Real Life 24.03.08 - Nicht genug

Natürlich ist da unten irgendwo Rottach, aber es könnte genausogut Davos sein, oder eine aufgelassene Sendeanlage des zweiten Weltkriegs auf Spitzbergen, oder eine arktische Versuchstation im Schneesturm. So wichtig ist das nicht, man kann ohnehin kaum vor die Tür, wenn man nicht muss. Die Grenzen des Grundstücks sind schemenhafte Grauschleier, wenn der Sturm nachlässt, und nicht mehr sichtbar, sobald der Wind wieder neue Massen vorbeitreibt. Hier oben ist es ein wenig so wie auf dem Begräbnis eines Arschlochs, das mitzumachen mir einmal eine obskure Freude bereitete: Etwas Unüberwindliches, sei es eine Glasscheibe oder ein Holzbrett trennt einen von dem Unschönen da draussen, es reicht aus, es ist sicher, aber der Gedanke, dass das Trennende fehlen könnte, ist nicht fern von unerträglich.

In dieser Jahreszeit versteht man, warum die Bauernhäuser so kleine Fenster haben, sagt Frau S. Wissen Sie, wenn es drin eh schon dunkel ist, fällt so ein Sturm gar nicht mehr auf, aber mit den Panoramascheiben kann man sich nicht verstecken. Man ist dem ausgesetzt, manchmal geht das hier oben drei, vier Tage so, wie ein Gruselfilm. Eigentlich müsste etwas passieren, man wartet darauf, es kommt nie, und gerade deshalb.

Dann wendet sie sich wieder anderen Themen zu, die erfreulicher sind, dass das Hannerl in Amerika eine gute Zeit hat und dass dei neues Zuhause wirklich sagenhaft günstig war, und sie, falls es dir doch langweilig werden würde, auch schon einen Mieter wüsste, und Käufer, ach Käufer sowieso. Und von der anderen Seite her brüllt der Sturm der Apokalypse gegen das Fenster, ein undezenter Hinweis auf die Nichtigkeit all dessen, was in diesem kleinen Raum am Hang des grossen Berges stattfindet.

Es ist eine Blase, eine negation des faktischen, dieser Raum und diese Konversation, und fast so etwas wie die Allegorie der Vergeblichkeit aller Zivilisation. Der heisse Tee in deinen Händen würde draussen in kurzer Zeit zu braunem Eis werden, die Einrichtungsfragen sind für die hunderttausende, die in Amerika auf die Zwangsversteigerung warten müssen, vollkommen irrelevant, die Koofmichs von Yahoo und Cisco wenden sich plötzlich antichinesisch im Ansturm der Bilder, anything goes, aber nur solange es passt, Zwang fickt Beliebigkeit und gebiert die Popkultur von den Slums in Shanghai bis zurEchtgoldpraline unten im Tal, Preis je nach Kurs und Krisenszenario und FED-Aktion, und entscheidet so darüber, welche dahergelaufenen Möchtegerngründer in zwei Wochen im hässlichsten Hotel des Tales wieviel Stück zum Protzen vor seinen Mitarbeitern kaufen kann.

Es gibt zu viele Stürme und zu wenig Panoramascheiben in dieser Welt, gerade jetzt, und der Umstand, dass es für dich fast immer das schützende Glas gab, ändert nichts an dem, was da draussen passiert. Aber selbst wenn es anders wäre, gäbe es noch immer zu viele, die glauben, dass es besser ist, wenn man es durch ein kleines Fenster kaum mitbekommt. Alles hängt zusammen, man kann sich nur schlecht abkoppeln, von der Unvernunft der Irren und der Perversen, die das alles mit dem Geld anderer leute, Staaten und Gesellschaften bezahlen. Seit Voltaire ist es vor allem komplexer geworden, man hat mehr und vor allem andere Dreckschweine, als nur Adel, Rentenverprasser, Steuereintreiber, Janseniten und Gesellschaft Jesu, die Methoden haben sich verbessert, und wer weiss, ob die Geschichtsschreibung über diese Tage nicht Urteile fällen wird, die keinem von euch zum Ruhm gereichen werden.

Zu sagen, dass du nichts tun konntest, wegen des Sturmes da draussen, wird sicher nicht genug sein.

Mittwoch, 26. März 2008, 00:51, von donalphons | |comment

 
Genug tun.
Und des Stefan Niggemeiers Leser, der hier dauernd spammt, bringt mich schön langsam dazu, doch mal ein paar Fragen zum Thema Gefälligkeitsdienste öffentlich zu stellen, die nicht jedem gefallen werden.

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Bloggen gegen den Sturm?
Menschen lieben Gewohnheiten, zumindest der größte Teil. Veränderungen waren noch nie geschätz, besonders nicht von Leuten die das Sagen haben (egal ob in China oder hierzulande). Menschen die über den Tellerrand sehen sind Bilderstürmer und gestörte Außenseiter. Wer liest schon blogs, wenn man Bild lesen kann? Wer geht noch auf die Straße, nachdem die Politiker mehrfach bewiesen haben das es sie nicht interessiert? Querdenker müssen doch damit rechnen das man sie des Terrorismuses bezichtigt, wer will sich dieser Gefahr aussetzten? Ausrufe im Sturm bleiben ungehört... Leider!

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Erfreulicherweise könnte mir das alles ziemlich egal sein, aber die Mehrheit hat sowas immer kaum gejuckt, und trotzdem geht es - mit Rückschlägen - voran. Nichts tun bringt einem auch nichts.

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Sie genießen ja auch mehr Aufmerksamkeit als der Otto-Normal Blogger, der kann sich die Finger blutig schreiben, ohne das er gelesen wird...

Würde auch ein Veränderung begrüßen, aber man kämpft gegen Windmühlen. Das hält mich auch nicht wirklich auf, kann aber mit unter sehr frustrierend sein. Hoffe das meine Person sich den Idealismus noch lange bewahren kann!

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Keine Ahnung. Ich war schon so, als ich nur 10 Leser hatte, und werde wieder so sein, wenn ich, wie sich Stefan Niggemeier das mal in einem Ausbruch des Hasses gewünscht hat, wieder vergessen vor mich hinblogge. Ich versuche halt, der Kunstfigur treu zu bleiben.

Niemand hat gesagt, dass meinungsbildung ein einfaches Geschäft ist, oder dass es mit Blogs mit links gehen würde. Nur sind Blogs das Beste, was wir haben, was anderes gibt es nicht. Also. "Wollt nicht verzagen, was hilft alles Klagen dem, der gegen Taifune ficht", schrieb Brecht in Mahagonny.

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: )

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Trackback
Da es ja von blogger.de aus keine Trackbacks gibt, wollte meine Wenigkeit sich hier kurz beim Don bedanken und den Link zu meinen Nachgedanken dalassen.

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Nur zu, Gedanken sind immer gut.

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