Ich hasse die Wirtschaftspresse

Und ich hasse ihre gut geschmierten Propagandalöcher, durch die jetzt die Meinung sprudelt, die FED hätte keine andere Wahl gehabt, als die AIG zu mitsamt ihren unkalkulierbaren Risiken für 85 Milliarden zu verstaatlichen, weil sich die Betroffenen in der Wirtschaft vor der Verantwortung drücken.

Um das Problem mal griffig zu beschreiben: Wenn die USA ein Handelsschiff wäre, und die wirtschaftliche, selbst angesteuerte Lage ein Orkan, dann wären auf der einen Seite des Schiffes die Händler, die Planken unterhalb der Wasserlinie aus der Wand reissen, damit sie im Falle des Untergangs davonschwimmen können. Und auf der Seite des Staates reisst Bernanke mit Erlaubnis des besoffenen Kapitäns ebenfalls Planken aus der Wand, um damit auf der anderen Seite die Lecks zu stopfen. Aus einer Wand, die schon arg morsch ist und nicht mehr lang halten wird. Und keiner kommt auf die Idee, dass man das Schiff auspumpen muss, oder zumindest die Händlerratten über Bord gehen lassen könnte, um schädlichen Ballast loszuwerden.

Diese gut geschmierten Propagandalöcher sollten sich vielleicht mal überlegen, wo diese 85 Millarden eigentlich herkommen, die zusätzlichen 180 Milliarden zum Auputzen der giftigen Derivate, oder die 136 Milliarden, mit denen gestern Lehman nochmal künstlich operativ am Leben erhalten wurde. Sie sollten mal den Blick abwenden von den Lecks, die ihre Freunde machen und überlegen, wie lang der Sturm noch dauert. Denn es könnte sein, dass wir dann formal kernsanierte Firmen in einem ruinierten, realsozialistischen Land sehen, das eine erhebliche Ähnlichkeit mit den schlechteren Ecken Ostdeutschlands im Jahre 1988 hat.

Mittwoch, 17. September 2008, 12:19, von donalphons | |comment

 
Bei mir um die Ecke liegt jeden Tag die FT* aus. Nur als Beispiel. Wenn es nur die NeoCon turned Staatswirtschaftler Idiotie wäre. Dazu kommt aber noch ein eklatanter Mangel an Wirtschaftsverstand und totale Abwesenheit von journalistischem Sachverstand. Vielleicht schreiben sie jetzt, dass Subventionen doch geil sind, weil sie selbst nur Verluste vorzuweisen haben. Und nicht wissen, wie es mittelfristig weitergehen soll.....

Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.

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Nun, es bestaht Hoffnung zur Annahme, dass die FTD im Rahmen der bisherigen Verluste und dem Aussterben der Leserschaft in dieser krise jetzt doch endlich das Zeitliche segnet, das man ihr in der New Economy aus unverständlichen Gründen noch erspart hat. Journalisten und Medienhäuser sind nach Werbung und PR die ersten, die es erwischt.

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Lesebefehl - nicht nur für die Johurnallie
Dazu von einem meiner derzeitigen Lieblingsautoren im Sachbuchbereich, Nassim Nicholas Taleb in \\\"The Edge\\\":

http://www.edge.org/3rd_culture/taleb08/taleb08_index.html

Die \"Truthahngrafik\" (etwas runter scrollen) ist schön griffig:

Figure 1 My classical metaphor: A Turkey is fed for a 1000 days—every days confirms to its statistical department that the human race cares about its welfare \"with increased statistical significance\". On the 1001st day, the turkey has a surprise.


Sein Buch \\\"The Black Swan\\\" erscheint demnächst auch auf Deutsch bei Hanser. Wirklich passend zum derzeitigen Umfeld.

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Danke. Ein hübscher Tipp (falls es Hanser in zwei Wochen noch geben sollte. Oder sowas wie Geld)

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Der kommt jetzt natürlich gut an. Gab mal ein schönes Portrait von ihm im New Yorker:
http://www.gladwell.com/2002/2002_04_29_a_blowingup.htm
Ich lese seine Artikel gerne, bin aber mathematisch wohl eher nicht fit genug dafür. Die populärwissenschaftlichen Bücher kenne ich nicht. So oder so, ob Fraktale nun die Lösung sind wage ich zu bezweifeln.

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ja, mir kommen seit tagen ähnliche gedanken. daß die verstaatlichung nicht per revolution und volkswillen passiert, sondern auf wunsch von kapitalisten und weil scheinbar nichts anderes möglich scheint, ist die ironie des schicksals.

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Den Kommunismus kuriert man mitb der freien Marktwirtschaft und die freie Marktwirtschaft mit dem Kommunismus, und in beiden Fällen ist am Ende alles pleite. Besonders spassig ist, dass die Russen das jetzt schon zum zweiten Mal innerhalb von 20 Jahren mitmachen.

Vielleicht lernt jetzt mancher, dass 4% Ertrag nicht schlecht sind, und so eine soziale Marktwirtschaft ihre Vorteile hat.

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(ich würde jetzt gern am Tegernsee zum Tee und Kuchen bei Alexander Schalck-Golodkowski sitzen und seine Einschätzung hören. Wenn er sich nicht gerade ins Grab lacht.)

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Vielleicht lernen jetzt manche, dass höhere Renditen (in Form eines beschleunigten Wachstums) auch gesamtwirtschaftlich betrachtet offenbar mit erhöhten Risiken verbunden sind.

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so oder so - umverteilung tut not, oder? wenn´s der kapitalismus selber schaffen sollte, sich zu evolutionieren - umso besser!

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Ich finde ja eher, das sind fliegende Holländer, aber inzwischen ganz ohne Schiff ...

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Dieser Bailout war unvermeidlich ...
... und er war saucool ...

Überlege mal: Die AIG hat im Kerngeschäft einen Cashflow von 20 Mrd. Das Kerngeschäft ist im Prinzip eine Allianz (auch in der Größe). Das ist solide, gut und werthaltig.

In den Randgebieten hat die AIG aber Geschäfte gemacht, die wenig öhm sinnvoll waren. Da sind schon Mrd. versenkt worden und es werden wohl noch mehr versenkt.

Die AIG bekommt jetzt 85 Mrd. *Kredit*. Diese werden zu Libor + 850 basispunkt verzinst. Der Kredit ist also 8,5% teurer als ein normaler Kredit. Das ist Junk, absolutes Risiko. Der Staat hat dagegen 80% an der AIG bekommen.

Der Staat will jetzt diese Randbereiche möglichst schnell verkaufen und zu Geld machen.

Wenn man sich diese Parameter anschaut, ist das eigentlich ein klassischer Heuschrecken-Deal. Die gekaufte Firma mit teuren Krediten vollstopfen und so dafür sorgen, dass man schnell das eingesetzte Geld zurückbekommt. Bei angenommener Tilgung über 10 Jahre fließen schon im ersten Jahr 8,5 Mrd. Tilgung +10 Mrd. Zinsen. Nach 4 jahren ist der Einsatz des Käufers schon zurückgeflossen. Und dann habe ich noch nicht ein einziges Asset, noch nicht eine einzige Tochter irgendwo verkauft.

Tschuldigung, aber wenn ich 100 Mrd. hätte, hätte ich den Deal auch gemacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Deal den Steuerzahler keinen Cent kostet. Ich habe gerade einen guten Wein getrunken und bin daher vielleicht etwas arg optimistisch ... Aber ich kann mir sogar vorstellen, dass der US-Steuerzahler damit sogar Geld verdient ...

Zum Deal:

http://egghat.blogspot.com/2008/09/komplett-bailout-fr-aig.html

Zu Bailouts allgemein:

http://egghat.blogspot.com/2008/09/der-marshallplan-war-auch-ein-bailout.html

Les das Blog hier gerne, aber dieses Mal bin ich komplett anderer Meinung. Was ja nichts Schlimmes ist; ich liebe Menschen, die selber denken können!

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Ja, Hank Paulson ist schliesslich von Goldman und wenn zum Jahresende seinen Bonus einfordert wird er sicherlich darauf hinweisen, dass er die Treasury innerhalb von nur Monaten an die Spitze der M&A league tables geführt hat. ;)

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"Die AIG hat im Kerngeschäft einen Cashflow von 20 Mrd."

Noch.

"Da sind schon Mrd. versenkt worden und es werden wohl noch mehr versenkt."

Ob da 85 Milliarden reichen? Ich sag nur: Derivate. Beim WSJ war heute eine Einschätzung zu lesen, dass die 85 noch nicht mal operativ reichen. Der Laden hat 100.000 Mitarbeiter und ab sofort ein böses Glaubwürdigkeitsproblem. Denn die FED steckt "nur" mit einem Kredit drin, aber nicht mit voller Verantwortlichkeit im Sinne einer Absicherung des Randbereichs.

Ich glaube nicht, dass die AIG dadurch zu retten ist. Wie gesagt, der Cashflow, das Neugeschäft und Umschreibungen werden massiv einbrechen, dazu kommen die enormen Kosten durch das miese Rating. Ich glaube, dass die FED einen Teil des Kredits wieder rausbekommt und der eigentliche Nutzen der ist, dass die ganzen Nebenbereiche des Monoliners AIG nicht sofort den Markt implodieren lassen. Das ist aus Sicht der Fed garantiert ein paar Milliarden wert. AIG ist aus dem Blickfeld verschwunden und kann nicht sofort alles zerstören, schliesslich ist jetzt WAMU und HBOS und Russland dran, und man kann bis zum Wochenende durchatmen.

Ich halte Deine Einschätzung für ein solides, gut durchdachtes Best-Case-Szenario. Wenn es stimmt, müsste man jetzt wie blöd AIG-Aktien kaufen, denn wenn das Ding saniert und reprivatisiert würde, wäre es eine Goldgrube.

Ich dagegen habe buchstäblich einen soliden Bank Run hingelegt: Der grösste Teil in eine Immobilie am Tegernsee, einen Teil als Monatsgeld bei einer genossenschaftlichen Bank, ein kleinerer Teil für Notfälle und 6 Monate sicheres Überleben in Cash, und vielleicht demnächst sogar teilweise in Schweizer Franken. Ich glaube nicht, dass es gut geht. Nicht dieses Ding. Diesmal fliegen wir alle auf die Schnauze. Und meine Familie hat mit Immobilien seit 160 Jahren nur gute Erfahrungen gemacht.

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*hüstel* Natürlich ist nach vier Jahren nicht zurückgeflossen, da "nur" die +850 * 8,5 Mrd. "zusätzlich" eingenommen werden und auch "entgangene Steuern" einberechnet werden müßten. Zudem gibt es keinen Grund, warum (bezogen auf Blog-Artikel) das Risiko bei den "Randgeschäften" sinken sollte.

ME sollten sie die 85 Mrd. nehmen und als Atempause nutzen, die "üblen Geschäfte" abzuwickeln und möglichst schnell verkaufen.

Was heißt "100 Mrd." ? Der zweitgrößte Automobilkonzern der Welt hat eine Marktkapitalisierung von rd. vier Mrd. Euro. Da sollte mal der rumänische Staatsfonds zuschlagen: Dacia Motors (okay, gehört der regie nationale des usines ...)

P.S. Ja, Leute, kauft Immobilien !!!

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immobilie am tegernsee? hmm, klingt gut...


um nochmal auf dieses leibeigenschaftsding zurueckzukommen...

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Ich bin momentan bei allen Rechnungen sehr skeptisch, die Gewinne (oder meinetwegen auch Cashflows) als Grundlage haben. Ein Versicherer ist darauf angewiesen, dass auf der einen Seite die Versicherten ihre Beiträge bezahlen können und auf der anderen Seite die Kapitalanlagen eine ordentliche Rendite abwerfen. Und AIG hatte es offenbar selbst in einer Phase, in der beide Bedingungen ganz sicher erfüllt waren, nötig, die Gewinne (die dann meines Wissens nach allerdings auch stattlich ausfielen) noch mit Derivategeschäften zu verschönern. Welche Finanzwerte sich in ein paar Jahren als gutes Investment erweisen werden (falls es überhaupt solche gibt), das kann man, glaube ich, heutzutage noch gar nicht absehen.

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Was Bailouts angeht, vielleicht zwei Hinweise. Der eigentliche Bailout für Deutschland war meines Erachtens weniger der "New Deal für Deutschland" des Marshallplans, die so eine Art Kapitalspritze war, sondern das Londoner Schuldenabkommen von 1953. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Deutschland tatsächlich erhebliche Vermögenwerte kassiert hatte ("Arisierung" und Zwangsarbeit) und nach deren teilweiser Vernichtung nicht mehr in der Lage war, das auszugleichen.

Der beste "Worst Case" für en Bailout ist in meinen Augen die Mississippispekulation unter John Law und das Desaster, das daraufhin zur Wirtschaftskrise des Staates führte.

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Ausserdem finde ich die billige Kopie von Zitterwolf hier noch schlechter gemacht als das Original, aber auch deren Verursacher kriege ich noch. Und dann gibt es ohne Vorwarnung das, was bislang ausgeblieben ist - aber im Kontext mit dem ganzen alten Kommentargiftmüll.

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Es ist imho einfach deshalb kein LBO, weil das Geld anscheinend unmittelbar zur Aufrechterhaltung des operativen Geschäfts benötigt wird. Ein LBO verwendet die Schulden ausschliesslich, um den Kaufpreis zu finanzieren. Das Problem ist die Annahme "Tilgung über 10 Jahre" bzw. generell "Tilgung in diesem Leben". Davon hab ich nirgendwo was gehört/gelesen.

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man muss sich ja mal vor augen fuehren dass bei den bail outs hier kein, aber auch gar kein return zu erwarten ist.
bei deutschland war ja zumindest sowas wie ne politische rendite sicher.

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nur mal so eine frage
in die Runder der versammelten Wirtschaftskompetenz :
Werde ich es in meinem Leben noch irgendwo auf diesem Planeten sehen das Mini Unternehmen wie zb. meines auch nur vergleichsweise lumpige 10 bis 15 Kiloeuro zu den Konditionen geliehen, bekommen wie derzeit die Märkte , Banken und alle anderen Größenwahnsinnigen ?
Oder wenigstens zu weniger als over all 20% ?

Oder passiert das was ich annehme das unsereiner der Geldhahn komplett zugedreht wird ? ( Die optimistische Einschätzung vorausgesetzt in 2 bis 5 Jahren gibt es noch sowas wie Geld das einen Wert hat... )

Wenn ich mir die Sümmchen anschaue, damit könnte man doch eine Gründerwelle für Selbstversorger starten die Die Arbeitslosigkeit mal locker halbiert, oder spinne ich jetzt total ?

Have fun
Otaku

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Ich bin zwar kein ausgewiesener Finanz-Experte, aber schreibe Lehman trotzdem mit einem "n".

Meine Einschätzung
Kredite an Kleinunternehmer waren ja in der vergangenheit schon schwierig. Das hat wohl eher mit Basel II und den Eigenkapitalvorschriften zu tun.

Basel II ist auch in zweierlei Hinsicht für die Dramatik der Finanzkrise mit verantwortlich. Zum einen sind diese Regelungen zum Eigenkapital und Bewertung von Risiken in den USA nur zögerlich umgesetzt worden. Zum anderen haben Banken, um Eigenmittel zu sparen, in Conduits investiert, die nicht in den Bilanzen stehen und völlig unreguliert sind. Siehe IKB & Co.

Basel II verschärft das Problem: In Zeiten mit niedrigen Ausfallsraten benötigen Banken weniger Kapital. In Krisenzeiten bräuchten sie mehr, jedoch ist es gerade dann am schwierigsten, dieses zu beschaffen.

Wenn die akute Phase vorbei ist und sich der Staub des Crashes gelegt hat, geht es ans aufräumen. Was gerade passiert ist der Zusammenbruch eines Systems. Es wird sich einiges ändern, aber für Kleinunternehmen wahrscheinlich nicht zum Guten.

Wenn ich mal einen Exkurs ins web2.0-Business wagen darf: Ich denke, dass hier die Party beendet ist. Der Vorteil des web2.0-Booms, nicht von Börsengängen abhängig gewesen zu sein, verkehrt sich jetzt in einen Nachteil. Die Investoren verlieren zur Zeit viel Geld, dass sie nicht in die Finanzierung von Internet-Startup-Ideen stecken können. Aber dazu hätte ich gerne ein paar Meinungen.

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mit internet-startups hat man auch vor der jetzigen krise keine müde sau mehr hinterm ofen vorgelockt. vor zehn jahren ging das vielleicht noch, als man das internet noch nicht so richtig einschätzen konnte. aber heute dürfte relativ klar sein, dass sich mit dem internet allein keine großen mehrwerte mehr erzeugen lassen. die telekommunikationsbranche hat ihre assets untereinander aufgeteilt und den peak bereits überschritten (sie bricht gerade ein). "kreativität" kann im internet zwar anerkennung erzeugen, richtig geld bringt es nicht. dann wäre da noch der vertriebsaspekt, der bringt dem einen oder anderen unternehmen natürlich etwas. das war's dann aber auch schon. das internet ist halt in erster linie ein kommunikationsmittel und generiert aus sich heraus nur sehr bedingt umsätze. dafür nimmt es auf der anderen seite umsätze weg, und zwar hauptsächlich bei print und post.

was die vermutung angeht, dass es kleinere unternehmen trifft (als ergebnis der finanzkrise), so bin ich anderer auffassung. ich denke eher, dass mittel- und langfristig gerade kleinere oder mittelständische unternehmen gehen werden, weil sie nicht börsennotiert sind und ihre finanziellen verflechtungen in grenzen halten. ein vorteil dürfte auch sein, dass sich managementfehler in kleineren unternehmen weniger gut verstecken lassen bzw. sich unmittelbar auswirken, so dass man noch gegensteuern kann und nicht gleich der ganze ozeandampfer absäuft, wenn man das leck, durch das seit monaten kontinuierlich wasser eingeströmt ist, endlich entdeckt.

alle diese themen kommen einem aber beinahe schon anachronistisch vor.

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