst. Nur ein paar Sekunden ohne das Geschepper, und man würde sofort merkenm, dass die Luft längst raus ist. Zum Schluss gibt es noch einen Blumenstrauss für eine Frau, die wie die Taschenbuchausgabe von Sarah Kuttner aussieht und möglicherweise sowas wie der Kopf der Events ist, aber wer weiss das schon, ich ganz sicher nicht.
Wenigstens haben sie nicht vorgelesen; insofern war es besser als die typische Lesebühne unter Beteiligung des frischesten Leipziger Diplomliteratentums. Man verliert hier in Bogota-Ost schnell alle Anspruche. Als wir gehen, kommen uimmer noch Leute und wollen rein, und vielleicht erzählen sie dann am Montag, wie wahnsinnig spannend und extraordinär diese Verknüpfung von Kunst und wearable Street-Fashion doch ist, hier in Bogota-Ost, wo immer irgendwo ein Fernsehteam mit unbezahlten Praktikanten ist, die das für Polylux aufzeichnen. Weil es ja Kult sein könnte.
Mehr dazu hier und hier
donalphons, 04:06h
Sonntag, 23. Januar 2005, 04:06, von donalphons |
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ego,
Sonntag, 23. Januar 2005, 07:27
ich war erst zweimal in berlin, das letzte mal leider dieses sylvester ("nein, ich fahr NICH nach berlin an sylvester, damit hype ich den dreck -berlin und sylvester-einfach zuviel!") und es war irgendwie genau so.
schrabbelige bruch/studentenbuden in denen auf ungestylt gestylte styler über mode/kunst/literatur/müll redeten, während man selbst darüber nachdachte, wie man es in berlin schaftt pommes für nen euro anzubieten...also über ehrlichere dinge (pommes sticht kunst), während die in hamburg 2,50 kosten.
in hamburg haben wir diese "mittisierten" zombies auch, da heißen sie bloß "geschanzt".
das problem dabei ist nur, dass die alle doch ziemlich nett sind, vielleicht sogar etwas syhmphatisch und auf jedenfall recht hübsch.
aber den gedanken muss man sich verkneifen. man muss darüber stehen, sich das, "ach ich war einfach zu vorurteils belastet, die sind ja dochh alle ganz nett, obwohl sie sich die jeans in die stiefel steckt" verkneifen und sich sagen: ihr seid einfach nur abschaum. da könnt ihr noch so nett sein. geschanzt sein macht euer hübsches gesicht so wertlos.
das ist man dem rest punk in sich einfach noch schuldig.
schrabbelige bruch/studentenbuden in denen auf ungestylt gestylte styler über mode/kunst/literatur/müll redeten, während man selbst darüber nachdachte, wie man es in berlin schaftt pommes für nen euro anzubieten...also über ehrlichere dinge (pommes sticht kunst), während die in hamburg 2,50 kosten.
in hamburg haben wir diese "mittisierten" zombies auch, da heißen sie bloß "geschanzt".
das problem dabei ist nur, dass die alle doch ziemlich nett sind, vielleicht sogar etwas syhmphatisch und auf jedenfall recht hübsch.
aber den gedanken muss man sich verkneifen. man muss darüber stehen, sich das, "ach ich war einfach zu vorurteils belastet, die sind ja dochh alle ganz nett, obwohl sie sich die jeans in die stiefel steckt" verkneifen und sich sagen: ihr seid einfach nur abschaum. da könnt ihr noch so nett sein. geschanzt sein macht euer hübsches gesicht so wertlos.
das ist man dem rest punk in sich einfach noch schuldig.
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donalphons,
Sonntag, 23. Januar 2005, 21:34
Zur Schanze folgt bald mal ein restaurantville-beitrag, weil es im "Frank und frei" ganz hervorragenden Blttspinat mit Gorgonzola überbacken gibt. Ansonsten ist die Schanze tatsächlich gewissen Slumgegenden in berlin nicht unähnlich, wenn auch vom Personalbestand bei weitem nicht so bedürftig. Allerdings sieht das die ganz grosse Mehrheit der republik gänzlich anders. Erst letzte Woche wollte eine frühere Studentin Tipps, wie sie sich am besten in Berlin niederlässt - tja.
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booldog,
Sonntag, 23. Januar 2005, 21:39
"Niederlassen" ist gut.
Ich werde mich hier auch nach Jahren - so ich noch da bin - nicht niedergelassen fühlen, wahrscheinlich nicht einmal angekommen. Und die es nach Berlin zieht, messen dem wohl auch keine allzu große Bedeutung zu.
(Vielleicht solange, bis sie dann schließlich vor Ort sind...)
Ich werde mich hier auch nach Jahren - so ich noch da bin - nicht niedergelassen fühlen, wahrscheinlich nicht einmal angekommen. Und die es nach Berlin zieht, messen dem wohl auch keine allzu große Bedeutung zu.
(Vielleicht solange, bis sie dann schließlich vor Ort sind...)
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donalphons,
Sonntag, 23. Januar 2005, 22:16
"Bleibenlassen" ist in bezug auf Berlin besser.
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donalphons,
Sonntag, 23. Januar 2005, 22:32
Das einzige, was auf Berlin ankommen sollte, hat etliche Kilotonnen Sprengkraft, Motto "Ramma damma in Preussien".
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hiddensee,
Sonntag, 23. Januar 2005, 07:36
Don, was soll ich sagen?
Dass Du dich an den falschen Orten zur falschen Zeit aufhaeltst? Neurotitan und Boheme = Oxymoron.
In Mitte bis Du zu jeder Zeit am falschen Platz, dein Beitrag bestaetigt das in einmuetiger Weise und dem gibt es nichts hinzuzufuegen. Im Übrigen Gesundes Neues Jahr:-)
In Mitte bis Du zu jeder Zeit am falschen Platz, dein Beitrag bestaetigt das in einmuetiger Weise und dem gibt es nichts hinzuzufuegen. Im Übrigen Gesundes Neues Jahr:-)
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donalphons,
Sonntag, 23. Januar 2005, 21:30
Wäre ein Libertin je am richtigen Ort zur richtigen Zeit, könnte er sich seine tolle Einstellung an den Hut stecken, insofern passt es ja. Und es ist immer noch Anlass, eine Geschichte zu erzählen, womit der Aufwand gerechtfertigt ist.
danke, desgleichen.
danke, desgleichen.
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hiddensee,
Montag, 24. Januar 2005, 01:05
Dann musst Du noch etliche Tage in Berlin bleiben, Deine Geschichten von teilweise bis voll obskuren Begebenheiten will kaum ein Leser missen. und ja, der Aufwand ist gerechtfertigt. Bald reicht es fuer einen Wegweiser a la: 10 Tips warum man um Mitte einen grossen Bogen machen sollte. Dazu passen dann die Beschreibungen des Bogens. S wie Schoeneberg (CDU Schirm) und W wie Wedding bilden bekanntlich einen Teil davon. Du hast noch einiges vor Dir:-)
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donalphons,
Montag, 24. Januar 2005, 01:19
Gibt es schon einen Reiseführer "Sucking on Loser Alley - Berlin für Berlinhasser"?
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