Berlin Rumble

In den späten 90er Jahren gab es immer wieder mal kurze Krisen im Nahen Osten. Irgendwas passierte, 2, 3 Tage war dann in einem Lager oder einer Stadt die Hölle los. Israel hat zwar die höchste Korrespondentenquote der Welt, aber trotzdem werden dann immer wieder sogenannte "Parachuter" eingeflogen, kostspielige Teams auf der Suche nach der einzigartigen Story und den besten, blutigsten Bildern. Wenn sie da waren, war oft genug schon alles vorbei. Dann half nur noch der "Money Shot", die gestellte Aufnahme mit bezahlten Darstellern. Das bekannteste Beispiel ist ein Reuters-Filmbericht über jubelnde Palästinenser nach dem Anschlag am 11. September. Nicht, dass es nicht hier und da tatsächlich Begeisterung gegeben hätte, aber die spektakulärsten Aufnahmen mit den verteilten Süssigleiten verdanken ihre Existenz schlichtweg dem Geld.

In dieser Hinsicht hat der Nahe Osten Vorbildcharakter für Deutschland. Auch bei ein paar deutschen Krawallevents und Chaostagen sollen Fernsehteams Randalierer angestiftet haben, was Krasses vor laufender Kamera zu tun. Und wenn es in Frankreich so weiter geht, aber sich das Thema hier abnützt, bin ich mir fast sicher, dass es demnächst auch in Berlin zu Randale kommt, und zufällig von Anfang an ein TV-Team in der Nähe ist. Das ganze Thema ist einfach zu heiss, als dass man ess einfach links liegen lassen könnte. Ohnehin wundert man sich fast, wieso manche hier die coolen Action Clips aus der Peripherie noch nicht als Anregung zur Abendgestaltung entdeckt haben, da muss man vielleicht nur etwas nachhelfen, mehr als ein Fuffi kost das nicht. Sollte das später dann irgendwie unangenehme Fragen zur Folge haben, ist es, auch das ist eine israelische Lektion, die Schuld eines freien Reporterteams, das da vielleicht ein klein wenig motiviert hat.

Wir werden, so wir einen Fernseher haben, sehen.

Montag, 7. November 2005, 08:52, von donalphons | |comment

 
Alles schon gehabt
Das hatten wir schon in der Hoyerswerda-Solingen-Zeit: Eine Skinhead-Kombo hat ein Flüchtlingswohnheim angegriffen, weil ein Fernsehteam dafür zahlte. Im Nahen Osten gab es früher die Kamerahunde: Palästinenserjungs aus den Flüchtlingslagern, die mit der Kamera ins Getümmel gingen, weil die hauptberuflichen Fernsehleute sich so weit nicht nach vorn trauten. Aber das ist schon wieder ein anderes Kapitel...

... link  

 
Dabei wäre Berlin echt klasse für die, das grosse Fressen direkt vor der Haustür, eine gute Chance für den neuen Innenminister, hartes Durchgreifen anzukündigen, und dann ein Jahr später der grosse TV-Spielfilm: "Flammendes Kreuzberg" - die heldenhafte Reporterin Antonia R. kämpft um ihr Leben und die Stadt.

... link  

 
Gibts doch jedes Jahr am 1. Mai auch ohne Bezahlung. Das Interesse der deutschen Medien daran scheint jedoch (zum Glück) abgenommen zu haben.

Hingegen wurde mein spanischer Besuch dieses Jahr sehr besorgt von seinen Eltern angerufen, ob es ihm denn gutgehe.

... link  

 
Ich glaube, solche Dinge entwickeln schnell eine Eigendynamik. Die "Mini-Riots", die ich hier in Dresden erlebt habe bzw. von ferne beobachten konnte, funktionierten jedenfalls sehr gut ohne Presse (die Fotografen tauchten dann typischerweise erst auf, als alles bereits vorbei war).

Es gibt eben einen ganzen Block, für den so was "coole action" ist; und das geht quer durch die sozialen Schichten.

... link  


... comment
 
über die verhältnisse und die vorgänge in der banlieue von paris und anderswo in frankreich weiss ich nur wenig, und die berichte, die ich der presse entnehme, ändern daran nichts. für gemachtes wetter spricht, dass ich die crs für zugriffiger gehalten hätte. dagegen spricht, dass niemand so etwas ohne not lostritt oder machen lässt.

jedenfalls, die von den deutschen vordenkern von fatz bis tatz gepflegte haltung des selbstzufrieden sich zurücklehnens und süffisant formulierendes "sowas ist bei uns nicht möglich" lässt schlimmes befürchten - die wissen es auch nicht, und begreifen klappt schon länger nicht mehr. wenn das ein pisa-test für meinungsmacher gewesen wäre - katastrophe.

auch über die hintergründe der berliner verhältnisse weiss ich ebenfalls nur wenig. allerdings würde ich annehmen, dass in berlin eher die schaufenster der banken zu bruch gehen und einzelne discounter geleert werden würden, wenn es losgeht. eigentlich eher erstaunlich, dass es so ruhig ist. gut so, muss aber nicht so bleiben.

die autos von türken, kurden oder russlanddeutschen anzuzünden hielte ich eher für riskant. wäre überhaupt die frage, was zwischen diesen so abgeht, bisher sieht es von aussen so aus, als dass die terrains abgesteckt wären, und keiner von denen lust hat, aufmerksamkeit auf sich zu lenken, ist nicht gut fürs geschäft.

... link  

 
Geschichten vom Kiez
Och, bei einem Riot im Bremer Ostertorviertel wurde schon mal das Auto eines Zuhälters gefackelt - unter vorheriger Herausnahme interessanter Akten. Dort fungierten auch Türkengangs als Ordnungstruppe-sie sorgten dafür, welche Dealer wo verkaufen duften, und machten Menschenjagden auf Kurden. Die Polizei ließ sie gewähren, war ja gerade die Zeit des noch frischen PKK-Verbots. In Hannover war es zumindest in den 90ern so, dass fast alle umsatzstärkeren ausländischen Restaurants Besuch von Schutzgeldbanden bekamen, bei denen es sich um die Ex-Belegschaften rumänischer und bulgarischer Geheimdienstabteilungen handelten. Nur folgende Ethnien haben die bei ihren Besuchen geflissentlich gemieden: Die Chinesen, die Japaner, die Kurden und die Sizilianer. Aber einem spanischen Restaurantbesitzer haben die mit nem 12,7mm Flintenlaufgeschoss den Kopf von den Schultern geblasen, das Ding ist so tief in den Beton der Tiefgarage eingedrungen, dass die KTU es nicht bergen konnte. So viel zu dem, was in deutschen Städten abgeht....

... link  

 
Wenn gar keine politischen, wirtschaftlichen oder ethnischen Anlässe für so eine kleine Randale zur Hand sein sollten, dann genügt auch im schönen Bayern gelegentlich schon ein mittelgroßes Volksfest in einer mittelgroßen Stadt, mit mittelmäßig erhöhten Testosteron- und Alkoholspiegeln, um nächtens eine ganze Reihe vorschriftsmäßig abgestellter Autos in eine 180 Grad-Drehung um ihre Längsachse zu versetzen. Ganz im Sinne von Roberto B.: Ein bisschen Spaß muß sein.

... link  

 
A weng umparkn
is eins. Abfackeln was anderes.

@che: Ja, da hat sich in den 90ern einiges getan. In ***, wo ich in mittelbarer Nähe (ca 1 km) des Rotlichtbezirks gewohnt habe, gab es diese Umverteilungskämpfe auch: Türken, Deutschrocker, Kosovo-Albaner, andere Osteuropäer, da war einiges geboten.

Und kurioserweise hat das örtliche Monopolblatt, das ansonsten jede denkbare Paranoia bei den guten Bürgen ordentlich mitgeschürt hat, um Stimmung für mehr law and order zu machen, viele von diesen Geschichten auf ziemlich niedrigem Level gefahren oder weiträumig ausgeblendet.

Ob die Lokalblattschmierer vom Polizeipräsidium bewußt spät und lückenhaft informiert wurden oder ob es da Absprachen gab, diese Geschichten low-profile-mäßig zu fahren, hätte ich damals wirklich gerne gewusst.

... link  

 
Umparkn? Als Längsachse wird in der Technik, der Biologie und anderen Wissenschaften jene Achse eines Körpers bezeichnet, die der Richtung seiner größten Ausdehnung entspricht. (Wikipedia)

... link  

 
Es gehört bei uns zum guten medialen Ton, dass bestimmte Angelegenheiten in unseren Medien etwas tiefer gehängt werden. Außerdem gilt Schwarzweißmalerei bei uns eher als Untugend. Und die Ausrede mit den "Freien" bei exklusiven Bildern funktioniert bei uns nicht so gut. Das hemmt Entwicklungen, die Don beschrieben hat.

Hoffe ich jedenfalls.

Außerdem: Moralische Verwahrlosung - auch im Journalismus - benötigt Vorlauf. Dort, wo Konflikte die Herzen der Menschen korrumpiert haben, dort sind derartige Erscheinungen häufiger.

Anders gesagt: Die ungemein korrumpierende Macht der Gewalt ist bei uns noch nicht so zur Geltung gekommen. Bislang haben wir es verstanden, Konflikte auszugleichen. Das fällt auch etwas leichter, wenn man nicht die Probleme des Nahen Ostens hat.

... link  


... comment