: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 27. Januar 2007

Der feine Unterschied zwischen Mut und Dummdreistigkeit

Man kann Leser durchaus mit unangenehmen Themen konfrontieren. Folgen des Rasens etwa - so ziemlich jeder hatte schon mal 65 auf dem Tacho, als nur 50 erlaubt war. Folgen des Rauchens, Folgen der Umweltverschmutzung, da gibt es eine Reihe von Themen, die uns alle angehen und über die man reden muss. Das mag unpopulär sein, aber es ist die vornehme Aufgabe der Medien, da einzusteigen und die Debatte anzustossen. Das ist Mut.

Und dann gibt es noch Leute, die pauschal die grössere Gruppen einfach mal als Kriminelle abstempeln, weil sie sich nicht passend verhalten. Wie aktuell die Süddeutsche Zeitung:

Kriminalität im Netz - Kopiermaschine Internet

heisst ein Artikel aus einem grösseren Special dieser Publikation zum Thema Online-Verbrechen. Mal abgesehen davon, dass ein Zwischentitel sich nicht entblödet, "Digitale Epidemie" zu heissen - Autor Bernd Graff, seines Zeichens stellvertretender Chefredakteur von sueddeutsche.de, stellt da vermutlich den grössten Teil seiner Leser in eine Ecke, in die man durchaus auch die Herren der sog. Unterhaltungs- und Computerindustrie mit ihren durchgeknallten Urheberrechtsregeln und idiotischen Abmahnereien vermuten könnte, denen Graff in seiner "Argumentation" kritiklos folgt. "Diebesgut", davon spricht Graff wörtlich. Im Internet. Wahrscheinlich nicht wissend, dass der formale Unterschied zwischen bei Tauschbörsen üblichen "Urheberrechtsverletzung" und "Diebstahl" sehr gross ist - in etwa so gross ist wie ein Millionstel des Abstandes zwischen internetgebeutelten Medien, die so einen Blödsinn schreiben, und ihren damit inhaltlich und intellektuell beleidgten Nutzern, die die einzige Basis für ihre Existenz sind. Das ist dummdreist, aber kein Mut.

Leser zahlen vielleicht keine Schmierevents mit Luxushotel und Exklusivinterview mit vorgefertigten und abgesegneten Fragen, aber sie zahlen mit Geld oder Clicks die Rechnung für die Medien. Also bitte nicht wundern, wenn die Leser dann den SPON bevorzugen: Qualitativ noch weitaus mieser, auch Abschreiber der Anzeigenkunden, aber wenigstens wird da keiner als Krimineller in einem Special neben Trickbetrügern und Spammern verortet.

Wo man auch die sueddeutsche.de GmbH hintun könnte - schliesslich wird in der höchst erfolgreichen Rubrik "Das Internetvideo der Woche" aktuell ein Youtube-Video verlinkt, das angesichts des eingeblendeten Senderlogos dort auch nicht zwingend dem Urheberrecht entspricht:
Derek Porters Filmchen landete zunächst beim Fernsehsender king5.com in Seattle und verbreitete sich dann über YouTube weltweit – ein Internetvideo-typischer heterogener und cross-medialer Verbreitungsweg: Der Inhalt ist an kein Trägermedium gebunden und schlüpft anpassungsfähig durch alle Formate.
Denn wenn die SZ damit Clicks der Leser kassiert und verwertet, ist das natürlich kein Verbrechen.

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Rituelles

Traditionell lasse ich das erste Geld in Berlin beim "Istanbul Grill" in Schöneberg. Das hat sich so seit meinen ersten längeren Berlinerfahrungen aus der Zeit um 1999 so eingebürgert. Damals wohnte ich in Schöneberg, und der Istanbul Grill war der erste Falafelhersteller, den ich dort ausprobierte. Schon damals war er aus Münchner Sicht mit 4 Mark ausgesprochen günstig, die Qualität konstant, und so blieb ich dabei. Der besuch dort eicht meinen geschmackssinn auf das Berliner Niveau.

Mit der Euro-Umstellung stieg der Preis auf 2,50 Euro, was ich gerne zahle, denn der ruinöse Wettbewerb der 99-Cent-Döner ist wahrlich kein Zeichen von Lebensmittelqualität. Ausserdem ist Schöneberg eben etwas teurer als Friedrichshain oder der Wedding - und immer noch ein bis anderthalb Euro billiger als München. Als ich dann gestern dort wieder meinen ersten Halt nach Ablieferung meiner Begleitung einlegte, war ich dann doch überrascht:



Man nennt so etwas eine Deflation, und es ist kein Zeichen von wirtschaftlicher Gesundheit. tatsächlich, bei Licht besehen, wurde Schöneberg in den letzten Monaten an den Rändern erkennbar vom Elend angeknabbert, da steht viel leer, manche altbekannten Geschäfte sind verschwunden, dafür gibt es wieder ein paar Sexläden mehr. Was nochmal ein anderes Thema und möglicher Erklärungsansatz für den Deppenspruch der "arm aber sexy"-Hauptstadt wäre.

Dennoch: Der Geschmack hat sich nicht geändert seit dem Tagen, als ich hier jeden Abend dem entsetzlichen Frass eines Tagungsheimes am Wannsee entging. Das war auch im Winter. Aber es heisst nichts.

Denn in Berlin ist immer Winter.

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Dirt Picture Contest - Totes Auge

Mit zerkratzter Netzhaut starrt es in den Himmel über der Lychener Strasse. Jemand hat dafür gesorgt, dass kein Elektroschrotthändler das Ding noch einem ahnungslosen Kunden andrehen kann: Altruismus in der Berlin Edition.



Weihnachten wurden bekanntlich viele Flachbildschirme verkauft. Das Neue ist des Alten Stalingrad. Und nirgendwo lässt sich dieser Eindruck besser belegen als hier, in Berlin, der Hauptstadt der Müllschweine und braunen Scheisshaufen. Vor dem Bonker von StudiVZ hat mein Akku aufgegeben.

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