Walburga redated
Ich persönlich finde, dass Couscoussalat a la Fernsehkoch ganz famos zu Berlin passt - auch und gerade, wenn es nicht bekommt. Modesten gibt es hier in der Provinz leider nicht, aber dafür die die Rokoko-Architektur von Gabriel de Gabrieli nicht nur in Stein, Stuck und Farbe, sondern auch in einer Torte im Stil des XVIII. Jahrhunderts verewigt, die sich ganz hervorragend in das Ambiente einfügt.
Feinste kulinarische Archäologie aus Eichstätt, denn so sahen sie aus, die Torten der Zeit von Strumpfband und Rocaille. Aber ich schweife vom eigentlichen Thema ab. Denn neben der Zuckerhaftigkeit des Rokoko und seiner Tortenfolgen gibt es in Eichstätt auch eine dumpfe, chrsitliche Vorgeschichte, mit der zusammenzustossen eines der traumatischeren Erlebnisse meiner Kindheit zeitigte. Ich habe darüber anlässlich einer Lesung in München einen Text geschrieben, und den in Leipzig letzte Woche nochmal genommen, weil er mir ganz gut zur Erklärung meines Hintergrunds erschien: Date mit Walburga. Ein paar Bedenken hatte ich ob des im Osten verbreiteten Atheismus, und tatsächlich gab es einige Zuhörer, die meinten, die beschriebene Location und das Umfeld sei gut erfunden. Leider war dem nicht so: Die Frau D. und den Stadtpfarrer K. gab es in ihrer Monstrosität tatsächlich. Und genauso gibt es auch den Ort, an dem ein paar Leute nicht glauben wollten. Also bin ich heute hingefahren und habe Bilder gemacht. Das ist im beschriebenen Obergeschoss der Krypta, in dem sich die Geschichte zutrug:
Was da explizit in dem Glaskasten ist, will man wirklich nicht so genau wissen. Echt nicht. Es sei denn, man ist Hobbypathologe. In der Krypta sieht es überall so aus - sie ist schwarz mit Votivbildern, bis hoch zur Decke. Aber es ging damals nach unten weiter, hinab ins finstere Erdreich, wo es auch im Sommer kalt und wenig erbaulich ist. Dort sieht es dann so aus:
Hinter dem Gitter, in der Mitte, ist eine quadratische Tür. Dahinter ist der Körper, aus dem der Legende zufolge das Walpurgisöl quillt, das mir damals angedroht wurde. Düster, fremdartig, unheimlich. Als ich mir vorgenommen habe, diese alte Geschichte aufzuschreiben, dachte ich mir erst: Naja, damals war ich sieben Jahre alt, das Grauen eines Kindes ist eigentlich lächerlich, und wer weiss, wie die Realität ausgesehen hat, vielleicht habe ich mir das meiste nur eingebildet. Ich bin auch damals hingefahren, über den sonnigen Hof gelaufen und hineingegangen, und es war tatsächlich so wie in meiner Erinnerung. Beklemmend. Nicht gruslig oder Horror, aber da ist etwas, das mir sagt, dass ich hier nicht sein sollte. Ich ging den ganzen Weg runter, und dann wollte ich schnellstens wieder raus, ich hatte genug gesehen. Unten in der Krypta gibt es eine zweite Tür. Ich ging hin, drückte auf die Klinke
und die Klinke bewegte sich nicht. Die verfickte Tür ging nicht auf. Ich war allein in der Krypta. Allein, mal abgesehen von der Leiche. Ich stand also da, hinter mir in meinem Rücken die quadratische Tür, die Leiche dahinter und der Saft, und Bruchteile einer Sekunde hatte ich diese Vorstellung, die Tür hinter mir könnte sich öff...
Das ist so wie beim Bergsteigen. Man fühlt sich sicher, man kennt keinen Schwindel und keine Höhenangst, man geht einen Abgrund entlang und meint, alles unter Kontrolle zu haben, und dann rutscht eine Steinplatte unter dem Schuh weg. Man erahnt einen Moment das ganze Grauen des grenzenlosen Sturzes und die Tiefe des verlachten Abgrunds, man ist für einen Augenblick rettungslos verloren und tot, und dann findet man doch wieder Tritt, aber man hat in diesem klaren Moment dem Tod ins Auge gesehen, man weiss um das Grauen.
Ich wohne in einem Sadtpalast der Gesellschaft Jesu Baujahr 1600, und wir haben auch alte Kastenschlösser. Da geht die Klinke manchmal auch nicht nach unten, aber man kann sie manchmal schräg nach unten und zu sich her ziehen, dann schnackelts. Es hat auch hier geschnackelt, und ich war draussen. Ich ging zu meinem Wagen, fuhr heim, und schrieb die Geschichte in einem Rutsch runter.
Nach unten und zu sich her ziehen, das ist der Trick. Den sollte man sich merken.
Feinste kulinarische Archäologie aus Eichstätt, denn so sahen sie aus, die Torten der Zeit von Strumpfband und Rocaille. Aber ich schweife vom eigentlichen Thema ab. Denn neben der Zuckerhaftigkeit des Rokoko und seiner Tortenfolgen gibt es in Eichstätt auch eine dumpfe, chrsitliche Vorgeschichte, mit der zusammenzustossen eines der traumatischeren Erlebnisse meiner Kindheit zeitigte. Ich habe darüber anlässlich einer Lesung in München einen Text geschrieben, und den in Leipzig letzte Woche nochmal genommen, weil er mir ganz gut zur Erklärung meines Hintergrunds erschien: Date mit Walburga. Ein paar Bedenken hatte ich ob des im Osten verbreiteten Atheismus, und tatsächlich gab es einige Zuhörer, die meinten, die beschriebene Location und das Umfeld sei gut erfunden. Leider war dem nicht so: Die Frau D. und den Stadtpfarrer K. gab es in ihrer Monstrosität tatsächlich. Und genauso gibt es auch den Ort, an dem ein paar Leute nicht glauben wollten. Also bin ich heute hingefahren und habe Bilder gemacht. Das ist im beschriebenen Obergeschoss der Krypta, in dem sich die Geschichte zutrug:
Was da explizit in dem Glaskasten ist, will man wirklich nicht so genau wissen. Echt nicht. Es sei denn, man ist Hobbypathologe. In der Krypta sieht es überall so aus - sie ist schwarz mit Votivbildern, bis hoch zur Decke. Aber es ging damals nach unten weiter, hinab ins finstere Erdreich, wo es auch im Sommer kalt und wenig erbaulich ist. Dort sieht es dann so aus:
Hinter dem Gitter, in der Mitte, ist eine quadratische Tür. Dahinter ist der Körper, aus dem der Legende zufolge das Walpurgisöl quillt, das mir damals angedroht wurde. Düster, fremdartig, unheimlich. Als ich mir vorgenommen habe, diese alte Geschichte aufzuschreiben, dachte ich mir erst: Naja, damals war ich sieben Jahre alt, das Grauen eines Kindes ist eigentlich lächerlich, und wer weiss, wie die Realität ausgesehen hat, vielleicht habe ich mir das meiste nur eingebildet. Ich bin auch damals hingefahren, über den sonnigen Hof gelaufen und hineingegangen, und es war tatsächlich so wie in meiner Erinnerung. Beklemmend. Nicht gruslig oder Horror, aber da ist etwas, das mir sagt, dass ich hier nicht sein sollte. Ich ging den ganzen Weg runter, und dann wollte ich schnellstens wieder raus, ich hatte genug gesehen. Unten in der Krypta gibt es eine zweite Tür. Ich ging hin, drückte auf die Klinke
und die Klinke bewegte sich nicht. Die verfickte Tür ging nicht auf. Ich war allein in der Krypta. Allein, mal abgesehen von der Leiche. Ich stand also da, hinter mir in meinem Rücken die quadratische Tür, die Leiche dahinter und der Saft, und Bruchteile einer Sekunde hatte ich diese Vorstellung, die Tür hinter mir könnte sich öff...
Das ist so wie beim Bergsteigen. Man fühlt sich sicher, man kennt keinen Schwindel und keine Höhenangst, man geht einen Abgrund entlang und meint, alles unter Kontrolle zu haben, und dann rutscht eine Steinplatte unter dem Schuh weg. Man erahnt einen Moment das ganze Grauen des grenzenlosen Sturzes und die Tiefe des verlachten Abgrunds, man ist für einen Augenblick rettungslos verloren und tot, und dann findet man doch wieder Tritt, aber man hat in diesem klaren Moment dem Tod ins Auge gesehen, man weiss um das Grauen.
Ich wohne in einem Sadtpalast der Gesellschaft Jesu Baujahr 1600, und wir haben auch alte Kastenschlösser. Da geht die Klinke manchmal auch nicht nach unten, aber man kann sie manchmal schräg nach unten und zu sich her ziehen, dann schnackelts. Es hat auch hier geschnackelt, und ich war draussen. Ich ging zu meinem Wagen, fuhr heim, und schrieb die Geschichte in einem Rutsch runter.
Nach unten und zu sich her ziehen, das ist der Trick. Den sollte man sich merken.
donalphons, 01:29h
Donnerstag, 29. März 2007, 01:29, von donalphons |
|comment
realmadscientist,
Donnerstag, 29. März 2007, 03:07
Die bajuwarische Variante des Katholizismus in ihrer barocken Blutigkeit konnte ich nie nachvollziehen. Figuren wie D. und K. kenne ich auch - aus den Erzählungen meiner Großmutter (Bei der Beichte: "Dafür kommst Du in die Hölle - ganz tief!"). Pfarrer, denen ich später begegnet bin, waren meist naiv bis nachdenklich (der nachdenklichste war interessanterweise Alkoholiker!). Hab wohl Glück gehabt.
... link
donalphons,
Donnerstag, 29. März 2007, 03:27
Das hier war allerfinsterste Provinz, die 68 fanden praktisch nicht statt, und der Kampf gegen den Katholizismus ist hier manchmal immer noch unvermeidlich. Es hat sich zwar vieles geändert, aber in meiner Schulzeit musste man noch viel Zivilcourage mitbringen, um anders zu sein. Ich muss mal die Geschichte aufschreiben, als ich in der K13 angeboten habe, Kirchenaustrittspatenschaften zu übernehmen.
Und nein, man bekommt deshalb auch keine Dates mit tollen Frauen.
Und nein, man bekommt deshalb auch keine Dates mit tollen Frauen.
... link
loreley,
Donnerstag, 29. März 2007, 20:48
Eichstätt ist düster. Ich war auch mal dort wegen Altmühltal und Willibaldsburg. Trotz schönstem Wetter kam es mir dumpf vor. In einem Restaurant hat es uns rückwärts wieder rausgetrieben. Im Schankraum hing ein riesiger Ölschinken von Franz Josef Strauss.
Die Burg ist aber sehenswert.
Die Burg ist aber sehenswert.
... link
donalphons,
Donnerstag, 29. März 2007, 23:01
Oh, Eichstätt ist wirklich prächtig, und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging es da sehr lustig zu. Nur sollte man partout keine Geschichten aus den 50er und 60er Jahren kennen. Die sind wirklich schlimm. Allerdings muss man der Stadt heute wieder zugestehen, dass sie auch schon mal einen SPDler wählt, wenn der CSUler inkompetent ist - letzterer war mein Wirtschaftslehrer.
... link
loreley,
Freitag, 30. März 2007, 11:21
Du hast recht. Eichstätt ist prächtig. Ich habe 2 schöne Tage dort verbracht. Nur dieses eine Lokal war dumpf und düster wie aus einer anderen Zeit. Gruselig wie ein Spuk. Man erinnert sich nicht immer differenziert, selbst wenn es noch nicht lange her ist. Ich sollte mich besser an den Bastionsgarten und den Blick von der Burg erinnern.
... link
... comment