: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 15. August 2006

Für die Gäste

Schlafzimmer. Blick vom Bett aus.



Urlaub in der Provinz, anyone?

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Tanz den Bertolt

Er hat geschuftet und gelitten. Er hat Geld gemacht mit seiner Arbeit, nur um sich in einem jämmerlichen Kaff namens Mahagonny wiederzufinden, wo alles verboten ist, voller Regeln und Spiessertum. Gemacht werden die Regeln von den Dreckschweinen, die er finanziert. Die Frau liebt ihn vielleicht und sein Geld ganz sicher, und sie braucht Whiskey. Alkohol gegen die Enttäuschung, Betäubung für das hier und jetzt, und vor ihnen allen steht die grosse Katastrophe, denn es naht der Hurrikan, der sie und alles vernichten wir, die Reklame, die Kaschemmen, die Regeln und alle, die sich ihnen beugen.

Und dann steht dieser Paule Ackermann auf, während die anderen noch falsche Brüderlichkeit beschwören, die es hier nie gegeben hat, er steht auf und tritt die Regeln in den Staub, er schreit es heraus, sein Gift und seinen Hass, der Dämon spricht durch ihn die Wahrheit und das Vitriol, das auf immer das Antlitz des Jahrhunderts entstellen wird, er spritzt sich und allen und uns die Droge, die uns tanzen lässt, mich, Euch, uns verhurte Kinder der Auflösung aller Normen und Gesetze, wir klatschen in die Hände dazu und fordern alles für uns, die Ansprüche und die Gier sind unsere Gesetze, er sagt es für uns und die SS-Wachmannschaften, für die Partypeople und seinen Namensvetter an der Spitze der Türme, für die Raffzähne der VCs und die Raser auf der Autobahn, für den Dreck der PR und den Abschaum der institutionalisierten Bedenkenträger und die Kotze der Subventionsbetrüger und den Schleim der besseren Viertel mit ihren Steuersparmodellen, er brüllt es hinaus in die ewige Nacht über der Aufklärung und er tritt damit die Fresse der Lügenkirchen ein, denn wie man sich bettet, so liegt man, es deckt einen keiner da zu, und wenn einer tritt, dann ist er es, und wird wer getreten, dann sind es wir, und er stiefelt uns mit der Wahrheit, bis wir am Boden liegen und immer noch im Takt seines Schlachtgesangs zucken, denn er ist Paul Ackermann und der Teufel und der Heilige und Märtyrer unserer Zeit, die eintritt und gemordet wird für die Grösse des Schmutzes, für die Ehre der Mörder, für die Unsterblichkeit der Gemeinheit und für den Fortbestand des goldenen Zeitalters, und er also steht da vor uns, ganz allein, hört nicht auf die anderen und spricht Luzifers Abendlied und den Fluch aus, der uns für immer verfolgen wird:

Laßt euch nicht verführen!
Es gibt keine Wiederkehr.
Der Tag steht in den Türen,
ihr könnt schon Nachtwind spüren:
Es kommt kein Morgen mehr.

Laßt euch nicht betrügen!
Das Leben wenig ist.
Schlürft es in vollen Zügen!
Es wird euch nicht genügen,
wenn ihr es lassen müßt!

Laßt euch nicht vertrösten!
Ihr habt nicht zu viel Zeit!
Laßt den Moder den Erlösten!
Das Leben ist am größten:
Es steht nicht mehr bereit.

Laßt euch nicht verführen
Zu Fron und Ausgezehr!
Was kann euch Angst noch rühren?
Ihr sterbt mit allen Tieren
und es kommt nichts nachher.

Und während uns der Schmerz und die Sucht weiter makaber tanzen lässt, schreien wir zurück auf die Bühne zu Luzifer und Paul und seinem Schöpfer Berolt Brecht, dass es stimmt und nicht, denn auch 50 Jahre nach dem Tod tanzen wir immer noch, wir kennen das Lied, ohne es zu verstehen, es ist der Soundtrack unseres Lebens, wir bewegen unsern Arsch und tanzen den Kapitalismus und den Hedonismus, denn schlimm ist der Hurrikan und schlimmer ist der taifum, doch am schlimmsten ist der Mensch, der weiss, begreift und trotzdem nichts tut, wes es ihm und uns und allen scheissegal ist, aber trotzdem danke, dass es einen gibt, der uns aus den schmalen Bänden des Suhrkampverlages die Wahrheit gesagt hat und sagen wird, für diesen nie endenden Tanz der Moderne.

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