: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 1. April 2005

Real Life 01.04.05 - CD-Kids

Sie ist entgegen den Versprechungen nicht da. Unten habe ich den Schlüssel, oben hat sie das Schloss austauschen lassen, und so stehe ich mit meinen Sachen vor ihrer Tür und komme nicht rein. Alles Läuten vergeblich.

Nach einer Weile geht die gegenüberliegende Tür auf, und der Junge steckt seinen Wuschelkopf raus. Hi, sagt er, respektlos wie immer. Typen wie er rennen ständig irgendwelche Anzugträger vor den Nase rum, da ist mit Respekt nichts zu erwarten. Wir kennen uns: Ab und zu, wenn ich da bin, schliesst er sich aus, und holt sich dann bei ihr den Schlüssel. Oder lässt sich aufsperren, wenn er ihn nicht mehr ins Loch bekommt. Kam aber bislang nur einmal vor, bei einer Party. Jetzt ist er ok, kratzt sich am Kinn, wo der erste Bart spriesst, schiebt sich die Sonnenbrille von den Augen und sagt: Sie ist nicht da, vor einer Stunde oder so ist sie gegangen.

Super, sage ich.

Hey, nett, sagt er und zeigt auf das alte, chinesische Regal aus Mahagoni, das ich hochgetragen habe. Für sie? Du kannst es ja so lange mal bei uns unterstellen, ich sag ihr dann nachher Bescheid.

Ich trage das Ding in seine Wohnung, ober besser gesagt, die seiner Eltern. Draussen vor dem Fenster plätschert die Isar, und ein paar seiner Kumpels und Mädchen sind da, sitzen auf englischen Ledermöbeln an der Fensterfront und hören Goa-Trance auf einer Anlage, mit der man auch den Raumklang der Westminster Abbey herstellen könnte. Oder auf der anderen Seite der Isar die Fenster zersprengen, je nach Lust und Laune. Aber das wollen sie nicht, sie sind ziemlich relaxed, was auch an dem Joint liegen könnte, den sie gerade rumreichen. Eins der Mädchen ist aschfahl im Gesicht und hustet. Der Junge schenkt mir einen Orangensaft aus einer grotesk überschliffenen Whiskeykaraffe ein und fragt, was in Berlin zur Zeit so los ist, ob die den Tresor wirklich dichtmachen und ab man das Zeug am Mauerpark immer noch so easy wie letztes Jahr bekommt. In zwei Wochen will er mit ein paar Freunden kommen, da ist sowieso so ein Event in der Botschaft.

Das aschfahle Ding nimmt noch einen Zug, und diesmal geht es besser, sie hustet nicht, wahrscheinlich, weil sie es nicht in die Lunge gezogen hat. Die anderen kichern grundlos. Draussen knallt die Sonne vom Himmel, und ein kühler Wind verweht die krausen Haare meines jugendlichen Gastgebers. Es dauert noch, bis seine Eltern kommen, bis dahin wird der Gestank verflogen sein, und wenn nicht, ist es wahrscheinlich auch egal.

Als ich gehe, verabschieden sie mich in ihren jeweiligen Akzenten, arabisch, französisch, und wahrscheinlich auch nordisch, und widmen sich dem Drehen der nächsten Tüte. Was soll man an ihrer Stelle, in einem immer noch fremden Land ohne echte Bindung auch sonst an so einem Nachmittag tun.



Ich gehe runter an den Fluss und schaue Kleinfamilien und ihren Hunden beim Spielen zu.

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Smart

Einer der letzten Reste der New Economy wird radikalsaniert: Das quietschbunte Praktikantenauto schlechthin, die rollende Werbetafel, das Ding, das sie alle hatten, der Sushi Express, die Internet-Gewinnspieler, die Telco-Töchter mit ihren verbuddelten Glasfaser-Milliarden. Genau das richtige für die kurzen Strecken von Startup zu Startup in den New Media Clustern, schon etwas störend von Schwabing bis in die Rosenheimer Strasse.

Und ganz sicher nichts für die langen Strecken. Jetzt wird die Neuerfindung des Autos gestoppt, wie schon die meisten New Economy Spinoffs alter Firmen. Der Smart war autogewordene Startup-Kultur. Und am Ende eine Rebellion ohne Markt. 20 Punkte bitte - noch zuckt da was. Aber nicht mehr lang.

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