: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 26. März 2007

Glück gehabt

Und nach dieser Ankündigung will ich endlich wieder Porschebilder, Hermann den User, Trikes, Pferde auf Wiesen und sogar Macs sehen. Sofort.

Blogdinosaurier rocken ohnehin.

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Kochsendung ist das neue Pr0n

Wir leben ein einem grossen Zeitalter. Nach einem Jahrhundert des Niedergangs von Tischsitten, Einladungen und Essenskultur, nach Dekaden des Fast Junks und Abfall aus dem Kühlregal stehen uns jetzt wieder gloriose Zeiten bevor. Das Silber wird blinken, der Champagner wird sprudeln, zarte Fleischscheiben werden sich in leichten Sossen räkeln, zum Nachtisch wird geschäumt und die Vorspeisen werden im Schein der Kerzen funkeln. Lombardische Trüffel, Abensberger Spargel und fränkische Florelle sind gewöhnliche Gäste an den Tafeln, an denen sich die Freunde in Scharen einfinden, um die Hausfrau zu feiern, und schon das schnelle Frühstück wird so aussehen:



Wie? Nein? Du, verehrte Leserin, bist Elitesse aus dem Wohnheim im Schatten des Stadtpalastes, und Dein Frühstück war nur ein Schluck aus der Mehrweg-Diätcola-Flasche und eine Vitamintablette? Deine letzten warmen Mahlzeiten kamen ursprünglich aus der Tiefkühltruhe? Und bei Suppe denkst Du sofort an Mikrowelle? Die Messer, die Dir Mama mitgab, brauchst Du nur zu ein wenig Selbstverstümmelung, wenn die Prüfung nicht gut lief und die sexy Schnitte im VZ jetzt nicht mehr solo ist? Komisch. Wo Du doch jeden Nachmittag vor den diversen Kochsendungen abhängst, wo gezeigt wird, wie einfach das doch ist, mit dem ungenutzten Herd und den verstaubten Töpfen (ausser dem, in dem Du Fertigravioli kochst und anschliessend auch gleich löffelst).

Und trotzdem glaubt man in den Medien an den Erfolg solcher Formate. Die Kühltheke im Supermarkt ist immer noch drei mal so lang wie das Gemüseregal, und die Pizza für 69 Cent ist auch nicht aus dem Sortiment geflogen. Billigshrimps aus dem Plastikbecher gab es schon etwas länger, und dass Nudeln jetzt nicht dehydriert vakuumverpackt werden, ist auch nicht wirklich ein Hinweis auf veränderte Konsumgewohnheiten. Auch wenn sich die Werbestrategen erhoffen, durch solche Formate mehr Geld von der Nahrungsmittelindustrie zu bekommen, die auf alten Schrott jetzt neue "frisch&teuer"-Marketingstrategien klebt, um es tauglich für den angeblichen durch solche Formate hervorgerufenen Gesundheitsboom zu machen.



Die Realität erlebe ich fast jeden Mittwoch und Samstag. Da ist nämlich Wochenmarkt. Und bei einer Population von ca. 200.000 Menschen im Umfeld kaufen lediglich ein paar tausend hier ein. Es sind vorwiegend ältere Menschen. Aber es ist nicht so teuer, dass man es sich als Student nicht leisten könnte. Hier gibt es alles, was man für eine Küche braucht, die in der Glotze vorgekocht wird - aber auch nur hier. Schliesslich fängt kochen mit den Zutaten an, und wenn die nichts taugen, dann kann das Ergebnis allenfalls mit Gewürzmischung Provence - noch so ein Elitessenstandard - aufgepeppt werden. Man kann nicht einfach irgendeinen Gorgonzola kaufen und zur Pasta tun. Welcher taugt - und ob ein Roquefort nicht mitunter die bessere Wahl ist - erfährt man ebenfalls hier. Und nur hier. Man frage mal im Supermarkt an der Kasse, ob der Roquefort das AOC-Siegel hat und im März nicht zu würzig für Rinderfilet ist.

Genau das müsste aber geschehen, wenn sich das Publikum der Kochsendungen ernsthaft mit Nahrung auseinandersetzen würde. Statt dessen sehe ich sie so gut wie nie auf dem Wochenmarkt. Ab und zu kauft eine mal eine Handvoll Rukola, aber den Normalfall erlebe ich, wenn ich alle zwei Wochen notgedrungen doch mal den Supermarkt aufsuche. Jeder halbwegs intelligente Mensch müsste einen Bogen um alles machen, was dort Fleischmedikante enthält. Aber auch Leute, die sich mit drei Klicks im Internet einen Überblick über die Produktionsbedingungen von "Formschinken" beschaffen können, greifen zu Lasagne al forno in praktischem Plastik. Es ist hart, was da dem Körper beschafft wird, aber wirklich hart ist es für alle, die glauben, dass man aus dem Betrachten einer Kochsendung Folgerungen für den Lebenswandel ableiten könnte. Der Umstand, dass man in Berlin versilbertes WMF-Besteck für 1 Euro pro Teil in der Originalverpackung der 50er Jahre kaufen kann, ist ein weiterer Hinweis auf den ausbleibenden Aufstieg der Essenskultur.



Natürlich gibt es Menschen, die den Wochenmarkt frequentieren und das Silber aufkaufen. Es gibt Geniesser und Gourmands, es gibt die Lust am Essen und an der Völlerei. Für manche muss das Silber im Kerzenschein funkeln, damit sich der genuss vollständig einstellt, selbst wenn sie allein essen. Aber ich wage zu behaupten: Wer das Kochen und die Tischsitten nicht daheim gelernt hat, wird sie auch nicht mehr lernen, wenn er irgendwelche TV-Brutzler betrachtet. Man muss das gelebt haben, um den Wert darin zu erkennen. Wer es nicht gelebt hat, wird es auch nicht durch die Glotze vermittelt bekommen - genauso könnte man behaupten, dass das Anschauen von N24 den Betrachter zum Börsenprofi macht.

Bleibt also die Frage: Wenn sie weiter den Dreck aus dem Ikea-Starterset löffeln - was treibt sie dann vor die Glotze? Ich glaube, da gibt es zwei Gründe. Das eine ist ein tatsächlich unbewusst empfundener Mangel und eine Ahnung, dass das Östrogengrauen aus dem Kühlregal doch nicht alles gewesen sein kann. Und bewusst: Man schaue sich die Typen von Jamie Oliver abwärts doch mal an. Das sind keine fetten Matronen, wie in den Kochsendungen des Bayerischen Rundfunks, sondern kochpunkende Casting-Sahneschnitten. In Wirklichkeit verkörpern sie den Traum der haushaltsunfähigen GrossstädterInnen nach jemandem, der ihnen das Essen hinstellt, mit dem sie angeben können, und ihnen das Primärgenital ausleckt, während sie Austern schlürfen. Kochsendungen sind die Archetypen Mama und Nutte in moderner Verpackung, mit einem Schwerpunkt auf zweiterem.

Ein Bombenerfolg - aber eine Pleite für alle, die ernsthaft glauben, dass man über diese Schiene Werbung verkaufen könnte, die etwas anderes als Pizzaservice, Andy den Muschelsschlecker und Anita, die immergeile Haushaltshilfe anpreist. Oder "Wähle 0190 beissrein und erhalte die saftigsten Schinken als Handylogo im Sparabo". Aber kein Mensch kauft deshalb auch nur ein Radieschen mehr auf dem Wochenmarkt.

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