Antiquariate Steinbeiss & Rezek, Amalienstrasse 63

Buchhändler sind meist Charaktere - zumal, wenn sie nicht in grossen Ketten arbeiten und Spezialinteressen haben. Charaktere jedoch vertragen sich oft nicht gut, und im Fall von Münchens Maxvorstadt kommt noch eine gewisse Konkurrenzsituation dazu: Hier werden die grossen nachlässe emeritierter Geisteswissenschaftler zerteilt, einsortiert und wieder unter das Volk der Wissenschaftler gebracht. Hier geht es um die richtigen Bekanntschaften, um das Wissen um Krebs und Hirntumor, und darum, wer als erster zuschlägt. Das moderne Antiquariat ist hier weniger die Bedrohung als der nächste Händler, der dann kistenweise Raritäten ergattert.

Schlachtfeste sind es, aber Freundschaften oder Absprachen werden dadurch nicht unbedingt gefördert. Diese Ecke hat ihre Geschichten voller Niedertracht und Bosheit, manches Buch, das in einem Antiquariat gestohlen wurde, landete dann in einem anderen Geschäft - vor 12 Jahren etwa gab es mal einen Fall, an dessen Ende ein Antiquariat verschwand. Den Büchern ist´s egal, denn was älter ist als 200 Jahre dürfte sicher schon mal verborgt, gestohlen oder abhanden gekommen sein. Den Menschen jedoch, diesen kurz Besessenen, treibt die Leidenschaft zu wenig erfreulichen Handlungen.

Aber es gibt auch Ausnahmen wie die Antiquariate Steinbeiss und Rezek in der Amalienstrasse. Der Laden hat eine Tür, aber zwei Fenster, zwei Sitzplätze und zwei Verkäufer, denen jeweils ein Antiquariat innerhalb des Raumes gehört. Aber was für ein Raum!



Es ist dies ein Antiquariat, wie es sein muss, voller ledergebundener Bände, die dicht an dicht die Regale füllen; ausgewählte Kostbarkeiten, die die höchste Zier der Bibliomanenschränke sein könnten, wenn man sie sich leisten kann. Da gibt es manches, was einen verzweifeln lässt, und anderes, was man günstig findet. Der Eingang in die Leidenschaft wird bei schönem Wetter flankiert von Bücherfallen und Kisten mit Stahlstichen, an denen vorbeizugehen schwerer fällt, als nicht jedes Mal aufs Neue etwas darin zu finden. Es könnte in Paris sein, in der Altstadt von Madrid, es könnte Jahrzehnte her sein - aber das täuscht, denn in Wirklichkeit sitzt die Kundschaft in der ganzen Welt, und wird über das Internet mit dem Neuesten aus dieser scheinbar verwunschenen Welt versorgt.

Unvergleichlich jedoch ist das Echte, wo sich Trümmer von Jesuitenbibliotheken zu Originalen von Rousseau gesellen, wo eine halbnackte Columbine unter den Stichen von Melanchthon und längst vergessenen Professoren ihre Brustwarze entblösst, und die schlampig gebundene okkulte Schrift mit der Literatur eines Aufklärers im roten Leder und goldenen Adelswappen vereint auf die Süchtigen dieses Viertels warten. Man kennt sich, man ist länger Kunde und wird möglicherweise auch irgendwann wieder Anbieter sein, wenn es irgendwann hinausgeht auf den Friedhof, doch das ist egal, solange man noch kaufen kann. Schlimm ist es, wenn die Tür verschlossen bleibt, doch das Warten lohnt sich, die Wege hierin der Maxvorstadt sind kurz, bald kommt einer und sperrt denen auf, die Einlass begehren.

Sonntag, 21. Januar 2007, 00:57, von donalphons | |comment

 
Einer der Herren müsste mal seinen Internetauftritt reparieren.

Der andere ist sicher auch schräg drauf. Wer ein 300 Jahre altes Pamphlet über Urin-Wahrsagerei mit dem Hinweis auf braunes, fleckiges Papier anpreist dem graut vor garnix :-)

... link  

 
Ob so ein Auftritt mal 2 Tage down ist, ist bei dem Alter egal.

Und alte Okkulta haben eine sehr treue Anhängerschaft. Ich muss mal die Geschichte des "Splendor Solis" aufschreiben, da stehen erst Sachen drin...

... link  


... comment