Adcase ein Fall für die Wertberichtigung

In der nie geschriebenn Phänomenologie der Wirtschaft in Zeiten der virtuellen Globalisierung müsste es ein Kapitel über die hübsche Asiatin im Business Dress (HAIBD) geben. Die HAIBD taucht in riesigen Mengen in den Photopools irgendwelcher Bildhändler auf, lächelt immer und und schaut leicht devot. Irgendwann wird sie an ein Startup verkauft, in dem schwitzende Langnasen in schlecht sitzenden Anzügen ihren endgeilen Businessplan beispielweise zum Thema "Wir machen Google-Adsense fette Konkurrenz" zusammenschrubbeln. Bei denen landet die HAIBD oben auf der Website und symbolisiert...

Was? Globalisierung? Weltweiten Erfolg? Service mentality for Fullpros? Ein international florierendes Unternehmen, das alle möglichen Völker umschliesst, weswegen statt Praktikantin Julia aus Bergisch-Gladbach eben die zarte Lotublüte Li zu sehen ist, man zeigt halt, was man hat? HAIBD sind inflationär, eine weisse Fläche, auf die man alle Hoffnungen projezieren kann, und eigentlich sollte ich demnächst mal was über das gesamte Phänomen schreiben - bezeichnenderweise klatschen koreanische oder malayische Firmen eben keine blonden, langen Niedersächsinnen in pastellfarbenem Escada auf ihre Website; es ist definitiv eine kulturelle Einbahnstrasse.

Wie auch immer, die HAIBD waren bei solchen Klitschen oft genug die schwarzen Todesengel, unter denen grosstuerische Ankündigungen von der Relevanz eines in China umfallenden Sack Reises so gut funktionierten wie der 1,99-Shenzen-Rasierer von der Resterampe. Ein wunderbares Beispiel dafür ist der Werbevermarkter Adcase.

Denn Adcase verschickte enorm devote Briefe an die Webmaster, die sich an ihrem Programm beteiligt hatten. Nummer 1: Wir möchten offen und ehrlich sein! Momentan haben wir aufgrund diverser Probleme ( betrügerische Netzwerkmitglieder, Auszahlungsprobleme unserer Partner etc. ) Schwierigkeiten in einem akzeptablen Zeitraum Gutschriften zur Auszahlung zu bringen. Dazu muss man sich vielleicht noch die Bücklinge am chinesischen Kaiserhof vorstellen, denn das Begehren ist, bitte keine Mahnungen für ausstehende Gelder zu schicken - sonst drohe "Privatinsolvenz".

Und wer jetzt schon sein Gesicht verliert, kann sich auch die Folgemail zu Gemüte führen, ein Musterbeispiel für Engagement und aufopferungsvolle Tätigkeit der deutschen Internet-Entrepreneure, ein Wille wie beim Samurai in Mail Nummer 2: Wir möchten aber nach wie vor eine gütliche Einigung mit Dir finden und haben daher nach einem Käufer gesucht, welcher Adcase.de komplett übernehmen möchte. Diesen Käufer haben wir auch gefunden. Das Positive ist, dass es mit Adcase.de auf jeden Fall weitergehen wird und Du weiterhin Geld verdienen kannst! Der Käufer wird Dir sofort 25% der offenen Auszahlungssumme überweisen,wenn Du dadurch die Forderung als erledigt betrachtet. [...] Wichtig ist, dass alle Mitglieder diesem Vorschlag zustimmen.Falls das nicht der Fall sein sollte, so müssen wir leider den Weg der privaten Insolvenz gehen.

Das klingt doch nun wirklich unglaublich höflich, als hätte Babelfisch einen zarten Liebesbrief eines Chefs an seine Sekretärin übersetzt, die sich in einem kleinen Firmengarten einen grünen Tee einschenkt und sich ihr liebevolles Lächeln nicht davon nehmen lässt, dass in Europa ein paar Webmaster geschockt umfallen.

Samstag, 5. November 2005, 18:43, von donalphons | |comment

 
Coole Geschäftsidee für moralisch Verwahrloste: Den Gläubigern wird etwas von wegen "drohender Insolvenz" geblubbert und dat Ding an den Firmenmantel der Gattin verkauft. Beispielsweise.

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Und wenn nicht wirklich jeder mitmacht und das Angebot akzeptiert, gibt´s gar nüscht. So ist das, in der freien Marktwirtschaft.

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Ja, wie auch die Strategie des Täuschens und Betrügens. Gehört zum System. Wenn eine Firma genügend Wert hat, dass sie einen Verkaufserlös einbringt, sorry, dann könnts scho a bisserl unredlich sein, den Gläubigern nur 25% zahlen zu wollen. Und a bisserl kriminell kommt es mir vor, in allem Seelenfrieden Verkaufsverhandlungen zu führen, ohne die Gläubiger vorher ausreichend (und: überhaupt!) auf die Malaise hinzuweisen.

+++Update+++

Es könnte sich dabei - rein theoretisch betrachtet und selbstverständlich von diesem Fall abstrahiert - um Konkursverschleppung oder Betrug handeln.

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Zumal, wenn schon eine "Privatinsolvenz" droht - was per se ja schon ein netter Begriff ist, deutet es doch an, dass es keine Firma ist, sondern irgendwie Privatpersonen - gut, jetzt laut Impressum nicht mehr.

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Die neueste Mail kam heute an, in der der Käufer sich vorstellt:

"Wie Ihr dem Newsletter des ehemaligen Betreibers entnehmen konntet, unterbreiten wir allen Mitgliedern den Vorschlag 25% der angeforderten Auszahlungssumme direkt zu überweisen."
Lol

"Euch allen jedoch für die ersten 12 Monate ein Splitting von 70 (für Euch):30 an. So sollte es leicht möglich sein, die „fehlenden“ 75% im Verlauf des Jahres zu verdienen."
Wer wird Adcase noch weiterverwenden?

"Falls Ihr diesen nicht einbauen möchtet ist dies kein Problem, der entsprechende Account wird dann durch uns nach 3 Monaten gelöscht."
Was ist mit den restlichen Verbindlichkeit?


Tja, das Ding ist schnell gekommen und geht auch schnell...

http://webmaster-verzeichnis.de/blog/601/

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Privatinsolvenz
hm, kann ja eigentlich nicht sein. Im Impressum steht, dass die Firma point media GmbH verantwortlich ist. Adsense ist nur ihr Produkt. Also eine Gesellschaft, die als juristische Person nur im Rahmen der Einlagen haftet. Wie kann es da zu einer Privatinsolvenz kommen?

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@ mymspro

point media GmbH ist der Käufer von diesem Werbenetzwerk, außerdem heißt es Adcase und nicht Adsense ;-)

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oh, ach so.... und was war das vorher für eine Firma, doch wohl auch eine Gesellschaft, oder?

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http://ecycle.de war die vorherige Firma.

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HAHA, ne, ist keine Gesellschaft. Die Forderungen der Kunden schlagen also voll durch, bis auf Privatvermögen der Eigentümer. Viel Spaß beim filetieren ...

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Sorry, aber bin ich der Einzige der sich fragt wie sowas überhaupt möglich sein kann - und dann auch noch nur 25% zahlen wollen?

Wenn ich so einen Dienst betreibe, verdiene ich doch fast ausschließlich. Und gebe einen Teil davon an die Leute aus.

Wie kann man Geld verlieren welches man nicht für sich selbst einplanen kann - und nicht darf?

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@ riya,

laut Adcase selber lagen es an betrügerischen Members, was ich persönlich für eine schlechte Ausrede halte, technisches Versagen was es!

Übrigens zahlt 25% nicht eCycle, sondern der neue Käufer...

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Ich kann mir generell nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte, das zu missbrauchen, aber gut.

Hab schon verstanden was die da geschrieben haben aber letztlich bleibt's mir schleierhaft ;-).

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so wie ich das sehe, hat da jemand noch was zu verlieren. Ich würde nicht auf die 25% eingehen, sondern auf die volle Zahlung bestehen. Das stinkt bis zum Himmel.

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Mal eine Off-Topic-Frage, ist der Autor dieses Blogs auch der Autor vom blogbar.de? Sorry, aber mit Blogging habe ich erst im Juni angefangen...

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Blogbar hat mehrere Autoren, aber ja, Don Alphonso schreibt dort auch. (da ich den Eindruck habe, dass er nicht da ist kann ich ja mal für ihn antworten)

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So, wie ich das Anzeigengeschäft in diesem Bereich verstehe, erhält der Anzeigenverkäufer 200%, gibt seinen Kunden davon max. 100%.

So, und nachdem er das längst eingenommene Geld privat oder sonstwie aufs Ulkigste verbraten hat, fällt ihm ein, dass er mit einem Verkauf die unangenehmen Gläubiger abschütteln könnte - die er für 25% abspeisen lässt, was sich wiederum günstig auf den Kaufpreis auswirken dürfte.

Klar, das ist - so rein marktwirtschaftlich betrachtet - für diesen Typen sehr viel angenehmer. Kein Durchgriff auf sein Vermögen und dann noch über den Verkauf Geld gemacht.

Traumhaft. Marktwirtschaft zum Anfassen.

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@ first_dr.dean

Was du meinst, sind Netzwerke, die mit PPC, also pay per click, arbeiten. Adcase hat (soweit ich noch erinnern kann) damals mit PPS (Pay Per Sale) gearbeitet, Partnerprogramme von Firstload, Jamba und paar andere Anbieter wurden beworben.

Da ich selber im Downloadsektor einige Landing Pages besetzte, kann ich es überhaupt nicht nachvollziehen, dass Firstload etc. nicht auszahlt.

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Ein wenig spät, aber: Ich bin einer der beiden Herausgeber des Buches Blogs! und Autor der dazu gehörenden Blogbar.

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Und rein vom wissenschaftlichen Standpunkt finde ich das Vorgehen von Adcase natürlich sehr spannend - wenngleich es nicht wirklich eine Werbung für sie ist. Da wundert es nicht, wenn Google weiterhin der grosse Player bleibt, trotz mieser Kontextsensualität und schlechter Vergütung.

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Was mich bei diesem Fall wundert ist, daß keiner der um 75% der Prämie Gebrachtenkürzten zum Anwalt, Staatsanwalt oder Gericht läuft. Der Ton der beiden Mails (Dauergeduze) läßt auf eine gewisse Zielgruppe schließen, aber nicht mal die können so blöd sein, oder? Oder sind die Summen so klein, daß das Taschengeld nicht drunter leidet?

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Klassischer NE-Trick beim Rausschmeissen der Leute: "Klar würden Dir drei Monate Abfindung zustehen, aber wenn ich Dir die gebe, muss ich auch noch Ellie und Jasmin feuern, wo soll ich sonst das Geld hernehmen, und Annette muss dann arbeiten für vier - das kannst Du nicht ernsthaft wollen, oder?"

Same old shit every day.

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prc
also da möchte ich nur anfügen das es shenzhen heisst und ein rasierer deutlich unter 1,99 kostet - eher so 5 yuan. bitte mehr sorgfalt don...

naja ansonsten frage ich mich warum nicht alle hartz4 empfänger einfach nach china geflogen werden - für 400-600 lässt hier doch ein super leben führen. da ist die nächste kürzungsrunde doch super zu verkraften ...

sonstige vorteile: keine ossi-genöhle mehr im fernsehen, beitrag zur internationalen völkerverständigung, skins dürfen ankangs von innen sehen falls sie sich unzufrieden mit dem gesellschaftssystem zeigen, billige handy-tarife für jamba-krüppel-kunden (sicher absolutes killerargument für viele plattenbau-inhaftierte), nutten für 2€ die stunde, bedarfsgemeinschaften werden generell akzeptiert (um flugkosten für arbeitsamt-kontrolleure zu senken) usw. usw.

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Das sind die Dinge, weshalb ich das kalte Kotzen kriege, wenn ich bei Schweitzer Sortiment am Stachus ein ganzes Fenster voller "China als Chance"-Bücher sehe.

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