Strasse der Verlierer

Fanatiker, Irre und Psychopathen sind, als Einzelpersonen, nicht nur zu ertragen, sondern auch wichtiges Korrektiv jeder Gesellschaft - zumal, wenn sich später irgendwann mal erweisen sollte, dass sie doch nicht ganz Unrecht hatten, mit ihren Ideen. Schlimm wird es nur, wenn sich die Durchgeknallten zusammenrotten, sich auf einen grösstmöglichen gemeinsamen Nenner einigen - in der Regel die Übernahme der Weltherrschaft - und in ein Dorf, eine Stadt oder eine neudeutsche Area oder Cluster ziehen. Dann fällt die nötige Reibung mit der Realität, die verändert werden soll, weg. Dann fangen sie an zu glauben, dass ihre Realität schon erreicht ist.

Man muss sich doch nur umschauen. Da hinten bestellt eine ihr Essen über Internet. Da drüben redet jemand mit der neuen dependance in Shanghai, wo auch alle so denken. Shanghai rules sowieso, da sitzen vielleicht Freaks. Und ein Stockwerk drüber ist die Kommunikationsagentur, die das schon richten wird, wenn mal doch jemand da draussen glauben sollte, dass er noch mit seinem alten Scheiss etwas zu melden habe. Die Jungs vom Filmwerk werden das der Mehrheit schonend, witzig und nachhaltig beibringen.



Oder auch nicht. Besonders, wenn die Kommunikationsstrategien der Irren nur von den nächsten Durchgeknallten zu verstehen ist. Da helfen keine grossen Etats, keine Werbekampagne, nichts. Irgendwie muss man den Opas, den kleinen Angestellten und den Hausfrauen mal erklären, warum sie all das Zeug, das Credo der Cluster, die Ideologie der Areas gauben sollen. Denn nur 10 Meter davon entfernt gelten sie bestenfalls als komische Typen, die was tun, was niemand versteht.

Dann verschwinden erst mal ein paar Schilder, und dann, wenn es doch etwas heftig werden würde, bleiben auch Schilder da, wenn die Leute schon weg sind. Die Schilder exopandieren sogar manchmal, auch wenn die real bewirtschafteten Räume schwinden. Aber der Club heisst immer noch Rheingold. Das, wie man wüsste, wenn man sich ernsthaft mit alter Kultur auseinander gesetzt hätte und nicht nur zu Wagner gegangen ist, um den japansichen Geschäftspartnern vor der Bordelltour noch einen Freundschaftsdienst zu erweisen, das also bei allem Funkeln und Gleissen den Besitzern und allen, die danach strebten, zum Verderben gereichte.

Donnerstag, 4. November 2004, 13:21, von donalphons | |comment

 
Die Bar in der Novalisstrasse heisst Reingold. Ich bezweifle daher einen Bezug zu Wagner.

Im übrigen wurde die Chausseestrasse (parallel dazu gelegen) doch allen Ernstes zu gewissen anderen Zeiten einmal Silicon Alley von Berlin genannt...

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Ich kann mich auch noch an den Begriff "Silicon Allee" oder "Silicon Chaussee" erinnern. Und an die tollen Berichte der Fachpresse. An die Zukunft, die dort gemacht wurde. Allerdings ist das alles aus dem Netz verschwunden.

Nur Reingold? Noch schlimmer. Zeit für eine Kneipe mit dem Namen "Bleikammer". Und Bilder von Alex F. an den Wänden.

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ach ja, die zukunft, die dort beim total wichtigen vc-gespräch auf der sonnigen dachterrasse gemacht wurde, ist dann doch recht schnell von der real-existierenden wirklichkeit auf den boden der tatsachen zurückgeholt worden.

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Nun, die Überlebenden sind alle gerade im Post-Jamba-Handyrausch, nach dem, was man im Kaffeekombinat so auf einem Ohr mithört (ich dachte eigentlich, dass die auch längst über den Spree-Jordan sind).

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Zum Bild:

Wieder mal ein Zeichen meiner These, Berlin ist normal. Das Foto hätte auch aus irgendeiner grauen Bürovorstadt einer deutschen Grossstadt stammen können. In Berlin ist die Vorstadt halt die Mitte...

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Trace
In Braunschweig steht zwei Jahre nach dem Final immer noch das Firmenschild der Trace Biotech AG, weil die so pleite waren, dass sie niemanden mehr bezahlen konnten, der es abbaute.

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Das Schild von Das Werk Berlin ist hier auch noch dran :-)

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Übrigens, das gelbe Kasterl in der Mitte ist von Scholz & Freinderl.

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genau ..
... und die beiden weissen kasterln (die man aufgrund der vielen supporter drauf kaum noch lesen kann) sind die vom ieb - der "nachwuchsschmiede" aus der silicon chaussee

da gibts sicher auch herrliche geschichten drüber, aber ich blogge ja (noch) nicht ...

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Chausseestr. 5
Vor einigen Wochen habe ich den letzten der hübschen Notizblöcke aufgebraucht, auf denen

Aperto AG
Berlin, San Francisco

stand. Ob es noch mehr gibt, irgendwo?

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@ ringrocker: Twoday.net hat nette Blogs :-)

@ feersum: Aperto lebt (nach einer gewissen Durststrecke) - und macht Bundeszeug, und sowas wie wassollwerden.de. Ich spar mir da jetzt weitere Kommentare zu - das ist ein ganz eigenes Ding.

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Es geht hier
aber nicht um die Chausseestrasse die später dann Müllerstrasse heißt und die häßlichsten Einkaufstrasse im Wedding ist.

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gerade wenn man wagner kennt ...
... dann weiß man ob des Verderbens, daß das Rheingold mit sich bringt. Nie bis zur Götterdämmerung gesehen? Oder schon bei der Walküre mit dem Lesen der Kleinanzeigen im Programm angefangen?

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Ich persönlich bevorzuge IMMER Rossini.

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Äpfel und Birnen
Lässt sich denn der postmortem-Arbeitgeber der Callas mit dem vor seiner Zeit geborenen Nazi überhaupt vergleichen?

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Nein, und das ist auch verdammt gut so.

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Anfang des Textes dachte ich Sie schrieben anlässlich der US-Wahl über die Neocons in Washington. Ein Freund erzähte mir unlängst, wie ein Präsidentenberater den Erfolgt der Bush-Kamarilla erklärte: Der Fehler der Demokraten sei, dass sie "reality based politics" machten. Man müsse die Realität bestimmen, nicht auf sie reagieren...
Der Traum jedes Powerpointers, würde ich sagen.

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Zur US-Wahl
Mr President,

the CIA surrounds Venezuela, and YOU Concess Yes to the deaths scuads of Columbia.
There must be a mean streak in America´s character. I think we need more than 500
years to till it.

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