: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 5. Januar 2007

Hausbibliothek der Aufklärung III

Mit dem Absolutismus, der Ausrichtung aller Staatsbestrebungen auf den Herrscher, werden im Frankreich des späten 17. Jahrhunderts alle anderen gesellschaftlichen Grenzen vergleichsweise irrelevant - und damit leicht durchlässig. Handel und Gewerbe sind eine Möglichkeit, am neuen Staatsgebilde zu partizipieren. Natürlich gibt es auch Leistungen, die für besondere Protektion sorgen, und das durchaus in der verknöchertsten aller Institutionen: Der gallikanischen Kirche, die - im Gegensatz zu den romhörigen und erfolgreich agierenden Jesuiten - in besonderer Weise neben dem Papst auch dem französischen König verpflichtet ist.

Der 1649 geborene Adrien Baillet war so ein kirchlich geförderter Aufsteiger. Seine Eltern waren schlichte Bauern aus der Picardie, aber als Schüler zeigte er überdurchschnittliche Leistungen, was ihm die Zuneigung und Förderung durch den Bischof von Beauvais einbrachte. Seine weitere Karriere - Besuch eines Theologieseminar, Tätigkeiten als Lehrer und schliesslich Bibleothekar einer der grössten privaten Buchsammlung - lassen eigentlich nicht darauf schliessen, dass hier ein radikaler Aufklärer am Werk ist. Baillet ist pedantisch, akribisch, ein Sonderling und Bücherwurm, und die Bücher, die er verfasst, sind meist historische Arbeiten über lang vergangene Zeiten.

Aber die Geschichte ist dominiert von der Geschichtsschreibung der Kirche, und mit der kommt Baillet schnell in Konflikt. 1685 lobt er die Janseniten, eine bürgerlich-katholische Sekte, die einem stenges Glaubensideal vertreten und alleinseligmachende kirchliche Institutionen ablehnen. Besonders die Gesellschaft Jesu empört sich über ihn, und als er 1701 das Leben der Heiligen kritisch hinterfragt und deren Existenz teilweise ablehnt, ist der Skandal komplett. Als er 1706 im Ruch des Ketzertums stirbt, ist die Bombe aber noch gar nicht gezündet.



Das Buch, das Baillet zu Lebzeiten nicht publiziert sehen wollte, kommt eher unscheinbar daher: Histoire des démeslez du pape Boniface VIII avec Philippe Le Bel roy de France, erschienen a Paris, Chez François Barrois, rue de la harpe im Jahre 1718. 12 Jahre nach seinem Tod also ein historisches Werk über den Konflikt zwischen Papst Bonifaz VIII und Philipp dem Schönen. Eigentlich ist es nur eine Erweiterung und Überarbeitung eines Vorgängerwerkes des Gelehrten Pierre Dupuy von 1655, und die Handlung selbst spielte sich 1303 ab, lag damals also schon vier Jahrhunderte zurück. Entsprechend sachlich liest sich auch die Ankündigung des Druckers, der ganz auf irgendwelche Widmungen und Bücklinge verzichtet: das Buch hat das Privileg des Königs, das ist alles.



Trotzdem kommt es 1718 darüber zum grossen Skandal. Denn der Konflikt zwischen König und Papst war für keine Seite eine Ruhmestat. Im Prinzip ging es um einen banalen Steuerstreit: Philipp war ein gewissenloser Gewaltmensch, nach heutigen Massstäben ein Verbrecher auf dem Thron. Er hatte gerade die für Frankreich katastrophale Schlacht von Courtrai verloren, die allgemein als Beginn vom Ende des Rittertums gilt: Flämische Fleischhauer hackten auf sumpfigen Grund 700 Ritter von ihren Pferden und schlitzten sie gnadenöos auf. In der Folge hatte Philipp das reiche Flandern verloren, und brauchte dringend Geld. Also beschloss er, den bislang von Abgaben befreiten Klerus zu besteuern. Papst Bonifaz VIII. war der damalige moralische Tiefpunkt dieser religiöse Einrichtung. Er hielt sich dennoch für den Stellvertreter Gottes und antwortete mit der Bulle "Unam Sanctam", einem Höhepunkt des päpstlichen Machtanspruchs.

Die Bulle enthielt nicht weniger als die Forderung nach der irdischen Universalmacht, und war in der Folgezeit die Grundlage für alle derartigen Begehrlichkeiten der Kirche, und ihren Kampf gegen die Demokratie auch im 20. Jahrhundert. Stand da doch geschrieben: "Nun aber erklären wir, sagen wir, setzen wir fest und verkünden wir: Es ist zum Heile für jegliches menschliche Wesen durchaus unerlässlich, dem römischen Papst unterworfen zu sein."

Zumindest dachte man das theoretisch. Praktisch sah es 1303 erst mal anders aus: Philipp liess auf Bonifaz mutmasslich ein Attentat verüben, an dessen Folgen der Papst starb. Der übernächste Papst Clemens V. war dann nur noch eine Marionette von Philipp, und leitete das Papsttum von Avignon ein. Und Baillet erzählte diese Geschichte nicht ganz ohne Hohn, Kritik an der Kirche und leichten Sympathiebekundungen für Philipp. Im hinteren Teil des Buches standen dann noch die nicht wirklich schmeichelhaften Quellen, auf die er sich bezog. Jeder konnte jetzt lesen, wie man 1303 so mit Päpsten und der kirchlichen Allmacht umging. Wirklich jeder. Das war der eigentliche Sprengstoff.



Verbrennen konnte man Baillet nicht mehr. Das Buch war ein Anschlag auf die Macht der Kirche und des Papsttums. Posthum liess der Autor damit den damals um die geistliche und weltliche Vorherrschaft ringenden Jesuiten die Hosen runter. Minutiös schilderte er das Wesen der damaligen Kirche, und wer wollte, konnte Parallelen zu den Bemühungen der Gesellschaft Jesu erkennen. Das Buch wurde der literarische Skandal des Jahres 1718, und das Geplärre der Jesuiten sorgte nur weiter für die Popularität des Buches. Mit Baillet konnte man zeigen, was man von den Ansprüchen der Kirche hielt: Nichts.

Weshalb viele Exemplare - wie auch meines - einen sehr feinen Einband haben. Baillet lesen und besitzen, namentlich dieses Buch, war ein Plädoyer für den säkularen Staat und ein politischer Standpunkt gegen die christlich-reaktionären Kräfte, die in den nächsten Jahrzehnten die erbittertsten Gegner der Aufklärung werden sollten. Davon - bald mehr.

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Evolution of Business

1998, 1.0

Prakti: Also, Chef, jetzt hab ich Dir eine Email eingerichtet.
Chef: Oh! Ja! Und da ist auch schon eine Mail von Dir! Super.
Prakti: Ja, das ist jetzt ganz heiss aus den USA. Damit werden MILLIONEN gemacht.
Chef: Echt???
Prakti: Ja, das ist die Zukunft der Kommunikation. Und natürlich auch für das Geschäft, das wird der Markt der Zukunft. Die Firmen, die das können, denen gehört später mal die Wirtschaft, das wird irrsinnig Cash geben an der Börse. Ohne sowas - da hätte ich aber echt Angst um mein Business, weil Old Economy ist tot.
Chef: Wow. Und Du kannst das?
Prakti: Na logo. Hab ich bei meinem Auslandssemester gelernt. Ich mach da auch bald so ne Beratung auf.
Chef: Hm, sag mal, kann ich mich da beteiligen?

2006, 2.0

Prakti: Also, Chef, jetzt hab ich so ne Community mit php eingerichtet.
Chef: Oh! Ja! Und da bist Du und die Julia auch schon Mitglied! Super.
Prakti: Ja, das ist jetzt ganz heiss aus den USA. Damit werden MILLIONEN gemacht.
Chef: Echt???
Prakti: Ja, das ist die Zukunft der Kommunikation. Und natürlich auch für das Geschäft, das wird der Markt der Zukunft. Die Firmen, die das können, denen gehört später mal die Wirtschaft, das wird irrsinnig Cash geben beim Verkauf an Google oder Holtzbrinck. Ohne sowas - da hätte ich aber echt Angst um mein Business, weil ohne Web2.0 ist man tot.
Chef: Wow. Und Du kannst das?
Prakti: Na logo. Hab ich bei meinem Auslandssemester gelernt. Ich mach da auch bald so ne Communitfirma auf.
Chef: Hm, sag mal, kann ich mich da beteiligen?

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