Tag am Fluss

Zwischen Coswig, einem typsch ostdeutschen Ruinenstädtchen, und Wittenberg, einem der wichtigsten historischen Irrenhäuser mit vorgelagerter industrieller Deathrow, ist die Elbe.



Schön, keine Frage. Muss auch mal sein. Der Irrsinn holt einen vier Kilometer weiter ein, aber davon ein ander mal.

Donnerstag, 31. März 2005, 01:06, von donalphons | |comment

 
Die Elbe
Es gibt übrigens von Dresden flußaufwärts auch wunderbare Motive. Mit und ohne Irrsinn in unmittelbarer Umgebung. Gerade dort, wo man die schönsten Bilder sieht, befinden sich ein paar Kilometer weiter die Dörfer und die kleine Stadt, von denen aus die NPD ihren Weg in den sächsischen Landtag begann.

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Zwiespalt
Das ist eine Welt des Zwiespalts. Bad Schandau, die Elbaue, all das ist wunderschön, auch der Durchschnitt der Leute ist erstmal nett. Während ich Sachsen-Anhaltiner als im Durchschnitt mufflig und tendenziell depressiv erlebe, sind die Oberland-Sachsen trotz des Gänsefleisch-Dialegds eher den Bayern ähnlich: offen, gesprächig, ein wenig laut, kontaktfreudig. Die Nazibrut ist dennoch ziemlich in der Bevölkerung verwurzelt. Die dortigen Antifas und Autonomen sind zwangsläufig auch härter drauf als im Westen. Ein Ossi-Bekannter brachte es mal so auf den Punkt: Westliche Neonazis sind Bürgerkids, die einen braunen Pubertätstrip pflegen, oder Burschenschafter, die zeitweilig geistig oder handgreiflich über die Stränge schlagen. Neonazis im Osten sind rechtsradikale Schwerverbrecher. Ganz so sehe ich es nicht, die Kameradschaften im Westen sind mindestens genauso hart, aber die Tendenz mag stimmen. Das Problem ist, dass die dort geradezu flächendeckend die Jugend integrieren - das hat es schon einmal gegeben. Für meinen Vater, der bei der HJ gewesen ist, stellte sich die Sache als eine Mischung aus Geländespielen und Lagerfeuerromantik dar. Die Integrations- und Rekrutierungsfähigkeit der Nazis in diesem Bereich ist brandgefährlich.

Wenn ich sehe, wie schön Dresden und Chemnitz wiederaufgebaut und restauriert wurden, wieviel Kultur dort ist, wieviel Geld hineingepumpt wurde und wie unzufrieden die Leute dort sind, so bin ich ratlos. Auch wieder sehr ambivalent: Mal denke ich, man hat an den Bedürfnissen der Leute vorbeigeplant und verstehe dann auch die Ostalgie, aber wenn ich Leute schimpfen höre und mitbekomme, dass sie auf die Wessis neidisch sind, aber nicht bereit sind, wirklich zur Verbesserung der eigenen Lage etwas zu tun, sondern immer neue Geldspritzen fordern, könnte ich kotzen.

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in Wittenberg sitzt
...die größte dt. Online-Apotheke (mycare).
Das ganze profitiert nachhaltig von den günstigen Preisen für Fläche und Leute.

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ja ja, che weiß immer bescheid
die stadt aus der die rechten kamen liegt nun wirklich im westen (bzw. süden), selbst der fraktionschef im dresdner landtag ist niedersachse.
die kultur war schon immer in dresden, august der starke war halt ein könig der nicht wie der olle friedrich sein geld in kriegen und den notwendigen 'langen kerlen' sondern in schlössern und kultur versenkte. daneben stand sachsen mit schöner regelmäßig auf seiten der verlierer.
naja und die verbitterung hat wichtige gründe: nein, es ist nicht das geld, geld, geld - nur leider sind alle entscheidungsträger in allen behörden und ämtern mit drittklassigen chargen aus den westlichen bundesländern besetzt - und sie haben immer noch keine ahnung. DIES ist es was selbst die doch eher gemütlichen 'kaffee'-sachsen auf die palme bringt. und die ewige verballhornung des dialektes dank ulbricht. ich weiß nicht wie du ohne des luthers bibelsächsisch sprechen würdest ?
chemnitz wiederaufgebaut ? ist wohl eher ein schlechter witz. und einkaufszentren auf dem dresdner altmarkt und die andauernd beabsichtigte verbauung der dresdner elbauen machen nicht froh.
ich komme selbst aus pirna, der einzig nach der vereinheitlichung verbliebene große arbeitgeber der stadt war eine vor jahren abgebrannte großschlachterei. der rest der stinkenden chemiebuden (kunstseidenwerk) und das strömungsmaschinenwerk (gasturbinen) ist alles platt.

also vor dem bilden von meinungen einfach mal informieren.
deswegen auch keine nachsicht bei der glorifizierung von linksradikal unromantischen bürgersöhnchen, Che. wünsche dir mal ein halbes kuba ohne grünen-burgunderfarbenen reisepass.

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Und sag nocheinmal jemand, hier würde nicht debattiert
Über die Herkunft der Neonazi-Größen weiß ich bestens Bescheid, mein Hinweis auf die Kameradschaften im Westen bezog sich auf Leute wie Heise. Dass die DDR von Nazi-Netzwerken aus dem Westen schon vor der Vereinigung systematisch infiltriert worden ist, weiß ich auch. Mit Kuba habe ich nichts am Hut, ich habe mir den Spitznamen Che nicht selber gegeben, sondern er wurde mir angehängt, markiert aber meine linksradikale Vergangenheit, die immer geprägt war von der Äquidistanz zum westlichen Kapitalismus wie zum östlichen Kasernenhofstaatskapitalismus. Ich weiß, was dort alles plattgemacht wurde. Aber sorry, ich habe auch Bekannte und Freunde im Osten, durch die ich mit einer ganz bestimmten passiven Jammerhaltung konfrontiert worden bin. Diese will ich nicht den Ossis als Solchen unterstellen, sondern ganz bestimmten Ossis. Da sind zum Beispiel solche dabei, die zum operativen Bereich der Stasi gehört haben, die sich rechtzeitig über Netzwerke und Seilschaften noch gute Jobs im Kulturbereich gesichert haben, jahrelang niemanden hochkommen ließen und jetzt, nachdem ihre Stellen ausgelaufen und sie arbeitslos sind, mit dem Schicksal hadern, die DDR-Vergangenheit verklären und behaupten, Arbeitslose im Westen seien nur arbeisscheu, wirkliche Arbeitslosigkeit gäbe es nur im Osten. Also bittesehr, vielleicht nicht sehr repräsentativ-aber selbst so erlebt.

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Warum die Sachsen nie zufrieden sind...
Als ebenfalls in Pirna Geborener erlaube ich mir noch einen Zusatz. Dresden sieht wieder verdammt schön aus, ähnliches gilt für Pirna und Meißen. Nach der Flut, wurde "einfach" nochmal alles wieder aufgebaut und angemalt. Und warum sind trotzdem so viele unzufrieden?

Neben der Problematik, der dritt- bis viertklassigen Beamten vor Ort, wissen die Menschen sehr wohl, dass all die schönen Rekonstruktionen und Neubauten zwar in "Ihrer" Stadt zu bewundern sind, aber eben nicht von Ihnen kommen. Sie haben Sie weder bezahlt, noch angeordnet, noch gebaut! Alles kommt irgendwie von außen. Meistens auch noch "aus'm Westen". Halt irgendwie nix eigenes! Genau das verstört die sächsische Seele.

Naja und Sie haben keine echten regionalen Helden! Kaum Integrationsfiguren! Es gibt nur ein paar Sportler und darüber hinaus Unterhaltungskünstler, gerne auch mit langer DDR-Vergangenheit (Emmerlich, Nebel und Co.). Mehr dazu in der "Super-Illu"... Tja nur aus den Bereichen Politik, Wirtschaft u.s.w., da sieht es mit sächsischen Perlen eben verdammt matt aus! Und wenn sich einer oder eine doch anschickt, dann geht er oder sie dann besser doch "in den Westen"...
In der Not wurde dann kurzerhand so einer wie Biedenkopf ("König Kurt") mal zum Ehrensachsen erklärt.

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warum nich
dann schreibs auch che, geht doch...
naja aktuell wohne ich 1 jahr in aachen und ich nicht kann nicht mehr die reaktionen der kinobesucher der vorreihe bei 'schultze get the blues' fassen. soviel dumme kommentare auf einer sitzreihe unglaublich.
meine ex aus oldenburg, die über leipzig finanziert wird war in 33 jahren gerade mal in leipzig (so für 4 tage) und in kreuzberg bei ihrer besten freundin (wo ich sie kennenlernte). sie wurde richtig panisch als es spruchreif wurde, das sie evtl. dort arbeiten müßte. und dies in 2004. das gesicht sprach bände als ich kommentierte 'gehste halt hin.' so von wg. jammerhaltung.

nebenbei will ich nach pirna (16j), dresden (1j) , ludwigshafen (3j), germersheim (1,5j), rain am lech (1j), würzburg (5j), berlin (11j.), aachen (aktuell 1j) irgendwann wieder nach dresden zurück. spätestens zum elbhangfest !

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... und schon wieder eine ganze Seite voll Gejammere.

Aber wenn die ganzen Spezialisten schon mal versammelt sind kann mir unter Umstaenden ja mal einer erklaeren welcher "drittklassige Wahlhelfer aus dem Westen" bei Landtagswahlen in Sachsen die "braven saechsischen Waehler" im Dunkel der Wahlkabine in den Wuergegriff nimmt und die klammen Fingerchen zwingt ein Kreuz bei der DVU zu machen?

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die DVU tritt in Sachsen gar nicht an
nur Bremen, Sachsen-Anhalt...

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Ach so - das klaert meine Frage, Danke.

Abstrahieren finde ich auch doof.

(erstklassige Antwort btw.)

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Hm. Ich wollte nur erzählen, wie schön die Elbe ist. Und ein Bild zeigen. Ich habe auch noch anderes Material, wo diese Debatte besser passen würde. Aber warum nicht reloaden.

Im Übrigen lese ich diese Debatten wirklich gern. Danke an die Autoren.

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genau das isses... franz brandtwein
knapp daneben ist halt vorbei. und bevor ich irgendwas erzähle sollte ich eben ahnung von was haben.

zum glück zwingt sie niemand ein kreuz zu machen, das war bis '89 genug vorhanden mit 98,7% der wählerstimmen der nationalen front. wilder begriff, fällt mir eben erst auf.

aber die antwort auf deine frage steht doch bei 'Frab', alles wird vorgesetzt und die sachsen neigen dann eher zum köcheln auf hoher flamme und machen generell aus prinzip alles anders. auch wenns nicht richtig ist.

vor allem ist es nicht richtig ihnen die welt zu erklären, denn die kennen sie bereits und haben sie sich umgehend zu gemüte geführt.
der sachse im allgemeinen weiß zuviel, da er schon durch seine fortlaufende neugier schon zuviel gesehen hat. dieses meines völkchen ist wohl eher unregierbar. orginalkommentar des letzten königs nach erzwungener abdankung: "macht doch euern scheiß allene."

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btw elbe
bin letztes jahr von magdeburg bis hinter die tschechische grenze per fahrrad unterwegs gewesen, vor allem weil ich diese über riesa nicht kannte. wunderschön - unverbauter fluß, schöne städte.

habe mich damals nur über meine westdeutschen freunde geärgert, die nix besseres kannten als die einheimischen im dialekt nachzuäffen. sowas tut weh.

replay: -> vor allem ist es nicht richtig ihnen die welt zu erklären.

historikerkommissionen die erklären, och es waren ja nur angeblich
25.000 bombenopfer in dresden. nächtes jahr sinds dann gar keine mehr. DIES macht die leute wütend.

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Zwiespalt in Sandstein
Che hat Recht: es ist eine Welt des Zwiespalts. Um so mehr sieht man das, wenn man in Dresden wohnt und mit dem Fahrrad nur etwa eine Stunde bis in diese wunderbare Landschaft braucht. Er hat auch Recht, wenn er von der Integrationsfähigkeit der Rechten spricht. In dieser Gegend gab es die "SSS" (Skinheads Sächsische Schweiz), eine Jugendorganisation der Rechten, gegen die viel zu spät und ziemlich ungeschickt eingeschritten wurde.
Warum war das Elbsandsteingebirge die Basis des NPD-Erfolgs? Die NPD hatte ihre ersten Erfolge bei Kommunalwahlen und ganz besonders stachen dabei einige Orte im Elbsandsteingebirge hervor. Dort wurde die Basis für die Landtagswahlen geschaffen.

Die NPD ist weder nur ein Ostproblem noch nur ein Westproblem. Knapp zehn Prozent der Sachsen haben sie gewählt, dafür müssen sie nun geradestehen. Richtig ist aber auch, dass rechtzeitig vor der Landtagswahl auswärtige NPD-Funktionäre in Sachsen ihren Wohnsitz angemeldet haben. Anders als damals bei der DVU in Sachsen-Anhalt oder Brandenburg gibt es nun auch ziemlich clevere rechte Abgeordnete und sie machen die eigentliche Politik. Erstmals seit dem Wahlerfolg der REP in Baden-Württemberg hat eine rechte Partei wieder relativ schlaue und deshalb gefährlichere Abgeordnete in einem Landtag sitzen.

Noch zu einigen Kommentaren: Die Bebauung der Dresdner Elbauen wird nicht stattfinden (Hochwassergefahr). Es gibt in Sachsen relativ wenig echte Beamte und die kommen heute auch vorwiegend aus dem Osten, über die Qualität sage ich lieber nichts :-) -- Entscheidender ist, dass viele wirtschaftliche Entscheidungen von den Stammsitzen der Firmen im Westen aus getroffen werden.

Der Dresdner an sich ist eigentlich sehr stolz auf den Wiederaufbau der Stadt und hat auch weniger Grund zum Jammern. Das fast wiederaufgebaute Schloß oder die Frauenkirche werden nicht als "von außen" kommend empfunden. Wirklich gejammert wird in der Oberlausitz, im Erzgebirge und im Elbsandsteingebirge, wo ein Großteil der Jugend wegzieht und wo die wirtschaftliche Situation sehr schlecht aussieht.

Die Zahl der Dresdner Bombenopfer ist oft missbraucht worden, sie liegt wahrscheinlich zwischen 25.000 und 35.000 Menschen. Die Diskussion sollte man nun ruhen lassen, das hilft niemandem mehr.

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Stimmt genau, Stefanolix. Die Jammerer, von denen ich schrieb, sind aus Chemnitz und aus Hoyerswerda.

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