Das gibt es nicht nur in Gelsenkirchen
Letztlich ist es ein Problem des Brandings. Denn - seien wir ehrlich: Niemand wird sich heute finden, der irgendein Möbel des Barock, einen Reinaissancepalast oder eine gotische kathedrale heute als Kitsch oder Geschmacksverirrung abtun würde. Das Problem ist einzig und allein mit dem Wandel der Zeit die Bauqualität. Sobald wir über Biedermeier oder ältere Epochen reden, verschwindet der Kitsch und wird allenfalls vom Ramsch ersetzt. Obwohl, und das ist uns allen bewusst, es früher durchaus andere Urteile über Kunst und Stil gab. Genauso, wie das Empire den Rokokoschnörkel verdammte, hasste die neue Sachlichkeit den Jugendstilbogen, und dennoch finden wir das heute alles irgendwie grossartig, toll und begehrenswert in den Auktionskatalogen wieder.
Es gibt allerdings noch Ausnahmen: Deutscher Historismus und - Gelsenkirchner Barock, gewissermassen die Antibewegung zum Bauhaus und der dominierende Stil der 20er bis 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, der dann von Eiche Rustikal abgelöst wurde. Beim Historismus findet im Moment das gleiche Umdenken statt, das in England die victorianische Epoche zu neuer Blüte verholfen hat, schliesslich war es die letzte Epoche vor dem massenhaften Aufkommen der billigen Fabrikmöbel. Ungeliebt, verachtet und zu billigsten Preisen bei den Wohnungsauflösern schmachtet dagegen das als Nazistil verhasste Gelsenkirchner Barock, kongenial zum Ausdruck kommend in den dickbäuchigen, geschwungenen Küchenschränken dieser Epoche, die von den Träumen der Krisen und Kriege sowie ihrer Erfüllung im Wirtschaftswunder erzählen.
Kritiker werden zudem einwerfen, dass diese Dekoration ausgerechnet der Küche ein Symbol der Unterjochung der Frau an Heim und Herd ist. Und natürlich ist so ein Stück mit seiner Glasvitrine und der Spiegelfurnierfront das Gegenteil der Frankfurter Kücher unserer verehrten Margarete Schütte-Lihotzky. Es ist ein Stück für das lange Arbeiten der Hausfrau, und nicht für die schnelle Küche der Angestellten, an die man in den 20er Jahren in fortschrittlichen Kreisen dachte. Und mutmasslich ist es auch ein Nazimöbel, gefertigt nach 1933.
Wie seine französischen Cousins, die unter dem Begriff Art Deco laufen. Oder die Vettern aus Amerika, die man gern als Streamline Design verkauft. Oder schlicht und einfach 30ies, das Branding, mit dem diese Dinge hierzulande gekauft und dann in Italien und England weiter verkauft werden. Zu horrenden Preisen, was niemanden überrascht, der einmal eine Tür öffnet: Das ist Vollholz, hier gibt es kein Pressspan wie nach 1945, Vorkrieg, und Edelholz in der Küche könnte sich heute kein Mensch mehr leisten.
Also, was tun? Verbleiben in der alten Ideologie, die alles schlecht macht, was der Zeit entsprungen ist? Akzeptiert man die Urteile der Gegenwart, statt die Chancen der Zukunft zu nutzen? Heute noch ist es kontrovers, die Hälfte der Besucher werden schaudern - aber in 20 Jahren wird die andere Hälfte wissen wollen, woher man so etwas bekommt.
Letztlich geht es nur um die Frage, wie man Gelsenkirchen los wird.
Es gibt allerdings noch Ausnahmen: Deutscher Historismus und - Gelsenkirchner Barock, gewissermassen die Antibewegung zum Bauhaus und der dominierende Stil der 20er bis 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, der dann von Eiche Rustikal abgelöst wurde. Beim Historismus findet im Moment das gleiche Umdenken statt, das in England die victorianische Epoche zu neuer Blüte verholfen hat, schliesslich war es die letzte Epoche vor dem massenhaften Aufkommen der billigen Fabrikmöbel. Ungeliebt, verachtet und zu billigsten Preisen bei den Wohnungsauflösern schmachtet dagegen das als Nazistil verhasste Gelsenkirchner Barock, kongenial zum Ausdruck kommend in den dickbäuchigen, geschwungenen Küchenschränken dieser Epoche, die von den Träumen der Krisen und Kriege sowie ihrer Erfüllung im Wirtschaftswunder erzählen.
Kritiker werden zudem einwerfen, dass diese Dekoration ausgerechnet der Küche ein Symbol der Unterjochung der Frau an Heim und Herd ist. Und natürlich ist so ein Stück mit seiner Glasvitrine und der Spiegelfurnierfront das Gegenteil der Frankfurter Kücher unserer verehrten Margarete Schütte-Lihotzky. Es ist ein Stück für das lange Arbeiten der Hausfrau, und nicht für die schnelle Küche der Angestellten, an die man in den 20er Jahren in fortschrittlichen Kreisen dachte. Und mutmasslich ist es auch ein Nazimöbel, gefertigt nach 1933.
Wie seine französischen Cousins, die unter dem Begriff Art Deco laufen. Oder die Vettern aus Amerika, die man gern als Streamline Design verkauft. Oder schlicht und einfach 30ies, das Branding, mit dem diese Dinge hierzulande gekauft und dann in Italien und England weiter verkauft werden. Zu horrenden Preisen, was niemanden überrascht, der einmal eine Tür öffnet: Das ist Vollholz, hier gibt es kein Pressspan wie nach 1945, Vorkrieg, und Edelholz in der Küche könnte sich heute kein Mensch mehr leisten.
Also, was tun? Verbleiben in der alten Ideologie, die alles schlecht macht, was der Zeit entsprungen ist? Akzeptiert man die Urteile der Gegenwart, statt die Chancen der Zukunft zu nutzen? Heute noch ist es kontrovers, die Hälfte der Besucher werden schaudern - aber in 20 Jahren wird die andere Hälfte wissen wollen, woher man so etwas bekommt.
Letztlich geht es nur um die Frage, wie man Gelsenkirchen los wird.
donalphons, 15:54h
Montag, 19. März 2007, 15:54, von donalphons |
|comment
50hz,
Montag, 19. März 2007, 16:18
Warst Du jüngst mal in Gelsenkirchen?
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donalphons,
Montag, 19. März 2007, 16:22
Ich kenne das Lied von Georg Kreisler. Das reicht für´s Leben.
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donalphons,
Montag, 19. März 2007, 16:25
Ich frag nur wegen dem Kohlenstaub... ich wisch dann nachher ab...
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strappato,
Montag, 19. März 2007, 16:35
Das Hauptproblem ist doch, dass man sowas in heutige 10 qm Küchen nicht reinbekommt. Wer hat denn noch eine 30 qm Wohnküche mit Sofa (wie wir)? Die grossen Küchen gibt es nur in den Anzeigen der Küchenhersteller und in den Hochglanzfotos von Einrichtungsmagazinen.
Genau wie die Retro-Kühlschrankmonster. Sehen cool aus, peppen Zeitschriften auf, lockern die dröge Ausstellung von Haushaltsgerätehändlern auf, und verschaffen den Herstellern ein modernes Image. Nur kaufen tuts keiner, weil kaum einer eine Küche hat, wo es reinpasst.
Genau wie die Retro-Kühlschrankmonster. Sehen cool aus, peppen Zeitschriften auf, lockern die dröge Ausstellung von Haushaltsgerätehändlern auf, und verschaffen den Herstellern ein modernes Image. Nur kaufen tuts keiner, weil kaum einer eine Küche hat, wo es reinpasst.
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donalphons,
Montag, 19. März 2007, 16:55
Nur bei.
Da weisst Du, warum Du jeden Tag Deinem Schöpfer dankst.
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gibsmir,
Montag, 19. März 2007, 21:09
Gelsenkirchen, Kohlenstaub? Es gibt in Gelsenkirchen keine einzige Zeche mehr und 1/3 der Stadt sind Grünflächen, Wälder und landwirtschaftliche Flächen.
Bayerische Geographiebüchern von 1939 mögen für Bayern, wo sich ja nichts bewegt, noch eine gewisse Gültigkeit haben. Das Kapitel Ruhrgebiet sollte jedoch gelegentlich mal erneuert werden.
Bayerische Geographiebüchern von 1939 mögen für Bayern, wo sich ja nichts bewegt, noch eine gewisse Gültigkeit haben. Das Kapitel Ruhrgebiet sollte jedoch gelegentlich mal erneuert werden.
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zwischenspeicher,
Montag, 19. März 2007, 18:20
Wer mal so ein Ding mal von dem elterlichen Speicher entsorgen mußte (Beil, Motorsäge, ..., runtertragen geht auch nicht), der weis die heutige mobilitätsfreundliche Spanplatten- und Sperrholzkultur mit den Holz-Holz-Verbindungen ohne Klebstoff sehr zu schätzen! Puh!
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abulafia,
Montag, 19. März 2007, 19:05
"Letztlich geht es nur um die Frage, wie man Gelsenkirchen los wird."
Nö - letzlich ist es doch eher einfach nur eine Frage des Geschmacks...wem´s gefällt der soll sich´s in die Küche (oder sonst wohin stellen) - wem nicht der mag´s verfeuern (oder sonst was damit tun...)
Gelsenkirchen spielt hier mal nur Namensgeber...und es steht zu befürchten, dass man dies nie los werden wird...
Nö - letzlich ist es doch eher einfach nur eine Frage des Geschmacks...wem´s gefällt der soll sich´s in die Küche (oder sonst wohin stellen) - wem nicht der mag´s verfeuern (oder sonst was damit tun...)
Gelsenkirchen spielt hier mal nur Namensgeber...und es steht zu befürchten, dass man dies nie los werden wird...
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zwischenspeicher,
Montag, 19. März 2007, 19:05
@arboretum. Genau diese Frage hab ich mir damals auch gestellt und mir so beantwortet, dass wo solche Schränke rumstehen, auch kräftige hilfsbereite Nachbarn wohnen.
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kelef,
Montag, 19. März 2007, 19:15
mit alten möbeln kann man doch viel machen!
schauen sie und schaudern sie:
http://wien.orf.at/magazin/lustaufwien/wohlfuehlen/stories/178553/
da greift man freiwillig zur hacke. kalorisch entsorgen ist übrigens auch möglich - die möbel, nicht die künstler.
http://wien.orf.at/magazin/lustaufwien/wohlfuehlen/stories/178553/
da greift man freiwillig zur hacke. kalorisch entsorgen ist übrigens auch möglich - die möbel, nicht die künstler.
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donalphons,
Montag, 19. März 2007, 20:31
Mal im Ernst: So ein klassischer Splitterbombenschaden oder ein ehrliche Schimmelbefall werden zukünftigen Restauratoren wie ein Klacks erscheinen, im Vergleich zu diesen Verbrechen.
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kelef,
Dienstag, 20. März 2007, 11:19
ich kann mir nicht erklären, wie derartiges zustandekommt. und dann noch stolz darauf sein und das als kunst bezeichnen. ich fürchte ja, dass diese verbrechen einfach nicht wieder gutzumachen sind, auch nicht vom besten restaurator.
so geht sie dahin, die kultur, es ist ein jammer. und nichts, was die heutige zeit hervorbringt, wird auch nur annähernd so lange leben wie diese alten möbel - andererseits, das ist ja wieder gut so.
so geht sie dahin, die kultur, es ist ein jammer. und nichts, was die heutige zeit hervorbringt, wird auch nur annähernd so lange leben wie diese alten möbel - andererseits, das ist ja wieder gut so.
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stuck-und-dielen,
Montag, 19. März 2007, 19:20
Und billiger als von Ikea ist es auch noch.
Der Vorteil von diesen jungen Antqitäten ist ja, dass es sich schon um Serienproduktion handelt. Sucht man mal nach einem Griff oder einer Schlossblende, findet man das schnell auf einem Flohmarkt oder bei einem Antikhändler. Bei echten Barockmöbeln schon schwieriger...
Noch ein Hinweis zu Schreibtischen aus dieser Zeit: Irgendeine Norm hat dafür gesorgt, dass die rechte Seite dieser Schreibtische, wo man normalerweise einen Ausziehboden findet, von ca. 1880 bis 1950 innen fast immer gleich breit ist und heute von den Maßen für ein Computerdesktopgehäuse P E R F E K T passt. Also ein ausreichend großes Loch in den Schreibtischboden bohren für diverse Kabel und Belüftung und man hat für seinen Desktop-Computer ein Art-Deco-Casemodding vom Feinsten!
Vielen Dank an die Leute, die sich ca. 1880 diese Norm ausgedacht haben!
Noch ein Hinweis zu Schreibtischen aus dieser Zeit: Irgendeine Norm hat dafür gesorgt, dass die rechte Seite dieser Schreibtische, wo man normalerweise einen Ausziehboden findet, von ca. 1880 bis 1950 innen fast immer gleich breit ist und heute von den Maßen für ein Computerdesktopgehäuse P E R F E K T passt. Also ein ausreichend großes Loch in den Schreibtischboden bohren für diverse Kabel und Belüftung und man hat für seinen Desktop-Computer ein Art-Deco-Casemodding vom Feinsten!
Vielen Dank an die Leute, die sich ca. 1880 diese Norm ausgedacht haben!
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donalphons,
Montag, 19. März 2007, 21:25
Ich hoffe, die Farbe ist löslich. (Falls es in Vorderrumänien schon sowas wie Verdünnungsmittel gibt)
Ich habe hier schon ähnlich zugerichtete Thonetstühle (signalgrün!) wieder gerettet.
Ich habe hier schon ähnlich zugerichtete Thonetstühle (signalgrün!) wieder gerettet.
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donalphons,
Montag, 19. März 2007, 21:31
Das hängt davon ab. Sobald man mehr als 5 Kilo Silber in der Küche hat, sind Vorhänge eher schädlich.
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hockeystick,
Montag, 19. März 2007, 21:40
Löslich oder nicht: In Heimarbeit braucht bei so einem Trumm locker 10 bis 15 Tage Arbeit für's abbeizen. Der Profi legt es in eine große Wanne mir Chemie. Ob das Furnier danach allerdings noch dran ist, steht in den Sternen.
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andreaffm,
Dienstag, 20. März 2007, 10:09
Diese Dinger sind prima als Arbeitszimmerschränke. Überall passen Aktenordner rein, und vornedran sind Porzellanschubladen (eigentlich für Gries und Sago), in die man Kleinkram wie Büroklammern füllen kann. Ich hab das gesamte Küchenensemble meiner Großeltern übernommen: hier. Kelkheimer Schreinermöbel, wem das was sagt, die wirft man nicht weg.
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dosron,
Montag, 19. März 2007, 21:48
Unterschiede
gibt's da ja schon, bei den GE-Schränken. Ich habe einen aus Rüster, wem das was sagt.
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creezy,
Montag, 19. März 2007, 22:06
Ach papperlapapp, lange Blogrede kurzer Sinn: meinen Sammeltassen würde die hübsche Vitrine charmant zum Sammeltassendecor zu Gesichte stehen.
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avantgarde,
Dienstag, 20. März 2007, 01:12
Ich dachte, Gelsenkirchen gehört jetzt Gazprom?
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kelef,
Dienstag, 20. März 2007, 11:24
also hallo, ich bin auch aus wien. und wenn ich daran denke, was ich in die kunstgerechte renovierung meiner alten möbel schon investiert hab', richte ich um die gleiche summe mit sicherheit ein ganzes haus "modern" ein.
die alten möbel sind mir lieber, ich wollte nie andere, schon als kind nicht. und ich behandle sie anständig und erfurchtsvoll, und lasse ihnen die notwendige pflege angedeihen. so es anekdötchen dazu gibt, werden sie aufgeschrieben und den nachfahren vererbt, wie es sich gehört.
die alten möbel sind mir lieber, ich wollte nie andere, schon als kind nicht. und ich behandle sie anständig und erfurchtsvoll, und lasse ihnen die notwendige pflege angedeihen. so es anekdötchen dazu gibt, werden sie aufgeschrieben und den nachfahren vererbt, wie es sich gehört.
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anobella,
Mittwoch, 9. April 2008, 09:46
was wirklich furchtbar ist, dass deutsche särge ALLE gelsenkirchener barock sind.
die italiener haben sehr schöne särge, und auch der lothringer sarg ist noch akzeptabel.
auf grufti.de findet man ...
*fängt sich ab
am besten man geht zu einem schreiner.
der deutsche gelsenkirchener-barock-sarg ist NICHT kultfähig.
auf grufti.de findet man ...
*fängt sich ab
am besten man geht zu einem schreiner.
der deutsche gelsenkirchener-barock-sarg ist NICHT kultfähig.
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