: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 19. November 2004

Real Life 19.11.04 - 16V

Manche haben es ziemlich weit zur Elite-Uni; eine Folge des bundesweiten Rufs und der Auswahlkriterien, die auf Regionalbezug keinen gesteigerten Wert legen. Tatsächlich gibt man sich polyglott und international. Diejenigen, die aus dieser Provinzstadt kommen, haben nach dem Abitur in aller Regel erst mal von den engen Gassen die Schnauze voll und Lust auf die grosse, weite Welt. Ausserdem, wer mit ein wenig Eigensinn in der totalitären Atmosphäre dieser christsozialen Stadt gross geworden ist und sich nicht umgebracht hat, wird den Teufel tun und sich an einer Uni einschreiben, die sich gleich noch mal katholisch nennt. Man fühlt sich 18 verdammte Jahre begraben, erstickt, zu Tode gehegt wie so ein verfickter Bonsai-Baum, also will man erst mal raus, ohne zu ahnen, dass die Metropolen voll mit dem gleichen Provinzgemüse sind, und obendrein ziemlich tödlich für alle, die deren Codes, Riten und Verlockungen nicht einschätzen können.

Andere sehen das Studium aber nicht als Flucht, sondern nur als notwendigen, möglichst schnell zu absolvierenden Schritt auf der Karriereleiter. Die setzen andere Prämissen - möglichst intensive Betreuung, gutes Ranking, effektives Netzwerk, und was sonst noch in den weiträumigen, hohlen Hirnen der auf Karriere spezialisierten Journalisten als Idee ohne Realitätsbezug herumspukt. Für die ist das kostenlose Studium an diesem abgelegenen, auf Wirtschaft spezialisierten Institut ideal. Fast Witten-Herdecke-Qualität zum staatlichen 0-Euro-Preis, wenn man der Selbstdarstellung glauben will. Kaum Ablenkung der Metropolen, viele Gleichgesinnte und mit dem Studium auch immer gleich ein Thema, mit dem sich die Abende im Sausalitos, im Eiskeller oder der Havanna Bar trefflich gestalten lassen, bis zum Wochenende. Aber dann müssen sie erst mal zurück zur Familie, und dafür haben die Marketingleute der Automobilfirmen auch gleich das passende Asset entwickelt.



So stehen sie hier an den Parks beim Institut rum, die übermotorisierten Kleinwägen mit dem fetten Rohr hinten raus, sauber gepflegt und gewaschen, um die Elitessen schnell wieder zurück in ihre kleinen Städte zu bringen, die auch nicht anders sind als diese Stadt. Etwas Repräsentantion gehört beim Auto dazu, zumal man bei den Festen auch die entsprechende Garderobe braucht; da lassen sich viele Eltern auch beim Automobil nicht lumpen. Der Lupo 16V ist da im Moment die Weapon of Choice, nachdem Golf Cabrios inzwischen doch einen gewissen Hautgout haben. Solide deutsche Volkswägen sind in dieser Schicht, die das ganz grosse Geld erst später auf dem Vorstandsposten noch erarbeiten muss, weitaus beliebter als, sagen wir mal, die Barchettas und Alfas der wenig zielstrebigen Hedonisten mit drei Studienabbrüchen, die qua Abstammung schon nicht mehr unter ein gewisses Level fallen können.

Aber diese Freunde des abgeklärten Müssiggangs sind heute natürlich eine aussterbende Gattung. In diesen Krisenzeiten kann man es sich schon fast nicht mehr leisten, nicht zwischen jedem Semester ein Praktikum einzuschieben, wenn man später mal Sachbearbeiter werden muss, weil es mit dem Vorstandposten doch etwas schwieriger wurde, als es die Karrierepostillen behaupten. Da ist so ein Lupo in seiner Bescheidenheit schon angemessen, und das 16V symbolisiert später trotzdem enorme Leistungsbereitschaft, spitze Ellenbogen und Dränglertum, auch im dicksten Stau auf der Karriereleiter. Da haben sich die Jungs bei VW wirklich was Kluges, Marktgerechtes einfallen lassen.

(sorry cloclo, could not resist)

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PR-Gau

eines PR-Bloggers: Immer erst die Aussagen innerhalb der Gruppe abgleichen, intern kommunizieren, bevor einer mit grossen Ankündigungen ans Mikro tritt, sonst passiert sowas. Eigentlich das kleine ABC der PR, aber weder PR noch Berater sind bekanntlich geschützte Bezeichnungen. Auch lustig: Jemandem die Gier nach Traffic unterstellen, und ihn dann verlinken. Ach ja, was da nicht alles aus dem NE-Sumpf wieder hervorkommt, es ist herrlich...

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Schau ins Land

Die Wolken schaffen es bei Föhn manchmal über die Donau. Von der Vorstadt aus kann man wegen der hohen, alten Bäume des Auwaldes nicht sehen, wie das Wetter weiter südlich ist. Also rufen sie mich an, denn ich wohne 15 Meter über der Altstadt, und genau Richtung Süden, an der hohen Schule vorbei, kann ich praktisch parallel zum Horizont sehen.



Wenn dort, so wie gestern, ein schmales, hellrosa Band hinter den Wolken kommt, heisst das, dass etwa 30 Kilometer südlich die Wolken aufreissen. Meine Eltern rufen mich manchmal an, freuen sich über das gute Nachricht, und sie und/oder einer ihrer Nachbarn setzen sich dann in die Limousine, in den Sportwagen, oder aktuell ihr Nachbar zur Rechten in seinen gerade gekauften Cayenne, und fahren Richtung Alpen, Rottach-Egern, Tegernsee, Wasserburg, oder noch etwas weiter, Bad Tölz oder Salzburg.

Gerade Salzburg ist an solchen Tagen voll mit Autos aus Bayern, und durch die Strassen ziehen ältere Herrschaften und kaufen teure Schokolade für ihren Nachwuchs. Oder die echten Reber-Mozartkugeln, die dann, wenn die Nachbarn zu Besuch kommen, von kleinen Silberschälchen mit einer Konfektzange gehoben werden. Das sind dann auch die Abende, an denen man auf bequemen Kirschholzsesseln feststellt, wie wichtig das Waldvolksbegehren hier in Bayern ist. Am Tag darauf werden sie mit eben jenen Karossen die drei Kilometer in die Stadt fahren, länger einen Parkplatz suchen, und dann mit ihrer Stimme etwas für die Umwelt tun, die sie erhalten wollen, die sie so lieben, wenn sie mit 380 PS Richtung Oberland rasen.

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