: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 27. November 2008

Des Nichtchristen Weihnachtsbaum

Ein paar neue Steine, nur halb geputzt, etwas Wintersonne, und der Raum entflammt in tausend hellen Flecken.



Ein Jammer, dass schon alle anderen Plätze bis ins Bad und in die Küche mit noch feineren Lüstern besetzt sind. (Ein Kronleuchter in der Küche ist übrigens der ultimative "wer ko der ko" Inbegriff der verschwenderischen Epoche, die gerade zu Ende geht) Bliebe allein noch der Gang, aber das wäre dann doch etwas dekadent.

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Real Life 26.11.08 - die Mütter allen Terrors

Wer kommt dran, fragt die gemütliche Frau am Käsestand.

Ich denke, ich bin der nächste, willst du schon anheben, um die Terrormutti vor dir in Schranken zu weisen; schliesslich kam sie gerade erst an, rammte dir ihren Kinderwagen in die Kniekehle und wuselte dann um dich und Iris herum, um einen Blick auf das Angebot zu erhaschen.

Was sind denn das für Gewürze auf dem Käse, fragt sie sofort, ohne Rücksicht und Benehmen, und dann folgt eine längere Bestellungsorgie, immer wieder unterbrochen von kurzen Bekümmerungen des ungezogenen Balges; alles Tätigkeiten, die das Frieren der nachfolgenden auf dem Wochenmarkt nicht gerade verkürzen. Es ist ja nicht so, dass sie viel kaufen würde - sie will viel wissen, um dann doch etwas anderes zu wollen, oder vielleicht doch jenes, was ist denn das und was bedeutet es, wenn der Bergkäse 6 Monate alt ist?

Irgendwann zahlt sie, es könnte endlich vorbei sein, als die Verkäuferin zum Kind sagt: Magst Du den Käse hier probieren?

Entweder ist das Kind blöd, oder die Mutter, oder beide, denn letztere wendet sich an den Wurf und fragt: Magst du Käse? Magst du Käse? Hm? Magst du Käse? Zum Vergleich: Sagst du zu Minka: Miez, magst du Knuspertaschen? - versteht sie sofort, worum es geht. Die Mutter nun lässt es sich nicht nehmen, auch dieses Probierstück zu hinterfragen, um ein anderes zu verlangen, und, während das Balg mit offenem Maul jeden Anstand vergessen lässt und die Hälfte des Käses aus dem Fressloch auf den Boden fäll, noch gegenüber der Frau am Käsestand mit diesem ihres Erachtens so schönem Kind anzugeben. Dabei willst du doch nur einen Ricotta und ein Stück vom Sextener Bergkäse. Und dann mit Iris in ein Cafe, statt hier rumzustehen und auf einem Ohr mitzubekommen, dass die dumme Tussi die gleiche Masche auch nebenan am Brotstand abzieht, wo das Balg erneut gestopft wird. Jedes Balg wird hier überall gestopft. Würdest du jeden Balgstopfer boykottieren, müsstest du im Supermarkt einkaufen, oder Hühnerdieb werden.

Dabei, ist Iris etwas indiskret, als ihr endlich im Warmen angekommen seid und der heissen Zitrone neue Lebensgeister zu verdanken sind, dabei wurde letzthin über dich gesprochen, und die Frau L. meinte, du wärst ganz sicher ein grossartiger Vater für deine Kinder, bei dir müsste man keine Angst haben, dass die schlecht erzogen wären, keinen Anstand hätten, oder du die ganze Familie nach Köln oder andere Orte mitnimmst, wo es keine guten Schulen gibt und man deshalb die Kinder den Jesuiten überlassen müsste.



Natürlich, beste Iris, hebst du in dem überstelzten Ton an, der bei dir nie ein gutes Zeichen ist, würde ich niemandem Gegenden zumuten wollen, in denen sich auf dem Spielplatz Kondome finden und zwischen Schule und Jugendgang nur graduelle Unterschiede sind. Ich finde es gut, in einem Land zu leben, in dem man seine Kinder auf ein normales Gymnasium schicken und dabei überlegen kann, welches das Beste unter vielen Guten ist - und das, ohne einen Pfennig zu zahlen. Vermutlich würde ich dann sogar an den Tegernsee ziehen, denn Tegernsee hat das schönste Gymnasium Deutschlands, und in der Zeit davor ist es sicher nicht schlecht, den schönsten Spielplatz Deutschlands (Aussicht siehe oben) im Ort zu haben, oder Berge zum Rumtollen, oder frei laufende Hühner für die Ernährung und ungespritzte Äpfel die Strasse runter, und viele Annehmlichkeiten mehr. Im Prinzip sind Kinder auch kaum schlimmer als Katzen, sie brauchen nur länger, um stubenrein zu werden, sie sind öfters krank, man kann sie nicht alleine in der Nacht rauslassen, sie kosten nur knapp das tausendfache einer Katze und da sind die Probleme der Pubertät noch nicht mal eingerechnet - also, prinzipiell glaube ich sogar, dass man Kinder irgendwie managen könnte.



Aber, das ist das Problem in unserer Schicht, es gibt da jemanden, der sich jedem Managen widersetzt. Die bessere Kindermutter. Die bessere Kindermutter will einen 3er oder noch besser 5er Kombi, um das Balg zu diesem Spielplatz zu fahren, um sich vorher aufzudonnern mit einer der neuen Taschen - bessere Mütter brauchen immer neue Taschen, weil sie mehr mitnehmen müssen für alle Eventualitäten - um dann auf diesem harmlosen Spielplatz mit einem halben Dutzend ähnlich gestrickter Mütter über die neue Kollektion von Prada oder das richtige Studienfach der kleinen Genies zu reden, und über den neuen Kindermodenladen in Rottach, der zwar etwas teurer ist, aber man will ja nicht, dass das Spielzeug schlechter aussieht als bei den anderen. Sie tragen dabei Pornosonnenbrillen und tun so, als seien sie trotz allem die selbstständigsten aller Geschöpfe, und durch das Balg noch attraktiver. Nachdem dort keiner wohnt, der seinen Kindern die Demütigung einer Trennung antun würde - du kennst das ungeschriebene Gesetz ja - kommen sie nie in Verlegenheit, ihren Marktwert tatsächlich auf dem freien Markt bestätigen lassen zu müssen.



Und so gehen sie dann durch von der Gemeindeverwaltung vorzüglich geräumte Parks, versuchen dabei, wie Models auszusehen und denken, dass sie damit etwas Gutes für dieses Land tun, und man sie dafür zu achten hätte. Beispielsweise, wenn sie sich vordrängeln und den Kinderwagen als Rammbock benutzen. Oder Kinderlose diskriminieren, die da gar nicht mitreden könnten. Oder jammern, dass es in Gmund noch keinen zweisprachigen Kindergarten gibt, und sie deshalb jeden Tag nach München müssen, das sollte die Gemeinschaft hier endlich mal anbieten, damit wir nicht zurückbleiben mit unserem Nachwuchs, dieser Zukunft des Landes. So gehört in meiner Konditorei, sehr laut gesagt, damit es auch der Besitzer hört, ein bekannter CSU-Vertreter im Gemeinderat. So sind sie. Und ich würde es hassen, ich würde es nicht ertragen, wenn sowas meine Frau wäre. Wenn du das nächste Mal also Frau L. siehst, kannst du ihr von mir aus das alles gerne in allen Details erzählen.

Das, bemerkt Iris, hat meine Mutter daraufhin schon besorgt.

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