: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 9. Januar 2005

Eins dieser Telefonate

Wenn es eine bestimmte Nummer ist, weiss ich, was kommt. Juristin A., die mein Leben in Richtung New Economy gelenkt hat, braucht mal wieder was. Recherche, Fonds schönlügen, Firmenkommunikation umgehen, Löcher suchen, Schwachstellen ausnutzen; alles Jobs, die sie selbst nicht machen kann, Jobs, die im Erfolgsfall gut bezahlt werden, und bei einer Pleite verschwendete Zeit sind. Jobs, die nachher unter "Beratungsleistung" abgerechnet werden. Es gab eine Phase, da war das alles neu und spannend; inzwischen nervt es nur noch. Erheblich. Angefangen bei den Verpflichtungserklärungen, an dis sich keine alte Sau und die Sekretärin sowieso nicht hält, bishin zu den Überraschungen, wenn sich herausstellt, dass jemand ein doppeltes Spiel gespielt hat. Und es gibt immer einen Verräter. Und nie, nie, nie kann ich sagen, dass ich es nicht mache, denn Juristin A. fragt nicht, ob ich will; sie sagt nur, bis wann es fertig sein muss, um ihre Karriere zu retten oder einen Pleitier just in tuime vor der Verjährungsfrist noch die Klage reinzudrücken - man kann sich vielleicht jetzt vorstellen, was ich die Tage vom 23. bis zum 31.12.04 gemacht habe.

Das ist das Schöne an Juristin B.: Die kommt niemals mit so seltsamen Angeboten. Es geht immer um Zwischenmenschliches, die Hunde etwa, die, falls man sie auch nur auf die Wange küsst, verdammt zwischenmenschlich werden. Juristin B. ruft also an und fragt, was ich denn so tue. Nichts, den Sonntag geniessen. Gut. Weil... ich habe doch mal für ******fonds einen Prospekt übersetzt. Ja, und? Und sie hat jetzt einen Auftrag und braucht bis morgen früh um 5 Uhr 20 Seiten Vertragstext voller Fachtermini zu IPO und, und, weil ich doch sowas schon mal...

Schon mal ... Das ist drei Jahre her. Das war einer der Jobs, der selbst für ein Übersetzungsbüro zu heikel war. Da stand drin, welche US-Celebrity wann mit wem und was es an Investition kosten würde, um ein paar Millionen Steuern zu sparen, und führte dann in ein Debakel, über das man eigentlich noch einen Roman schreiben müsste. Über Kickbacks, über zusammenbrechende Fonds, über Anwälte, die plötzlich verschwinden und Initiatoren, die innerhalb einer Nacht ein paar Millionen auftreiben müssen, und ich stand damals daneben und dachte mir, he, das waren doch nur Worte, ich hab es nur übersetzt und ein klein wenig sexy gemacht, das darf doch nicht solche Folgen, ich mein - und während ich das damals dachte, als ich mich verfluchte, dass ich diesen Job entgegen meiner Vorsätze nur noch ein einziges Mal angenommen hatte, sank vor meinen Augen alles in Schutt und Asche, alle, die meinen hübschen Formulierungen glaubten, haben geblutet, es war ein Massaker, aber ich musste nur den Staub von meinen Schuhen wischen, und konnte weiter meines Weges gehen. Das war "Schon mal".

Aber so weit komme ich in meiner Erwiederung gar nicht, denn auch für Juristin B. geht es um die Karriere und Geld, viel Geld. Also, Zeit läuft. Bis morgen um 5 Uhr. Ich mache es für eine Handvoll Euro mehr als damals bei "Schon mal".

Aber eines sage ich jetzt gleich hier: Falls nächstes Jahr ein multinational angeleierter IPO den Investoren in die Fresse explodiert, nicht wundern. Selbst Schuld, wenn die mich da ran lassen.

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Ich habe keinen Fernseher

und wenn ich das hier lese, bin ich auch froh drum. Man kann alles irgendwie vermarkten, auch Monsterwellen. Warum nicht. Geschäft ist Geschäft.

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