Was eventuell doch gehen könnte

Tag für Tag sitze ich in meinem Cafe, meistens auf dem gleichen Platz - auf dem, von dem aus man das beste Blickfeld nach rechts und links hat. Wäre gegenüber nicht eine Drogeriekette, wäre er ideal. Da sitze ich, schaue ich und lese ich, wenn ich gerade nicht schaue. Obwohl es hier sehr viel zu schauen gibt.







Mein Zeitungshändler spricht kein Deutsch, also weiss er auch nicht, was in meiner Zeitung steht, die er verkauft, und diesmal habe ich es ihm erklärt: Eine grosse, bürgerlich-liberale Zeitung, ein wenig wie der Corriere. Ob ich viel drin schreibe? Poco. Selten, Viel online, ein Blog. Online findet man vermutlich nicht so gut, wenn man einen hübschen Eisenkiosk unter den Arkaden betreibt und überdies weiss, welche krassen italienischen Zeitschriften man dem Journalisten empfehlen kann. Online ruiniert das Geschäft. Und obwohl mir dutrchaus klar ist, dass auch meine Zeitung Auflage verliert und die Zeiten nicht rosig sind: Bewegt werde ich eher vom Schicksal meines Händlers.Es gibt drei Buchhandlungen und drei Kioske in Laufnähe, da haben das Wort "Medienkrise" und generell La Crisi eine andere Bedeutung. Die Bedeutung eben, dass an der Tür einer Bäckerei schon das Schild "Pane anti-Crisi" zu finden ist - und das Brot dann zu Preisen, die den Bäcker vielleicht auch in den Ruin treiben. Am Tag, an dem Springer vor die Hunde geht, fahre ich nach Berlin und lache seine Büttel öffentlich aus - aber mein Kioskbetreiber hat etwas anderes verdient.







Der Kiosk selbst ist so wie immer - das eigentliche Problem sind das Geld der Kunden, das nicht passende Angebot der Presse und die fehlende Zeit der Menschen. Und nachdem ich auch jeden Tag die Zeitung lese, muss ich sagen: Sie passt nicht wirklich in dieses mein Umfeld. Mal abgesehen davon, dass ich bei der Wirtschaft schlechte Laune und bei der Politik Unlust auf Deutschland bekomme, müsste das alles sehr viel cafetauglicher sein. In den besten Texten ist es das, aber die Abbruch- und Umblätterquote ist nicht nur so hoch, weil das Schicksal ab und zu Mädchen wie im ersten Bild vorübergleiten lässt. Und am Ende bleibt vom gewollt Tiefschürfenden nichts hängen, weil es nicht zur Art meiner Aufnahmebereitschaft passt. Da will etwas anderes in meinen Kopf, als ich hereinlassen möchte, oder kann. Mit dem Abstand von zwei Tagen weiss ich nur noch, dass ich den Text über mein eigentliches Fachgebiet total daneben fand, aber nur mit Mühe fällt es mir ein, wie sehr mich die Vergleiche zwischen La Tene D und Jugendstil genervt haben. Grad so, als hätte es "einen" Jugendstil oder einen Stil in La Tene D gegeben.







Ich finde die Vorstellung einer U-Bahn-Zeitung schauderhaft. Was mir aber gefallen könnte, und was der Weg sein könnte, wäre ein kluges Zwischending, ein Hybridwesen, das sich primär an Menschen in meiner Lage wendet - mit einer Stunde Zeit im Cafe - und mit dem Nimbus auftritt: Das ist das Blatt für Menschen, die sich gern klug und gewitzt unterhalten lassen. Keine Klogriffe aus pseudowissenschaftlicher Angeberei, und keine Gossigkeit wie die Welt Kompakt, das Blatt für Menschen mit Privilegien. Die Hauspostille der Entschleunigten, das Tiefe hat, aber nicht mit Dünkeln nervt. Das Blatt, das man in der U-Bahn mit sich tragen kann, um zu lügen: Ich bin gar nicht auf dem Weg in die Arbeit, ich habe jetzt erst mal Pause, auf mich wartet das Blau des Himmels und - oh! Sie haben Risottowochen! - auch und besonders, wenn es eindeutig nicht stimmt. Die Zeitung für das Portagiornale, für die mechanische Uhr, für ein Publikum, dem man möglichst wenig Anlass zum Abbruch des Lesens gibt, und das nicht aufgrund der Hektik beim Weiterblättern die Werbung gar nicht mehr erkennt. Eine Cafeblatt für Privilegierte. Das auch die Cafebesitzer wollen. Ein Blatt, das sich schamlos die verbleibende Lesezeit der Klugen unter den Nagel reisst.

Der Rest wird - nun, man wird sehen.

Samstag, 29. September 2012, 01:57, von donalphons | |comment

 
ich hatte seit meiner Jugend täglich eine Zeitung für Deutschland gelesen, erst bei meinen Eltern, später als eigenes Abonnement.
Irgendwann ging es mir dann wie Ihnen und ich habe das Abo gekündigt und lese nur noch online.
So ein Blatt, wie es Sie beschreiben, fehlt wirklich in der Zeitungslandschaft!

... link  

 
Ja, das ist ein generelles Problem.

Momentan ist wieder viel los in der Medienlandschaft, es wird enger und jede Menge Scharlatane rennen rum und erzählen was von Digitalstrategien, die man sie machen lassen sollte - selbst wenn sie damit selbst schon mal keinen Erfolg hatten. Zuerst möchte ich hier einen Ex-Kollegen von der FAZ-Bloggerei anführen, der inzwischen bei Cicero genauso langweilig nichts auf die Reihe bekommt, aber irgendwie als Spezialist gilt. Wie es geht, weiss ich auch nicht, aber was mir gefallen würde, könnte ich schon formulieren.

... link  


... comment
 
...sowas wie die TransAtlantik in den frühen Achtzigern? Aber eine Stunde reichte da nicht ganz.
Auch zu empfehlen war: "Der Rabe", oder (immer noch:) "Häuptling eigener Herd"
Waren und sind allerdings keine Tageszeitungen, mehr so ungefähr vierteljährliche. Aber jeden zweiten Tag eine Stunde im Cafe, dafür reicht's. Das Formats des Häuptlings ist allerdings sperrig (aber Tageszeitungen ja auch).

... link  

 
Wie gesagt: Ich weiss nicht genau, was ich will (ausser einer Falschmeldung pro Tag,um den Lesergeist zu schärfen), aber wie das gehen soll... es soll unterhalten. Klug unterhalten. Und zum Anspruch mitnehmen.

... link  

 
Wie dieser Tage drüben in der Dunkelkammer schon erwähnt: "lettre international" (leider auch nur alle drei Monate)!

... link  

 
eine abkehr von diesem unsäglichen nordischen Format wäre schonmal ein guter start ...

In derUbahn oder im Cafe wird nicht gezeltet !

... link  

 
Nach einer Woche Übung geht das, wenn es windstill ist. Und beim Sturm ist man froh um ein dach über dem Kopf!

... link  

 
@ rollproll: Für 6-spaltige wie die FAZ und andere mit gerader Spaltenzahl gibt es ja die sattsam bekannte Falttechnik für die U-Bahn, die allerdings bei längeren Fahrten zu druckerschwarzen Fingern führt, aber eben auch zu einem DIN-A4-Format.
@ jeeves: jaa der "Häuptling" kann nicht genug gepriesen werden. Für unschlüssige Interessierte gibts ja auch ein kleines Taschenbuch: http://www.amazon.de/Wir-schnallen-den-G%C3%BCrtel-weiter/dp/3150201586/ref=sr_1_fkmr0_2?ie=UTF8&qid=1349127176&sr=8-2-fkmr0

... link  

 
klar eine lösung ließe sich immer finden. will ich aber nicht. ich bin kunde. ich will die lösung kaufen, nicht das problem.

... link  


... comment
 
Die FAS lässt sich sehr schön in einzelnen Teilen mitnehmen und im Laufe der Woche lesen. Man muss ja nicht so maßlos sein wie ich und Sonntag vormittag vier Stunden am Frühstückstisch sitzen.
In ihrem Bereich auch angenehm zu lesen ist die "Slow", die Slow Food Mitgliederzeitschrift.

Ansonsten: Kritisieren Sie mich ruhig, aber täte es nicht auch ein iPad oder sonst ein Tablet-Dings, auf dem Sie Ihre Lieblings-Links von FTD bis sonstwas abklappern können und ggfs. auch noch ein bisschen recherchieren? Ich halte ja vieles in diesem iPhoneiPadAppAndroidTabletPCWindowsMetro Markt für blöd, aber so ein immerdabei-Internet mit großem Bildschirm hat schon was für sich.

... link  

 
ich darf hier, denke ich, öffentlich sagen, dass die FAZ auch nicht ihre erfolgreicheren Blogs als App für iPod oder iPad anbietet/anbieten kann/anbieten will. Da wäre noch viel zu tun. Aber auch sonst ist das eher ein hartes Geschäft, will mir scheinen. Und an und für sich mag ich ja den Kiosk sehr gerne; zudem wird man in Italien im Cafe immer noch blöd angeschaut, wenn man mit so Spielzeug aufkreuzt. Es darf gern gedruckt sein.

... link  

 
ja die interessen der kundschaft an der digitalisierung zu ignorieren hat sich ja schon bei der musikindutrie als sustainable business model erweisen. ROI für die ganzen nichtsoprädikatsexamensjuristen garantiert.

... link  

 
Ich bin nur ein kleiner freier Mitarbeiter, der versucht, seinen Bereich so gut wie möglich zu machen, damit der Rest nicht hüster ist und allein altenbockumen kann.

... link  

 
Die FAS kann gerne gedruckt sein und es auch bleiben. Die Blogs kann man sich doch auch per Browser ansehen, da braucht es nur ein Bookmark. Bei der Tablet-Nutzung sehe ich eher die Wirtschafts- und anderen Blogs, die zumindest bei mir die Lektüre der Tageszeitungen und z.T. auch der Magazine immer mehr verdrängen.

Der Reiz liegt m.E. in der Kombination der Lektüre von Papier und Online. Und mir Gedanken machen, ob ich dabei schief angeschaut werde, nunja. Ist ja nicht so, dass man nur wg. Tablet-Nutzung gleichsteht mit solchen, die am Cafetisch in der Nase bohren, laut mit sich selbst reden oder sonst die Umwelt belästigen. Auch mit Tablet in der Hand kann man höflich zu Nachbarn und Bedienung sein, ein Schwätzchen halten, noch um einen Kaffee bitten, oder schlicht ruhig lesen. Nur auf stumm sollten die Geräte geschaltet sein.

... link  

 
...eine Zeitung...ist eine Zeitung...ist eine Zeitung...

Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nachhause tragen (und in Ruhe lesen)

Blogs werden vollkommen überwertet

... link  

 
Blogs landen dafür nicht im Altpapier und werden auch nicht dazu benutzt, um Fisch einzuwickeln. ;-)

... link  

 
...Altpapier besitzt eben im Unterschied zu Blogs eine gewisse Multifunktionalität...

...ausser zum Fisch-einwickeln kann man es auch noch als Heizmaterial verwenden oder es in nasse Schuhe stopfen...

... link  


... comment
 
Auf den Trödelmarkt bzw. ins Antiquariat gehen
und sich "Westermann´s Monats Hefte" aus vielen vergangenen Jahrzehnten kaufen.

Das ist das einzig "Aktuelle", was noch begeistern kann.
Texte & Bilder entführen den Leser für Stunden in eine Traumwelt.
Man kann es beim Blättern gar nicht fassen, wie groß der Unterschied zu heutigem Druckwerk ist.

... link  

 
...und man kann sich einzelne Artikel (etc.) ausschneiden und zu den Büchern ins Regal packen, oder in Ablagen die man "Studentenrevolte", "Beatles"... usw. nennt -- da hab ich dann (nehm' ich mal nur das Beispiel meines alten "Beatles/Pop" Ordners) 45 bis 50 Jahre später eine schöne Artikel- und Foto-Sammlung aus zeitgenössischen Stern, Spiegel, irgendwelchen Illustrierten und einigen Berliner Tageszeitungen, und kann mich amüsieren, wie Johurnalisten damals diese Jugend-Mode völlig verkannten ("enge Jeans machen unfruchtbar"), wie sie Woodstock einzig als eklige Schlammschlacht einiger Langhaariger ausschlachteten, wie sie hilflos versuchten, das Wort "Beatles" zu erklären (Käfer, schlagen; von Alan Ginsberg und der Beat Generation wussten sie natürlich nix und von schwarzer Musik noch weniger), usw. (*)
.
Oder man findet den alten ZEIT-Artikel im Regal zwischen den Hemingway-Büchern wieder, der so launig wie zornig über die seltsame deutsche "Freudenspender"-Übersetzung berichtet, mit atemlos machenden Beispielen... (diese doofe Übersetzung aus den Fifties ist leider heute noch "gültig") ... oder, oder ...
.
Aber das liegt wohl auch am Interesse des Einzelnen; heute heb' ich mir solch Preziosen eben digital auf. Doch, flupps, anno 2011 gab's 'ne kaputte Festplatte und viele gespeicherte Dateien (Mai 2010 bis Mai 2011 und vor 2000) waren futsch; den Rest konnte ich zum großen Teil irgendwie aus alten Sicherheitskopien retten.
Da ist mir mein Papierkram schon lieber, zudem spricht das Zeugs auch mehr meine Sinne an: sehen, tasten, riechen, hören (ja, das alte Papier knistert und hat einen Geruch. Und täglich schaut es mich aus den Regalen an, so dass ich es nicht vergesse. Aber wo, verflixt, in welcher Datei hab ich den tollen Spruch vom Don, der mir irgendwann -wann?- so gefallen hat, abgelegt?).
Ja, ich bin altmodisch.
.
(*)PS: Nettelbeck in der ZEIT möchte ich da ausnehmen.

... link  


... comment
 
Für's Foto Nummer 5 hätte sich meine Reise schon gelohnt.

Ein wunderbares Foto!

... link  


... comment