Wir sitzen auf der Treppe um uns

Wenn ich in diesem Jahr etwas richtig gemacht habe, dann ist es:

1. Etwas, das privat ist. Nicht leicht, aber richtig und privat.

2. Jemandem klar gesagt zu haben, dass die Grenze erreicht ist, und es keine Wiederkehr gibt. Überhaupt nicht meine Art, aber nötig. Und sehr richtig.

3. Die Sache mit dem Gewicht angehen. Lange rausgezögert, teilweise auch verhindert, aber gemacht, und es gibt keinen Jojo-Effekt.

4. Dem Verlag deutlich gesagt, dass ich nicht nur das Buch und den Vertrag und den Vorschuss nicht will, sondern nichts mehr mit ihnen zu tun haben möchte. Also auch kein zweiter Versuch oder de Roman oder nochmal reden. Nichts.

Die Reaktionen waren leider so, dass sie mein Bild dieser Branche bestätigt haben: Da glauben wirklich manche, man könnte die Leute mit ein wenig Scheinen und Socializing abgrasen, die wären irgendwie alle scharf auf grosse Verlage, Namen und läppische Anzahlungen. Ich finde auch 50.000 oder 100.000 Vorschuss nicht wirklich viel, und schon gar nicht, wenn das Buch so gegen die Wand fährt, dass man sich danit die weitere Karriere auf allen Ebenen auf Jahre hinaus ruiniert.





Mir wäre das vermutlich eher nicht passiert, schliesslich wären ein ein paar undogmatische Anmerkungen eines ohnehin für seine Wurschtigkeit bekannten Autors geworden: Ich könnte mir auch eine Buchpleite leisten, und ideologisch gibt es ohnehin nichts, was ich erst propagieren und dann mit Füssen treten würde. Einfach, weil ich kein ausgeprägtes Gefühl für Ideologie habe. Und die Polarisierung, die der Lektor unbedingt haben wollte, hätte ich ohnehin nicht zugelassen. Man sollte nach meinem Empfinden gute Geschichten machen, und nicht Überfliegerrisiken. Aber die angeblich so innovative Frau Hegemann, die abgeschrieben hat, und danach ihr Treibem als Mashup verkaufen wollte, oder die Frau Schramm, die sich erst als Kämpferin gegen die Idee des geistigen Eigentums profilierte, dann den Download ihres Machwerks verhindern und ihren Parteichef sagen liess, dies wäre schon mal ansatzweise Piratenpolitik - die beiden haben im Buch die Fails vorgemacht, die Guttenberg und Frau Wulff in Büchern nochmals vertieften. Das sind dann so die Figuren, die den Makel nie mehr loswerden. Immer wird man sich an die Peinlichkeit zuerst erinnern, und nie an die eher schmale Leistung. Oder das Geschmeiss, das sie hofierte. Den Schaden kann keine Finanzierung wieder gutmachen, und was die wütenden Leser bei Amazon als Tags hinterlassen, bleibt bestehen. Da war doch was, denken sich dann Suchende in einigen Jahren... ach so. Das Brandzeichen unserer Zeit.





Wäre es anders gekommen, müsste ich jetzt in Deutschland sein, vorbereitende Interviews geben und freundlich sein, ich müsste mich auch mit dem Gedanken an das Geschmeiss anfreunden, die vermitlich auch auf der Buchmesse vorbeikäme: Lieber Don, kennen Sie schon... und dann wäre ich sicher unhöflich zu Fleischhauer und was da sonst noch so aufläuft. Es ist ja nicht nur ein Buch, es ist eine vermarktungsstrategie, in der man festhängt, ein Netzwerken und ein Adabeisein um jeden Preis, den die anderen festsetzen: Ich weiss, wie das ist. Man erträgt das vielleicht, wenn man das Geld braucht, oder wirklich etwas zu sagen hat, aber ich bin eigentlich vollkommen zufrieden, in Mantua meine Ruhe zu haben. Es reicht schon, wenn ich dann auif der Buchmesse zuschauen muss, wenn man versucht, aus echten Pleiten noch etwas Vertretbares zu machen. Viel hätte sein können, aber nichts, was ich irgendwie vermissen würde.





Es ist die erste Nacht in Mantua, die den Nebel ahnen lässt, diesen so unitalienisch dicken Pesthauch der Nacht, der von nun an ein ständiger Begleiter sein wird. Ich mag den Nebel daheim nicht besonders, aber hier trägt er auch dazu bei, dass ich mich so heimisch fühle. Es ist der richtige Ort für mich, im Gegensatz zu einem Studio im Angesicht von Leuten, deren Namen ich erst mal googeln muss. Immer wieder sage ich Nein zu solchen Auftritten, aber diesmal hätte ich Ja sagen müssen. Und auf der anderen Seite wären Leute gesessen, denen ich unter normalen Bedingungen nicht vorgestellt werden möchte. Blasen wären aufgestiegen und sicher wäre da auch eine Dummbratze aus der TV-Sumpflandschaft gewesen, die sie dazusetzen, damit sie halt dabei sitzt. Ich habe keinen Fernseher, es ist einfach nicht mein Ding. Aber wer Bücher verkaufen will, der muss da rein. Und bitten und betteln bei Redaktionen, die am Morgen immer erst die Bild lesen. Nicht meine Sache.





Wenn das Geld nicht wichtig ist, und der Name - eine Fassade für Studi-VZ-Versager - nichts bedeutet, bleibt halt nichts übrig, Wenn ich doch mal wieder will, melde ich mich woanders. Wenn es geht, ist es gut, und wenn nicht, dann passt mein Leben auch so. Ich bin auf der Buchmesse, beruflich, und werde berichten. Es wird scheusslich sein, wie immer in Frankfurt im Oktober, aber Ruinen und Schutthaufen habe ich auch ausgehalten. Ich schaue mir das aus der Nähe an, und bin innerlich ganz weit weg.

Donnerstag, 27. September 2012, 01:48, von donalphons | |comment

 
Mir scheint, was bei Heine oder Voltaire noch Leidenschaft war und wenigstens zu einem großen Teil das Bedürfnis die Welt zu verbessern oder zu erklären, ist seit Jahrzehnten nur noch ein Betrieb, der sich selbst feiert und sich im kleinsten Kreise dreht. Hin und wieder kommt was Interessantes dabei raus, aber das ist so schwer zu erkennen bei diesen Rezensionskartellen. Von wirklich guten Büchern erfahre ich oft Jahre später. Deswegen bin ich gespannt auf einen distanzierten Blick auf die Buchmesse.

Übrigens verschärft die Bezeichnung "Messe" noch den rituellen und hierarchischen Charakter dieser Veranstaltung. Man versucht dort herauszufinden, wie man dem Zeitgeist am besten huldigen kann. Aber der ist sehr glitschig.

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So MUSS es nicht sein, wie Sie es schwarz (oder nur ängstlich?) schildern.
Ich hab' zwar nur Erfahrungen im Popmusik- nicht im Literaturbereich (da bin ich eher "Verbraucher" & Liebhaber), aber auch in der Musik ging es in meinen letzten 4 Jahrzehnten manchmal um viel (sehr viel) Geld, um hohe Vorschüsse, komplizierte Verträge, um Ansehen, um die Zukunft, ums "Mitmachen" ... aber wenn man das gelassen sieht und macht, wenn man "man selbst" (sprich: ehrlich) bleibt und nicht alles & jedes mitmacht (oh ja, das geht ganz gut, wenn man wirklich will), dazu dann noch ein wenig Glück hat, kann man neben der harten Arbeit (die man dann aber gerne macht) ein gutes Leben führen, q.e.d. in meinem Fall und dem meines Musikerfreundes.
Das "Produkt" (Buch, Musik...) sollte allerdings schon etwas Besonders sein. Ohne Qualität geht's nicht so gemütlich und gütlich. Dann muss man wohl tatsächlich jeden Mist mitmachen, lavieren, lügen... immer tiefer und kann nicht mehr zurück.
Aber ehrliche (evtl. Schwejk'sche) Verweigerung in gewissen Grenzen geht tatsächlich; das kann ich nicht nur von der Urheber- sondern auch aus der Sicht der "Gegen"seite bestätigen (als Firmenboss): Künstler macht nicht jeden Quatsch mit und es wurde (trotzdem? deswegen?) ein Riesenhit.
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Oder war & ist alles in der "Kunst" nur Spiel und Zufall? Dann sowieso: nur das machen, was man selbst für richtig hält. Auch deshalb les' ich ja hier so gerne mit. Trotz knallbunter Räder.
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Lieber Don,
warum genau fahren Sie zur Buchmesse?
Ich habe nie verstanden, was Leute, die nicht mir Rechten handeln, dort wollen.

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Wenn er nicht durch eine gnädige Krankheit an einem Besuch der Messe gehindert wird, schreibt er stets etwas dazu bei der FAZ.

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Ja, aber warum?

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Weil das so gewünscht wird und ausweislich der PIs im Blog auch gut ankommt.

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Mehr und mehr habe ich den Eindruck, dass "Buch" nur noch eine Art Paymentsystem ist, wie Kinokarte oder Fahrschein.

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und wenn sie in der Zeit selber an einem längeren Text weiterschreiben würden?
Oder wenigstens einen richtigen Zirkus besuchen, mit Tigern und Kunstreiterinnen und so.

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Dontexte les ich ja immer gern, egal worüber und zu welchem Nichtanlass.
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Aber "Buchmessenberichterstattung" braucht wirklich kein Mensch.
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Anonsten fehlt da immer noch ein FAZ-Literaturblog.

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Starke Bilderserie
besonders Bild Nr. 3 finde ich ausgesprochen gut. Der Kontrast zwischen dem relativ neuen Schild und der verblassten Deckenmalerei. Nur wenige Menschen sehen so etwas. Wie sagte letztes Wochenende eine ältere, weise Flohmarktverkäuferin: "Man muss die Schönheit der Dinge eben auch sehen."

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Naja, ich bin da ja schon öfters gewesen, da sieht man sowas schneller :-)

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nur eine ganz kleine anfrage: die putzfassade im streiflicht hinter dem urinal (?) aus gusseisen - die würde mich mal interessieren. ist das echter manierismus oder 19.? so oder so scheint ein meister der kelle am werk gewesen zu sein.

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Das ist der Palazzo Canossa, und die Mauergestaltung geht auf Vorbilder von Giulio Romano zurück - so ähnlich sieht auch die Fischhandlung aus. Allerdings ist der Palazzo etwas später,errichtet worden, früher 17. jahrhundert. Man sieht das in Mantua oft.

Und das Urinal ist ein Zeitungskiosk.

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danke für die auskünfte, bedaure sehr, den ehrenwerten kiosk aus berliner erinnerungen heraus falsch ansgesprochen zu haben.
beschäftige mich gerade mit historischen putzen - leider nur theoretisch - da gibt es nur wenig literatur, und immer weniger originale oberflächen. es wäre mal ein thema für einen schönen bildband. ich hätte seinerzeit beinahe den wohl einzigen kirchturm bayerns, der noch seinen originalen putz aufweist zum thema einer studienarbeit gemacht. bezeichnenderweise eine ruine. die modernisierungswellen der nachkriegszeit waren flächendeckend, und haben hinsichtlich farbe und putz so ziemlich totalschaden angerichtet.

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Das wurde keider im Denkmalschutz bis in die mittleren 90er Jahre auch noch so empfohlen. Ich kenne einen Schlossbesitzer, dem dazu geraten wurde, und der hat sich seitdem durch Zwang zum Spezialisten fdür seinen verlorenen Originalputz entwickelt. Bei uns ist der Putz vermutlich noch aus der Zeit um 1720.

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Was ist denn das auf Bild Nummer 4 für ein Gerät? Sieht gruselig aus.

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Das sind Zierkugeln auf dem Gitter der Handelskammer von Mantua.

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Danke. Und ich dachte schon an ehemals mittelalterliche Verwendungszwecke.

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Ich dachte auch, das könnte vielleicht ein nützliches Utensil für die Buchmesse sein.

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Mit brennendem Pech in einem Eimer füllen und damit die hölzernen Belagerungsmaschinen bewerfen 8)

Ist es nicht noch zu früh für Jahresrückblicke? Das Elend geht doch noch 3 Monate...

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Buch und Kritik
Werter Don,

sehr schöne Bilder sind das. Hätte da noch eine Bitte zum Thema Politikerbuch und Kritik: Schreiben Sie doch mal was zu Frau Wagenknecht und deren letzter Veröffentlichung, unabhängig von Meinung und Thesenhaltbarkeit hat diese ja durchaus Substanz und Format und ist wesentlich geeigneter sich dran abzuarbeiten als Wulff, Weisband, Schramm und Co,...
würde mich sehr interessieren was Westviertel und die Stützen der Gesellschaft davon halten....

Herzlichst
Gustave Gold

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naja
Frau Weisband hat, was Frau Wagenknecht mal hatte. Schönheit.
Und Frau Weisband setzt ihren Verstand sinnvoll ein.

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Unsinn...
...sehen Sie liebe(r) melursus, solche hohlen, ergo überflüssigen Beiträge sind es die mich meine Bitte ausschliesslich an den Hausherren richten lassen...

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möglicherweise Unsinn
werter Gustave Gold, Sie sprachen den Hausherrn an. Sie taten dies in der Form eines offenen Briefes, den viele lesen. Da darf ich mein Mißfallen kund tun, wenn Sie, herr Gold, MARINA WEISBAND, mit juliaschramm und christianBettinawulff in einen Topf werfen. Da gehört sie nicht hin. Das ist meine Meinung, aber wahrscheinlich nicht nur meine.
ihr hohler Lippenbär

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schliesse mich an

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Ich finde es legitim, wenn man wie Marina Weisband das politische Amt für ein Buch nutzt. Aber man muss vielleicht auch mir die meinung zugestehen, dass Buch und Talkshowauftritte zwei unterschiedliche Dinge sind: Und da ist auch das Gefühl, dass mitgenommen wird, was sich gerade bietet. Ich bin also - vorsichtig.

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Schöne Bilder, aber für die Melancholia ist es noch zu früh. Apropos Frankfurt: "Schwarze Romantik" im Städel-Museum. Soll sehr beeindruckend sein. Zur Buchmesse geht man übrigens, weil der Buchhandel seiner Aufgabe nicht mehr nachkommt. Nur auf der Buchmesse bekommt man noch halbwegs einen Eindruck von der Verlagslandschaft und von den Verlagsprogrammen. In der Buchhandlung gibt es nur noch Bestsellerliste, Vampire und witzige Schlüsselanhänger aus China. Und ich freu mich auf den Buchmesseblog. War immer prima. Wieder mal mit Frau Diener, Don Alphonso?

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Für Melancholia ist es nie zu früh.

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In Mantua, bei leicht bewölktem Himmel und 22 Grad kann man eigentlich nicht melancholisch sein.

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Gelegentlich gerade dann, wenn es keinen Auslöser gibt.

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Das erinnert mich grad an "Monotonie" von "Ideal" aus den frühen 80ern.
Die ersten zwei Zeilen lauten:

"Monotonie in der Südsee
Melancholie bei 30 Grad
..."

zum Nachhören:

http://www.youtube.com/watch?v=PRwqyIQUoz8

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Der Heinz meint …
… ha ha ha! Sie sind ein Arsch! … aber ich mag Sie sehr! Es ist immer Zeit für ein gutes Buch: http://www.socio.ch/sim/geld/geld_1a.htm

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Eine nervigere Duckumenta, eine langweiligere Fussball-WM, ein noch sauerstoffärmeres TV-Programm: Das ist die Frankfurter Buchmesse.
Die Loveparade als Standbild.

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Als würden Weisband und Gumbrecht zusammen einen Blogeintrag über Sterbehilfe schreiben.

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Argh.
Allein die Vorstellung.

Aber je länger ich darüber nachdenke, desto lustiger fände ich es, bei der FAZ die Autoren mal bisschen durch die Blogs rotieren zu lassen. Die Tanztrulla müsste dann mal das Supermarktblog befüllen, Don das Fernsehblog, der Antik-Abendländer dürfte dann mal bei Ad hoc ran, und wo für mich das schlimmste Straflager wäre, verrate ich jetzt nicht.

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"Tanztrulla"
Mister Mark You made my day :-)

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an sich
bin ich ja wenig schreckhaft.

aber das hier:

"Als würden Weisband und Gumbrecht zusammen einen Blogeintrag über Sterbehilfe schreiben."

brrrrr, oh, wie mir gruselt, brrrr!!!

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Die all-time-charts der meistüberschätzten deutschen Persönlichkeiten werden sicherlich noch einige Jahre von Helmut Schmidt angeführt werden. In den September-Charts 2012 ist allerdings Pummelchen Weisband ganz weit oben (Umstellung von Media-Control auf Leserbrief-Control)

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