FAZankleber

OK, er ist eigentlich selber schuld. Er hätte ja auch einfach eine Banklehre machen können, wie Sabine. Die hat jetzt ein Haus in der Vortadt und leitet die Filiale gleich gegenüber. Aber das war ihm zu doof. Er hatte mehr im Kopf, er war smarter. Die Wirtschaft war ein Haifischbecken, klar, aber er würde vorankommen.

Das heisst, immer zu Semesterbeginn wurde er unsicher. Da waren noch so viel andere BWLler. Zum Glück verteilten hübsche Hostessen an der Mensa den Frankfurter Allgemeinen Hochschulanzeiger. Der sagte ihm, wo es lang ging. Dass er doch die richtige Entscheidung getroffen hatte. Dahinter steckt immer ein smarter Kopf.

Klar, dass er die FAZ dann auch bestellte, neben der FTD, weil Handelsblatt ist was für Opas. Als er dann sein Startup gründete, lag auf dem Empfangstisch auch noch die Brand1. Die Mädels hinter dem Schalter sahen so aus wie die FAZ-Hostessen, auch so schniecke angezogen, blond, clean und tough. Als die ersten Probleme auftauchten, orderte er das Managermagazin und kassierte immerhin noch die Uhr als Prämie, die er heute trägt. Als es scheiterte, bestellte er doch noch das Handelsblatt, weil es doch irgendwie seriös ist.

Heute liest er gar nichts mehr. Er liest schon beim Plakatieren genug. Und dann zu Hause, natürlich die Stellenanzeigen für Sachbearbeiter.



Aber mit dem abgebrochenen Studium und dem privaten Offenbarungseid wird das nicht so einfach. Sachbearbeiterposten sind heute heiss begehrt, bei BWL-Absolventen. Besser als arbeitslos sein. Was auch schlimmer ist als Plakatieren.

Plakatieren ist halbwegs sicher, zumal, wenn es für eine Zeitung ist, hinter der ein smarter Kopf steckt, und es an Orten geschieht, wo sehr viele noch nicht mal so einen Job haben. Das Leben ist eine Baustelle, wo viele platte Parolen verbreitet werden. Und die Karriere ist die angesägte Gasleitung, die bald hochgeht.

Montag, 13. September 2004, 01:21, von donalphons | |comment

 
Gut getroffen
Sehr schön, Don, das ist mal wirklich voll aus dem Leben. Übrigens brauchte es dazu nicht unbedingt einen Hype und anschließenden Downturn. Also für BWler schon, das ist klar. Aber für etliche Geistes- und Sozialwissenschaftler sah der "Karriereweg" schon in den Achtzigern so aus, nur lasen die Konkret, Titanic, Transatlantik und Lettre, und statt Startup wars ein Kulturprojekt. Alles austauschbar.

... link  

 
Nur haben die Sozialwissenschaftler in den 80er nicht von grosser Karriere geträumt. Der Fall war erheblich niedriger.

... link  

 
Na logo
Ja klar,

das war genau umgekehrt. Wir haben den Erstsemestern ja schon in der O-Phase erzählt, dass es besser sei, einen Führerschein für Gabelstapler zu haben. Nur sind die Karrieren, die viele Sozialwissenschaftler im Endeffekt gemacht haben (Professoren, Staatssekretäre, verbeamtete Sachverständige für Sonstwas, VHS-Leiter) letztlich viel ansprechender, als das, was aus dem Durchschnitts-BWler wird. Nur viel weniger glanzvoll: Kein Armani, Volvo statt TT, Sicherheit statt Höhenflug mit Bruchlandung.

... link  

 
Ja, das wollte ich auch schon bemerken. Ich kenne keinen, der mit mir studiert hat und wirklich im Taxi (vorne links) gelandet ist. Übrigens sind in den letzten Jahren viele meiner Bekannten an einer FH als Prof untergekommen, die haben wirklich geboomt.

Übrigens hätten so Schnösel wie Don, die sich auf ihre Herkunft etwas einbilden bei uns im linken Berliner Institut keinen Fuss auf die Erde bekommen.

... link  

 
Ja, eben
@ Übrigens hätten so Schnösel wie Don, die sich auf ihre Herkunft etwas einbilden bei uns im linken Berliner Institut keinen Fuss auf die Erde bekommen.

Da, wo ich promoviert habe (Göttingen) auch nicht. Wobei, Don kokettiert zwar mit seiner Herkunft, aber er bildet sich nicht wirklich etwas darauf ein. Es ist aus meiner Sicht eher eine Art Goldener Käfig.

@ Ich kenne keinen, der mit mir studiert hat und wirklich im Taxi (vorne links) gelandet ist. Doch, auch die kenne ich. Also, vielleicht nicht Taxi, aber Call-Center, Lagerarbeiter, das schon. Aber die Arrivierten bilden gegenüber den Dropouts doch die klare Mehrheit.

... link  

 
Der Schnösel Don war Mitte der 90er beim AStA und Fachschaftssprecher und für Münchner Verhältnisse ziemlich extrem, im Kampf gegen einen Institutsleiter, der einen Schmiss hatte und gleich bei seiner Ankuft verkündete, er wolle hier nur die Elite sehen, das Institut sei viel zu gross.

... link  

 
Klarstellung
Das, lieber Don, weiß ich. Ich halte Dich ja auch für gar keinen Schnösel. Aber Berliner, Bremer und Göttinger Verhältnisse sind nun noch einmal anders gestrickt. In Göttingen gehörte es zu meiner Zeit unter Studis zum guten Ton, in einer Stockkampfgruppe zu sein, die regelmäßig die Hauerei mit Skins und Bullen trainierte, und ein Anzugträger wäre da als Wesen aus einer anderen Welt erschienen. Da waren schwarze Motorradlederjacken, Kufaya, Springerstiefel und Stachelgürtel angesagt (was Du ja auch weißt, das ist jetzt for the gallery).

Und den Bremern waren die Göttinger zu brav. So hat jede Stadt halt ihr Lokalkolorit.

... link  

 
Puh - aus dem Müncher Kessel bin ich gekommen, eben weil ich einen Anzug getragen habe. Und die Attacis reisen heute in der Regel in Papas BMW und im Anzug über die Grenzen.

... link  

 
Tarnung
Ja, und bei der PKK-Demo bin ich ungehindert durchgekommen, weil ich einen Silbermetallic-Escort mit Sylt-Aufkleber fuhr, und da lagen dann die Knüppel und Armschienen drin. Und auf Szeneparties tauchen bei den Göttinger Autonomen plötzlich Versace- und Gucci-Klamotten auf, die nicht vom Kostümverleih sind. Aber zu einer ASTA-Sitzung anders als im Kapuzenshirt oder vergleichbar zu kommen, das wäre damals tödlich gewesen. Ich war da ja als Hemd-mit-Kragen-Träger (ohne Jacket, durchaus mit Hein-Gericke-Jacke drüber) schon ein Exot.

... link  


... comment
 
Gut getroffen
Sehr schön, Don, das ist mal wirklich voll aus dem Leben. Übrigens brauchte es dazu nicht unbedingt einen Hype und anschließenden Downturn. Also für BWler schon, das ist klar. Aber für etliche Geistes- und Sozialwissenschaftler sah der "Karriereweg" schon in den Achtzigern so aus, nur lasen die Konkret, Titanic, Transatlantik und Lettre, und statt Startup wars ein Kulturprojekt. Alles austauschbar.

... link  


... comment