Eine Geschichte der Armut
Es ist für einen Historiker mit Schwerpunkt auf Realienkunde ein wenig schade, heute leben zu müssen. Das Leben im nächsten Jahrhundert würde die Jetztzeit zwischen 1945 und rund 2020 zum Forschungsgegenstand machen, und damit ein wirklich spannendes Thema haben. Dann wären zum ersten Mal in der menschlichen Geschichtsforschung unumstössliche Erkenntnisse über das an Gegenständen erkennbare Verhalten nichts mehr wert.
Reichtum erkannte man an den Abfallgräben, den Kloaken und der Höhe der Siedlungsschichten. Reich sein bedeutet Abfall produzieren. Dass die Geschichtsschreibung so wenig über das Leben der normalen Menschen zu berichten weiss, hat vor allem damit zu tun, dass sie kaum schriftliche und gegenständliche Zeugnisse hinterlassen hat. Luxus definierte sich durch den Besitz von weitgehend sinnlosen Dingen. Es musste stets das Neueste sein, das Fortschrittlichste und das Prächtigste.
Neutral betrachtet, findet man diese Merkmale des Luxus und der Überflusses heute bei der Unterschicht: Plastik, Wegwerfgläseer, Einweggeschirr, sinnlose Verpackungen und alle drei Jahre neue Möbel aus Pressspan. Gemessen an unserem alten Wissen über das Verhalten der armen Leute, die nichts wegwarfen und es sich nicht leisten konnten, neue oder überflüssige Dinge zu kaufen, wäre das technisch und vom Formenspektrum her veraltete Ensemble hier ein Beispiel für Armut:
Bestens vergleichbar mit Nachlassregistern des 19. Jahrhunderts, wo fein säuberlich vermerkt wird, woher die Stücke kommen und wie alt sie inzwischen sind. Zum ersten Mal leben wir in einer Eroche, in der materieller Überfluss und die Option praktisch unbegrenzten Konsums die alten Begriffe von Luxus und Armut auflöst. Es hat sicher auch etwas mit der Entwicklung weg von einer Nachfragewirtschaft, die durch den Mangel definiert wird, hin zu einer Konsumwirtschaft zu tun, in der es nur noch darum geht, den produzierten Überfluss irgendwie durch schnelle Müllwerdung des Alten weiterhin an die Kunden zu bringen. Wie so etwas geht, sehen wir alle auf den Kommoden unserer Eltern: Wie lange haben sich dort Telefone gehalten - und wie häufig wechseln wir heute unsere ein Vielfaches teureren Mobiltelefone.
Armut hat ihr Gesicht gewandelt. Arm ist nicht mehr der Analphabet, arm ist die Unterschicht zwischen Bildzeitung und Glotze. Arm ist nicht mehr Wille zum Aufstieg, arm ist das Rumhängen in der Shopping Mall. Arm ist nicht mehr der Sportverein, sonder die Fettsucht, das Rauchen und der Alkoholismus. Arm ist Konsum und Überfluss. Rabatte signalisieren nicht "billiger", sondern "Noch mehr für das gleiche Geld". Statt die Armut vals solche zu bekämpfen, scheisst man sie mit billigem, in China produzierten Pseudoluxus zu, gewissermassen dem Imariporzellan der Gegenwart. Die Werbung scheisst sie mit Müll zu, das macht sie zufrieden, fett, unpolitisch und dumm.
Und für sie ist das individuell eine gute Sache. Armut heute ist überhaupt kein Vergleich mit Armut, wie wir sie früher aus der Sachkultur kennen. Ich war heute auf dem Flohmarkt und habe dort einen rund 200 Jahre alten Weidling gefunden, und das ist Armut, wie wir sie historisch kennen:
Idioten, bayerische zumal, die an die gute, alte Zeit glauben, nennen diese Form "Knödelschüssel". Damit verbunden ist die Vorstellung, dass fette Bayern am Mittagstisch fette Knödel aus dieser Riesenschüssel auf die Teller wuchteten. Das ist so falsch, wie die wahre Geschichte erbärmlich ist. Denn der Weidling hat mit Tischsitten erst mal gar nichts zu tun. Die Form entsteht während des 30-jährigen Kriegs, als man in der Not von der langwierigen, riskanten Felderwirtschaft auf Viehwirtschaft umstellt. Mit Rindern kann man vor marodierenden Banden davonlaufen, aber nicht mit den Feldfrüchten. In dieser Zeit erst finden Nahrungsmittel wie Butter und Käse, eben alles, was man aus Rahm und vergorener Milch machen kann, bei uns grössere Verbreitung. Zum Gären der Milch und zum Abschöpfen des Rahms braucht man diese flachen Schüsseln mit den hochgezogenen Lippen, mit denen man präzise, ohne Verluste abtropfen lassen kann. Diese Form gibt es zuerst nur in der Landwirtschaft.
Und erst, wenn die Glasur erste Schäden hat und die Schüssel für die Rahmproduktion nicht mehr sauber genug zu bekommen ist, wandert sie auf den Küchentisch. Und bleibt dort so lange, bis der Boden vollig leergekratzt ist. Glasuren sind mit das Beständigste, was der Mensch vor der Industrialisierung erfunden hat; sie überdauern im Erdreich 5000 Jahre ohne erkennbaren Schaden. Man kann sich nicht mehr vorstellen, mit welcher Gier da unten auf dem Boden dieser Schüssel mit Löffeln gekratzt wurde, um auch noch den letzten Rest herauszuholen. Glasur ist hart, aber niemals so hart wie der Hunger. Und erst, wenn diese Schüssel völlig verdreckt und die Glasur herausgelöffelt war, wenn man sie nicht mehr sauber bekam - wurde sie als Vorratsgefäss weiterbenutzt, und eine andere Schüssel, das für die Milchwirtschaft nicht mehr zu gebrauchen war, kam auf den Tisch.
In meiner Familie findet man dergleichen nicht, hier setzte die Verbürgerung schon zu einer Zeit lange vor Entstehung dieses Weidlings ein. Was jetzt die irrwitzige Folge hat, dass die Nachfahren der Armen, auf die dieses Stück gekommen ist, es unter einem Haufen Plastikramsch, Videospielen und billigsten Kleidern für 5 Euro an mich verkaufen. Weil es beschädigt ist. Und weil sie weder den Wert des Stücks, noch den Wert der Geschichte kennen. Das sind die Momente, in denen schenke ich mir das Verhandeln.
Sie sind sehr zufrieden, lachen vermutlich über den Deppen, der das Ding gekauft hat und haben jetzt 5 Euro für das nächste Konsolengame. Und genau so viel Zukunft. Sie sind immer noch arm, anders arm vielleicht und nicht mehr hungrig.
Reichtum erkannte man an den Abfallgräben, den Kloaken und der Höhe der Siedlungsschichten. Reich sein bedeutet Abfall produzieren. Dass die Geschichtsschreibung so wenig über das Leben der normalen Menschen zu berichten weiss, hat vor allem damit zu tun, dass sie kaum schriftliche und gegenständliche Zeugnisse hinterlassen hat. Luxus definierte sich durch den Besitz von weitgehend sinnlosen Dingen. Es musste stets das Neueste sein, das Fortschrittlichste und das Prächtigste.
Neutral betrachtet, findet man diese Merkmale des Luxus und der Überflusses heute bei der Unterschicht: Plastik, Wegwerfgläseer, Einweggeschirr, sinnlose Verpackungen und alle drei Jahre neue Möbel aus Pressspan. Gemessen an unserem alten Wissen über das Verhalten der armen Leute, die nichts wegwarfen und es sich nicht leisten konnten, neue oder überflüssige Dinge zu kaufen, wäre das technisch und vom Formenspektrum her veraltete Ensemble hier ein Beispiel für Armut:
Bestens vergleichbar mit Nachlassregistern des 19. Jahrhunderts, wo fein säuberlich vermerkt wird, woher die Stücke kommen und wie alt sie inzwischen sind. Zum ersten Mal leben wir in einer Eroche, in der materieller Überfluss und die Option praktisch unbegrenzten Konsums die alten Begriffe von Luxus und Armut auflöst. Es hat sicher auch etwas mit der Entwicklung weg von einer Nachfragewirtschaft, die durch den Mangel definiert wird, hin zu einer Konsumwirtschaft zu tun, in der es nur noch darum geht, den produzierten Überfluss irgendwie durch schnelle Müllwerdung des Alten weiterhin an die Kunden zu bringen. Wie so etwas geht, sehen wir alle auf den Kommoden unserer Eltern: Wie lange haben sich dort Telefone gehalten - und wie häufig wechseln wir heute unsere ein Vielfaches teureren Mobiltelefone.
Armut hat ihr Gesicht gewandelt. Arm ist nicht mehr der Analphabet, arm ist die Unterschicht zwischen Bildzeitung und Glotze. Arm ist nicht mehr Wille zum Aufstieg, arm ist das Rumhängen in der Shopping Mall. Arm ist nicht mehr der Sportverein, sonder die Fettsucht, das Rauchen und der Alkoholismus. Arm ist Konsum und Überfluss. Rabatte signalisieren nicht "billiger", sondern "Noch mehr für das gleiche Geld". Statt die Armut vals solche zu bekämpfen, scheisst man sie mit billigem, in China produzierten Pseudoluxus zu, gewissermassen dem Imariporzellan der Gegenwart. Die Werbung scheisst sie mit Müll zu, das macht sie zufrieden, fett, unpolitisch und dumm.
Und für sie ist das individuell eine gute Sache. Armut heute ist überhaupt kein Vergleich mit Armut, wie wir sie früher aus der Sachkultur kennen. Ich war heute auf dem Flohmarkt und habe dort einen rund 200 Jahre alten Weidling gefunden, und das ist Armut, wie wir sie historisch kennen:
Idioten, bayerische zumal, die an die gute, alte Zeit glauben, nennen diese Form "Knödelschüssel". Damit verbunden ist die Vorstellung, dass fette Bayern am Mittagstisch fette Knödel aus dieser Riesenschüssel auf die Teller wuchteten. Das ist so falsch, wie die wahre Geschichte erbärmlich ist. Denn der Weidling hat mit Tischsitten erst mal gar nichts zu tun. Die Form entsteht während des 30-jährigen Kriegs, als man in der Not von der langwierigen, riskanten Felderwirtschaft auf Viehwirtschaft umstellt. Mit Rindern kann man vor marodierenden Banden davonlaufen, aber nicht mit den Feldfrüchten. In dieser Zeit erst finden Nahrungsmittel wie Butter und Käse, eben alles, was man aus Rahm und vergorener Milch machen kann, bei uns grössere Verbreitung. Zum Gären der Milch und zum Abschöpfen des Rahms braucht man diese flachen Schüsseln mit den hochgezogenen Lippen, mit denen man präzise, ohne Verluste abtropfen lassen kann. Diese Form gibt es zuerst nur in der Landwirtschaft.
Und erst, wenn die Glasur erste Schäden hat und die Schüssel für die Rahmproduktion nicht mehr sauber genug zu bekommen ist, wandert sie auf den Küchentisch. Und bleibt dort so lange, bis der Boden vollig leergekratzt ist. Glasuren sind mit das Beständigste, was der Mensch vor der Industrialisierung erfunden hat; sie überdauern im Erdreich 5000 Jahre ohne erkennbaren Schaden. Man kann sich nicht mehr vorstellen, mit welcher Gier da unten auf dem Boden dieser Schüssel mit Löffeln gekratzt wurde, um auch noch den letzten Rest herauszuholen. Glasur ist hart, aber niemals so hart wie der Hunger. Und erst, wenn diese Schüssel völlig verdreckt und die Glasur herausgelöffelt war, wenn man sie nicht mehr sauber bekam - wurde sie als Vorratsgefäss weiterbenutzt, und eine andere Schüssel, das für die Milchwirtschaft nicht mehr zu gebrauchen war, kam auf den Tisch.
In meiner Familie findet man dergleichen nicht, hier setzte die Verbürgerung schon zu einer Zeit lange vor Entstehung dieses Weidlings ein. Was jetzt die irrwitzige Folge hat, dass die Nachfahren der Armen, auf die dieses Stück gekommen ist, es unter einem Haufen Plastikramsch, Videospielen und billigsten Kleidern für 5 Euro an mich verkaufen. Weil es beschädigt ist. Und weil sie weder den Wert des Stücks, noch den Wert der Geschichte kennen. Das sind die Momente, in denen schenke ich mir das Verhandeln.
Sie sind sehr zufrieden, lachen vermutlich über den Deppen, der das Ding gekauft hat und haben jetzt 5 Euro für das nächste Konsolengame. Und genau so viel Zukunft. Sie sind immer noch arm, anders arm vielleicht und nicht mehr hungrig.
donalphons, 18:06h
Sonntag, 11. März 2007, 18:06, von donalphons |
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lebemann,
Sonntag, 11. März 2007, 18:12
Herzlichen Dank für den grossartigen Text !
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logog,
Sonntag, 11. März 2007, 18:36
Ebenfalls danke! Die eine Funktion der hochgezogenen Randlippe hast du genannt, die andere ist die einer Griff- und Balancierhilfe an den sich der schwielige Daumen klemmen konnte. Auch noch so ein Armutsthema: wie die Hände der Menschen waren, taub und rissig, mindestens ein Nagelbett mit Bluterguss vom immerwährenden Bewegen der Dinge.
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first_dr.dean,
Sonntag, 11. März 2007, 18:38
Wow! Das ist wieder einmal einer der Momente, wo ich beim Lesen Dankbarkeit empfinde. Danke!
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vroni,
Sonntag, 11. März 2007, 19:14
Ergänzung
Habe mir sagen lassen, dass es nicht nur diese Billig-Teile-und Wohlstandsverwahrlosungs-Armut gibt, sondern tatsächlich auch wieder der Hunger (bei Kindern) in D im Vormarsch sei.
Auch Armut hat wohl ihre Klassen und Schichten.
Aber die Geschichtsschreibung wird ihr letztes Wort über unsere seltsame Epoche erst dann geschrieben haben, wenn wir es nicht mehr erleben, was sie schreibt. Und was sie über uns für Gegenstände und geistige Hinterlassenschaften findet.
In diesem Zusammenhang frage ich mich, was wohl gerade von unserem "Datenmüll" und unseren tollen Internet-Hinterlassenschaften wie Blogs und Videos übrig bleiben wird. Ich befürchte nicht viel, kann ich doch nirgend mal mehr in München eine BetacamSP-Videokassette von FUJI aus 1996 technisch auf eine CD-Rom oder DVD überspielen lassen, damit ich sie wieder anschauen kann.
Papier, Bütten oder Pergament waren zwar anfällig, aber hielten dennoch länger, wenn man sich das mal vergegenwärtigt, wie sich unsere sauer erstellten Daten "verpissen".
Auch Armut hat wohl ihre Klassen und Schichten.
Aber die Geschichtsschreibung wird ihr letztes Wort über unsere seltsame Epoche erst dann geschrieben haben, wenn wir es nicht mehr erleben, was sie schreibt. Und was sie über uns für Gegenstände und geistige Hinterlassenschaften findet.
In diesem Zusammenhang frage ich mich, was wohl gerade von unserem "Datenmüll" und unseren tollen Internet-Hinterlassenschaften wie Blogs und Videos übrig bleiben wird. Ich befürchte nicht viel, kann ich doch nirgend mal mehr in München eine BetacamSP-Videokassette von FUJI aus 1996 technisch auf eine CD-Rom oder DVD überspielen lassen, damit ich sie wieder anschauen kann.
Papier, Bütten oder Pergament waren zwar anfällig, aber hielten dennoch länger, wenn man sich das mal vergegenwärtigt, wie sich unsere sauer erstellten Daten "verpissen".
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euro,
Sonntag, 11. März 2007, 19:17
Groß!
Das ist kein klassisches Blog hier, das ist angewandte Philosophie und die Beiträge sind Kleinode der Literatur.
Dieser Beitrag hier ist einer der ganz großen.
Ich habe ihn verlinkt als "must read!"
Ja, und auch ich sage danke dafür.
Dieser Beitrag hier ist einer der ganz großen.
Ich habe ihn verlinkt als "must read!"
Ja, und auch ich sage danke dafür.
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fireball,
Sonntag, 11. März 2007, 21:27
Wenn man sonst nirgendwo mehr was über Geschichte lernt...
dann gibts noch immer rebellenmarkt.
Danke :-)
Danke :-)
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donalphons,
Sonntag, 11. März 2007, 23:03
Huch...
Danke, danke, danke allerseits, es war eigentlich nur so hingeschmiert, purer Zufall...
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kelef,
Montag, 12. März 2007, 00:33
'tschuldigung, aber ich kenne eigentlich hauptsächlich die schreibweise weitling, eben weil die schüssel oben weit ist. gründlich wie ich bin, habe ich im grossen brockhaus aus 1898 das ding nicht gefunden, auch nicht im grossen meyer aus 1902. im deutsch-russischen wörterbuch (verlag moskowskaja enziklopedia, 1969) gibt es nur einen weitling, der allerdings als "österreichisch" bezeichnet wird. ist weidling die in bayern üblichere schreibweise?
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donalphons,
Montag, 12. März 2007, 00:38
Absolut. In den alten Akten gibt es aber beide Schreibweisen. Die heutige Wissenschaft bevorzugt aber Weidling.
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meonly,
Montag, 12. März 2007, 02:23
In Deinen hier formulierten Gedanken über Armut konnte ich einige Überschneidungen zu eigenen Überlegungen der letzten Zeit entdecken. Aber Du hast das viel besser in Worte gefasst, als ich es könnte.
Ich denke, woran es vielen Menschen in unseren modernen Wegwerfgesellschaften mangelt, ist das Gefühl von Wertschätzung ...gegenüber sich selbst, ihren Mitgeschöpfen, ihrem Lebensraum, ihren Werken und Besitztümern. Doch wer nichts wirklich schätzen kann, ist m.E. immer arm (und fühlt sich vermutlich auch so) - unabhängig davon, wieviel er besitzt.
Wem fallen auf Anhieb drei Dinge ein, die er so sehr mag, dass er sie hütet wie seine Augäpfel - und zwar nicht des Geldwertes wegen, sondern weil etwas z.B. in den eigenen Augen die perfekte Form hat, sich genau richtig anfühlt, zu einem gehört hat, solange man denken kann, die Gabe eines geliebten Menschen ist o.ä. ?
btw beim Schreiben dieser Zeilen fiel mir übrigens gerade diese Bordüre aus Dons Schrank wieder ein, von der ich hier kürzlich las - sowas in der Art mein' ich.
Ich denke, woran es vielen Menschen in unseren modernen Wegwerfgesellschaften mangelt, ist das Gefühl von Wertschätzung ...gegenüber sich selbst, ihren Mitgeschöpfen, ihrem Lebensraum, ihren Werken und Besitztümern. Doch wer nichts wirklich schätzen kann, ist m.E. immer arm (und fühlt sich vermutlich auch so) - unabhängig davon, wieviel er besitzt.
Wem fallen auf Anhieb drei Dinge ein, die er so sehr mag, dass er sie hütet wie seine Augäpfel - und zwar nicht des Geldwertes wegen, sondern weil etwas z.B. in den eigenen Augen die perfekte Form hat, sich genau richtig anfühlt, zu einem gehört hat, solange man denken kann, die Gabe eines geliebten Menschen ist o.ä. ?
btw beim Schreiben dieser Zeilen fiel mir übrigens gerade diese Bordüre aus Dons Schrank wieder ein, von der ich hier kürzlich las - sowas in der Art mein' ich.
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schauerfeld,
Montag, 12. März 2007, 03:55
"Luxus...
...definierte sich durch den Besitz von weitgehend sinnlosen Dingen." -
Daß Ihr Weidling für die Käserei nicht mehr taugt,
und als Küchen- oder Speiseutensil abnutzungshalber
ausgedient hat, reiht ihn meines Erachtens in den Bedeutungsraum Ihrer Luxusdefinition ganz gut ein;
Die - unterstellte - Annahme, daß die von Ihnen so oft - so schön beschriebene Affinität der besitzenden Schicht zum vorindustriellen Gebrauchsgegenstand schon in 1 0der
200 Jahren für die betreffenden Forscher enigmatisch sei, teile ich nicht.
Hier-bei-uns, im Brandenburgischen, wo die Weidlinge
der letzten Jahrhunderte umständehalber zerkloppt
sein dürften (wenn es sie so-hübsch denn gab; 's ist eher
Ackerbau- und Schweinezuchtgegend, früher Jagd&Fischerei), werden die läppischen 5-, 10-, 50-Euro-Beträge der gebildeten Mittelschicht, wenn nicht
in WKII- oder Schlesienkriegs-Artefakte, auf dem Flohmarkt in weidenhölzerne Wannen und Schüsseln angelegt, die das Schlachterhandwerk hervorbrachte: Prinzipiell leicht
handhabbarer Werkstoff, hierorts meist umsonst zu haben, haltbar, leichtgewichtig, und "von Natur" keimmindernd. Jeder halbwegs geübte Zimmerer und/oder Fleischer haut und schlichtet solche Wanne -
je nach Größe - in 15-30 Minuten (habs ausprobiert);
Daß diese Dinger jetzt, sei's a la art brut, sei's mit Obst-
oder Blütenarragements, en masse in den aufwendig sanierten Mittelstands-Bauernhof-Refugien stehen,
- kurios fand' ich's immer, aber kein bißchen rätselhaft.
Diese wurmstichigen 10-€-Trophäen, die meisten nicht
älter als 50 Jahre, sind ein melancholischer Abschieds-
gruß an jahrhundertealte Gewißheiten. Wer sich dergleichen ins Haus holt, sagt damit entweder: "DA komme ich her, und, nach Allem, was ich weiß, kann's
da auch wieder enden"; oder, er zeigt: "Wo ich herkomme,
war Dergleichen Utensil des Gesindes; wenn's vielleicht
auch keiner mehr wissen will: es GAB mal Unterschiede!"
- Ob die Verkäufer das kleine Geld für Spielkonsolen, oder
evtl. für Miete-Licht&Gas verwenden - das hab ich mich manchmal auch gefragt.
Der Text ist sehr schön, zumal, wenn man den "Imari"-
Exkurs nicht ausläßt, danke sehr.
Daß Ihr Weidling für die Käserei nicht mehr taugt,
und als Küchen- oder Speiseutensil abnutzungshalber
ausgedient hat, reiht ihn meines Erachtens in den Bedeutungsraum Ihrer Luxusdefinition ganz gut ein;
Die - unterstellte - Annahme, daß die von Ihnen so oft - so schön beschriebene Affinität der besitzenden Schicht zum vorindustriellen Gebrauchsgegenstand schon in 1 0der
200 Jahren für die betreffenden Forscher enigmatisch sei, teile ich nicht.
Hier-bei-uns, im Brandenburgischen, wo die Weidlinge
der letzten Jahrhunderte umständehalber zerkloppt
sein dürften (wenn es sie so-hübsch denn gab; 's ist eher
Ackerbau- und Schweinezuchtgegend, früher Jagd&Fischerei), werden die läppischen 5-, 10-, 50-Euro-Beträge der gebildeten Mittelschicht, wenn nicht
in WKII- oder Schlesienkriegs-Artefakte, auf dem Flohmarkt in weidenhölzerne Wannen und Schüsseln angelegt, die das Schlachterhandwerk hervorbrachte: Prinzipiell leicht
handhabbarer Werkstoff, hierorts meist umsonst zu haben, haltbar, leichtgewichtig, und "von Natur" keimmindernd. Jeder halbwegs geübte Zimmerer und/oder Fleischer haut und schlichtet solche Wanne -
je nach Größe - in 15-30 Minuten (habs ausprobiert);
Daß diese Dinger jetzt, sei's a la art brut, sei's mit Obst-
oder Blütenarragements, en masse in den aufwendig sanierten Mittelstands-Bauernhof-Refugien stehen,
- kurios fand' ich's immer, aber kein bißchen rätselhaft.
Diese wurmstichigen 10-€-Trophäen, die meisten nicht
älter als 50 Jahre, sind ein melancholischer Abschieds-
gruß an jahrhundertealte Gewißheiten. Wer sich dergleichen ins Haus holt, sagt damit entweder: "DA komme ich her, und, nach Allem, was ich weiß, kann's
da auch wieder enden"; oder, er zeigt: "Wo ich herkomme,
war Dergleichen Utensil des Gesindes; wenn's vielleicht
auch keiner mehr wissen will: es GAB mal Unterschiede!"
- Ob die Verkäufer das kleine Geld für Spielkonsolen, oder
evtl. für Miete-Licht&Gas verwenden - das hab ich mich manchmal auch gefragt.
Der Text ist sehr schön, zumal, wenn man den "Imari"-
Exkurs nicht ausläßt, danke sehr.
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che2001,
Montag, 12. März 2007, 10:17
Don, wie definierst Du Unterschicht?
Alle drei Jahre neue Möbel aus Presspan? Wer kann sich das denn leisten? So viel Geld hätte ich nicht, und ich bin gut bezahlte Führungskraft. Was ich von der Unterschicht oder auch Studenten kenne, ist, sich mit Sachen vom Sperrmüll einzurichten.
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mark793,
Montag, 12. März 2007, 10:31
Sperrmüll-Mobiliar,
das ist was für Studis. Unterschicht ist sich dafür (zumindest nach meinen Beobachtungen) tendenziell eher zu schade. Wer Unterschicht beim Einrichtungskauf sehen will, sollte mal in Billigst-Discounter wie "Möbel Roller" und so Läden gehen.
Nach einem Besuch dort sieht man Ikea in sehr viel milderem Licht.
Nach einem Besuch dort sieht man Ikea in sehr viel milderem Licht.
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che2001,
Montag, 12. März 2007, 11:15
Nun ja, meine Wahrnehmung von Unterschicht ist sehr durch ALGII-Empfänger, Flüchtlings, Migranten im geschlossenen großstädtischen Ghetto und Junkies geprägt. Im Übrigen wäre auch mir IKEA schlicht zu teuer. Mit meinen geerbten Voll- und Sperrholzmöbeln von Jugendstil bis Gelsenkirchener Barock stellt sich mir die Frage des Möbelkaufs allerdings höchst selten.
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drsno,
Montag, 12. März 2007, 11:57
Alle drei Jahre neue Möbel aus Presspan?
Wenn nach fünf Jahren das Schloss eines Sideboards made irgendwo in Asien einfach mal spröde abbricht und der Hersteller (nein nicht immer ein Schwede!) einen verwundert ansieht und mitteilt, dass es für sooo alte Möbel bei ihm keine Austauschteile mehr zu kaufen gibt, dann wundert mich so ein Satz nicht mehr...
Wenn nach fünf Jahren das Schloss eines Sideboards made irgendwo in Asien einfach mal spröde abbricht und der Hersteller (nein nicht immer ein Schwede!) einen verwundert ansieht und mitteilt, dass es für sooo alte Möbel bei ihm keine Austauschteile mehr zu kaufen gibt, dann wundert mich so ein Satz nicht mehr...
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hockeystick,
Montag, 12. März 2007, 12:19
Pressspanregale, Kacheltische und blaue Funktionspolstermöbel findet man zuweilen auch bei Siemens-Abteilungsleitern.
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che2001,
Montag, 12. März 2007, 13:13
Die Möbel kaufende Unterschicht kenne ich mehr so von Walmart (Sideboard für 30 Euro) oder Froböses Drei-Tage-Markt (Versicherungsschäden, Möbel aus Zwangsversteigerungen). Die nettere Variante sind die Gebrauchtmöbel-Angebote von privat, die per Anschlag am Schwarzen Brett in Edeka-Märkten offeriert werden.
OK, von der Haltbarkeit solcher Möbel habe ich natürlich keine Ahnung. Ich setze die normalerweise mit Jahrhunderten an.
OK, von der Haltbarkeit solcher Möbel habe ich natürlich keine Ahnung. Ich setze die normalerweise mit Jahrhunderten an.
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brechreiz,
Montag, 12. März 2007, 14:45
Man sollte vielleicht die in diesem Artikel verschwiegenen Prämissen und die normative Aussage, die daraus resultiert, herausarbeiten:
Der bourdieusche "Distinktionsgeschmack" der Oberschicht wird als Fakt gesehen, als Windfege, mit der die Spreu vom Weizen getrennt wird - und zwar anhand einer einzigen Kapital(unter)sorte, dem geradezu fetischisierten objektivierten Kulturkapital ("Es gibt sie noch, die guten Dinge"). Derjenige, der sich im Besitz des eigentlichen, "legitimen" Kulturkapitals wähnt, schaut gutmütig, teils verdrossen auf das Gewusel der entwurzelten, geschichtslosen, sich mit naiver Freude in ihrem "Notwendigkeitsgeschmack" ergehenden Yahoos.
Mal abgesehen davon, dass hier alle Zwischenstufen ausgeblendet werden, stellt sich doch vor allem die Frage, ob Unter-(, Mittel-) und Oberschicht sich heute nicht allein durch die Menge ihres ökonomischen Kapitals definieren. Welcher Kleinbürger schielt denn - wie Bourdieu das annahm - heute noch nach Bücherschrank, gefüllt mit den obligatorischen Klassikern, nach Kanonwissen, mit dem sich der befürchtete Gesichtsverlust auf Empfängen vermeiden ließ - und nach objektiviertem, "legitimem" (weil von der Oberschicht abgesegneten) Kulturkapital? Und vor allem: Welcher Vertreter der "Unterschicht" schaut verschämt-neidvoll auf das KULTURkapital der Oberschicht? Und - aber das würde den Rahmen sprengen - warum sollte er?
Nein, da haben sich inzwischen andere, gänzlich der Deutungsmacht des "Bildungsbürgertums" entzogene Wertungskriterien herausgebildet. Der Benz vor der Hütte , Plasma im Wohnzimmer und (nicht arbeitslosigkeitsbedingte) Freizeit gelten bis in die "Oberschicht" als Indikator des gesellschaftlichen Status, weil untrügliches Zeichen ökonomischen Kapitals (wie finanziert ist eine andere Frage).
Und wenn man Gebrauchswert, Langlebigkeit und Wertschätzung als Aufhänger nimmt: Wer zwingt mich denn, das Stahlregal von ebay (was mich mit Sicherheit überleben wird) nach drei Jahren auszutauschen und es bis dahin zu verachten? Kann nicht auch ein mit legitimem Nippes gesegneter Mensch auf die Idee kommen, alle paar Jahre "durchzuwechseln", seinen Hausrat seinem aktuellen (fundierten, weil durch inkorporiertes Kulturkapital bedingten) Geschmack anzupassen?
Grundsätzlich ist das ein sehr lesenswerter Artikel zur Kulturgeschichte der alltäglichen Dinge, aber das normative Herunterbrechen auf (vermutete) Gesellschaftsgruppen ist ein Wermutstropfen.
Der bourdieusche "Distinktionsgeschmack" der Oberschicht wird als Fakt gesehen, als Windfege, mit der die Spreu vom Weizen getrennt wird - und zwar anhand einer einzigen Kapital(unter)sorte, dem geradezu fetischisierten objektivierten Kulturkapital ("Es gibt sie noch, die guten Dinge"). Derjenige, der sich im Besitz des eigentlichen, "legitimen" Kulturkapitals wähnt, schaut gutmütig, teils verdrossen auf das Gewusel der entwurzelten, geschichtslosen, sich mit naiver Freude in ihrem "Notwendigkeitsgeschmack" ergehenden Yahoos.
Mal abgesehen davon, dass hier alle Zwischenstufen ausgeblendet werden, stellt sich doch vor allem die Frage, ob Unter-(, Mittel-) und Oberschicht sich heute nicht allein durch die Menge ihres ökonomischen Kapitals definieren. Welcher Kleinbürger schielt denn - wie Bourdieu das annahm - heute noch nach Bücherschrank, gefüllt mit den obligatorischen Klassikern, nach Kanonwissen, mit dem sich der befürchtete Gesichtsverlust auf Empfängen vermeiden ließ - und nach objektiviertem, "legitimem" (weil von der Oberschicht abgesegneten) Kulturkapital? Und vor allem: Welcher Vertreter der "Unterschicht" schaut verschämt-neidvoll auf das KULTURkapital der Oberschicht? Und - aber das würde den Rahmen sprengen - warum sollte er?
Nein, da haben sich inzwischen andere, gänzlich der Deutungsmacht des "Bildungsbürgertums" entzogene Wertungskriterien herausgebildet. Der Benz vor der Hütte , Plasma im Wohnzimmer und (nicht arbeitslosigkeitsbedingte) Freizeit gelten bis in die "Oberschicht" als Indikator des gesellschaftlichen Status, weil untrügliches Zeichen ökonomischen Kapitals (wie finanziert ist eine andere Frage).
Und wenn man Gebrauchswert, Langlebigkeit und Wertschätzung als Aufhänger nimmt: Wer zwingt mich denn, das Stahlregal von ebay (was mich mit Sicherheit überleben wird) nach drei Jahren auszutauschen und es bis dahin zu verachten? Kann nicht auch ein mit legitimem Nippes gesegneter Mensch auf die Idee kommen, alle paar Jahre "durchzuwechseln", seinen Hausrat seinem aktuellen (fundierten, weil durch inkorporiertes Kulturkapital bedingten) Geschmack anzupassen?
Grundsätzlich ist das ein sehr lesenswerter Artikel zur Kulturgeschichte der alltäglichen Dinge, aber das normative Herunterbrechen auf (vermutete) Gesellschaftsgruppen ist ein Wermutstropfen.
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realmadscientist,
Montag, 12. März 2007, 19:17
Sehr schön festgestellt.
"Wer zwingt mich denn, das Stahlregal [...] nach drei Jahren auszutauschen und es bis dahin zu verachten?"
Schön festgestellt! Anekdote dazu: Mein mit Klassikern und Kunstbüchern vollgestopftes Metallregal aus dem Baumarkt brach nach langen Jahren treuen Dienstes einfach zusammen (und hätte mich dabei fast unter Büchern begraben).
Jetzt habe ich ein massives Holzregal. Selber zusammengebaut, wieder Baumarkt. Trägt jetzt noch mehr Bücher.
"Wer zwingt mich denn, das Stahlregal [...] nach drei Jahren auszutauschen und es bis dahin zu verachten?"
Schön festgestellt! Anekdote dazu: Mein mit Klassikern und Kunstbüchern vollgestopftes Metallregal aus dem Baumarkt brach nach langen Jahren treuen Dienstes einfach zusammen (und hätte mich dabei fast unter Büchern begraben).
Jetzt habe ich ein massives Holzregal. Selber zusammengebaut, wieder Baumarkt. Trägt jetzt noch mehr Bücher.
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donalphons,
Montag, 12. März 2007, 20:44
Brechreiz, Deine Analyse ist insofern richtig, als das hier ein radikal subjektives Blog ist. So radikal, dass es Dinge tut, die normativ nicht vorgeshen sind: Bei uns würde im Normalfall niemand über die Distinktionsmerkmale sprechen, weil sie in meinem Lebensumfeld praktisch nicht existent sind. Hier trink keiner Beuteltee aus dem Becher, hier würde niemand auf die Idee kommen, Gebäck im Supermarkt zu kaufen. Genausowenig würde man die Geschichte auf dem Flohmarkt entsorgen. Vor allem aber, und da bin ich anders: Man würde die Unterschiede nicht aufzeigen. Ich bin so aufgewachsen, dass ich bis zu meinem 15. Lebensjahr niemanden besser kannte, der in einem Block wohnte. ich bin da nicht stolz drauf, es war und ist einfach so.
Der alte Wertekanon hat heute natürlich nur noch bedingt Wirksamkeit, so er ihn wirklich je gehabt haben soll. Als Sammler alter Bücher weiss man, was früher wirklich gelesen und was nur für den Bücherschrank gekauft wurde. Aber ich weigere mich, den ökonomisch definierten Durchschnitt der "Besserverdienenden" als "Oberschicht" zu definieren. Ein Blick auf die Managementratgeber zeigt, was da für eine hirnlose Bande am Zug ist. Das das Bildungsbürgertum von den Bespassungsmedien auf ein Abstellgleis geschoben wurde - ebenfalls geschenkt.
Ich will hier nicht unbedingt das ökonomisch bedingte Wort "Nachhaltigkeit" in die Runde werfen, aber was mir stets imponiert hat, war der Spruch "It takes 3 years to build a ship, but it takes 3 centuries to build a tradition". Bewusstsein ist meines Erachtens eine Qualität. Mir ist durchaus klar, dass manche meiner Ansichten als "erzreaktionär" gelten könnten, und ich urteile nicht nach dem, was Menschen behalten, sondern nach dem, was sie wegwerfen: Überzeugungen, ihr Umfeld, ihre Geschichte. Gegenstände sind da nur ein dinglicher Ausdruck, an dem es greifbar wird.
Der alte Wertekanon hat heute natürlich nur noch bedingt Wirksamkeit, so er ihn wirklich je gehabt haben soll. Als Sammler alter Bücher weiss man, was früher wirklich gelesen und was nur für den Bücherschrank gekauft wurde. Aber ich weigere mich, den ökonomisch definierten Durchschnitt der "Besserverdienenden" als "Oberschicht" zu definieren. Ein Blick auf die Managementratgeber zeigt, was da für eine hirnlose Bande am Zug ist. Das das Bildungsbürgertum von den Bespassungsmedien auf ein Abstellgleis geschoben wurde - ebenfalls geschenkt.
Ich will hier nicht unbedingt das ökonomisch bedingte Wort "Nachhaltigkeit" in die Runde werfen, aber was mir stets imponiert hat, war der Spruch "It takes 3 years to build a ship, but it takes 3 centuries to build a tradition". Bewusstsein ist meines Erachtens eine Qualität. Mir ist durchaus klar, dass manche meiner Ansichten als "erzreaktionär" gelten könnten, und ich urteile nicht nach dem, was Menschen behalten, sondern nach dem, was sie wegwerfen: Überzeugungen, ihr Umfeld, ihre Geschichte. Gegenstände sind da nur ein dinglicher Ausdruck, an dem es greifbar wird.
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che2001,
Montag, 12. März 2007, 20:50
Sorry, Brechreiz, da muss ich widersprechen. Nicht Distinktionsgeschmack, wie er in Les Petites distinctions als konstutives Merkmal von Klassenherrschaft beschrieben wird, steht hier im Mittelpunkt. Don soll für sich selber sprechen, nur soviel: Es geht hier immer auch um Nachhaltigkeit und eine sinnvolle Wirtschaftsweise. Was mich angeht, es geht mir nicht darum, mich von einer Unterschicht abzuheben (der ich mich eher solidarisch verbunden fühle), sondern um die Schilderung eigener Lebenswelten. Und da, wo ich herkomme, hat man eben Schränke, die von den Urgroßeltern stammen und kauft sich außer bei dringendem Bedarf einfach keine neuen Möbel. Dem Ursprung nach ist das nicht bourgeois, sondern bäuerlich. Ich bin noch damit aufgewachsen, dassman keinen Klebstoffkauft, sondern aus Kartoffelstärke und wasser Kleister mischt.
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brechreiz,
Dienstag, 13. März 2007, 00:11
Ich lese hier nicht sehr oft, deswegen kann ich mir über dich, Don, deine Einstellung, dein Weltbild etc. kein Urteil erlauben - aber darum ging es auch nicht in meinem Kommentar, sondern um den Eindruck, den ein Leser haben muss, wenn er nur diesen Artikel liest. Rein textimmanent. Und da stolpert man eben über die "Nachfahren der Armen", die immer noch nichts dazu gelernt haben, nun zwar nicht mehr arm am Beutel, dafür um so kränker am Herzen sind. Und sich mit Glasp ... äh, Komsolenspielen abspeisen lassen. Das finde ich als Bild für eine "Geschichte der Armut" schon einseitig. Textimmanent. Sonst glaube ich dir Nachhaltigkeit und Bewusstsein gerne.
PS: Was nützt die Erkenntnis, dass auf der Managementebene eine hirnlose Bande am Zug ist? Eins können die auf jeden Fall ganz gut: AAL und Kapitalakkumulation (abgesehen natürlich von den Beispielen hier und an der blogbar, aber das ist wohl die Spitze des Eisbergs). Und damit KAUFT man sich schlaue Menschen, die ökonomischen Zwängen unterliegen, semantisch geschult sind und Deutungsmacht ausüben, wenn's Spaß macht, eine Änderung im Diskurs bewirken können. Und um diesen Kern herum ein paar gesponserte Kulturschichten: et voilà.
Bei dieser Übermacht fällt es mir schwer, an eine zwangsläufige Rückkehr des Guten, Wahren, Nachhaltigen zu glauben (wobei sich die Frage stellt, wie sich das Wahre vom "Wahren", dem PR-Mäntelchen, unterscheiden würde ohne externen, unabhängigen Beobachter).
PPS: Naja, bei zweiter Durchsicht wirkt mein Elaborat schon arg "j'accuse"-mäßig. Das nächste Mal erst in die Mensa, dann Schreiben. Gute alte Glucose ...
PS: Was nützt die Erkenntnis, dass auf der Managementebene eine hirnlose Bande am Zug ist? Eins können die auf jeden Fall ganz gut: AAL und Kapitalakkumulation (abgesehen natürlich von den Beispielen hier und an der blogbar, aber das ist wohl die Spitze des Eisbergs). Und damit KAUFT man sich schlaue Menschen, die ökonomischen Zwängen unterliegen, semantisch geschult sind und Deutungsmacht ausüben, wenn's Spaß macht, eine Änderung im Diskurs bewirken können. Und um diesen Kern herum ein paar gesponserte Kulturschichten: et voilà.
Bei dieser Übermacht fällt es mir schwer, an eine zwangsläufige Rückkehr des Guten, Wahren, Nachhaltigen zu glauben (wobei sich die Frage stellt, wie sich das Wahre vom "Wahren", dem PR-Mäntelchen, unterscheiden würde ohne externen, unabhängigen Beobachter).
PPS: Naja, bei zweiter Durchsicht wirkt mein Elaborat schon arg "j'accuse"-mäßig. Das nächste Mal erst in die Mensa, dann Schreiben. Gute alte Glucose ...
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