Der kommende Winter der alten Medien

Gestern war es endlich so weit. Das Esszimmer habe ich in einem sanften, sehr warmen Rotton gestrichen, weil ich eine Vision hatte: Wie es sein muss, wenn es draussen kalt ist und auf dem grünen Stadtpalast danaben der Schnee liegt, ich aber auf meinem Chesterfieldsessel neben der Heizung sitze, alles ist warm und angenehm, und vor dem Fenster, flankiert von zwei kleinen Stehlampen, die mein Leben in ein mildes Licht tauchen, erstarrt die Welt in Eis. Das war der Plan, und man sieht: Es war nicht die dümmste Idee meines Lebens.



Hier also lässt es sich gut überstehen. Die Arbeit, die hier verrichtet wird, ist angenehm, und das Büro hat auf der Festplatte genug Platz. Kabel sieht man hier nicht, die Daten kommen über die Luft, und da draussen ist keiner, der sich bei diesen Temperaturen einklinken würde.

Und damit bin ich auch real in einer Lage, mit der ich heute dem Journalismus gegenüber stehe, dieser alten, aussterbenden Gattung der Informationsvermittlung. Ich habe in den letzten Wochen mit sehr vielen Medienvertretern über Ideen und Konzepte gesprochen, und wenn ich etwas mitgennommen habe, dann ist es die Erfahrung der Erfrierungen, die Angst und Unsicherheit in ihnen hinterlassen haben. Die meisten sind sehr, sehr lange dabei, haben anerkannt weitaus mehr Erfahrung als ich, aber sie haben den Eindruck, "draussen" zu sein. Sie verstehen nicht mehr, was sich geändert hat, sie sehen, dass es kälter wird und andere dennoch auf selbst gekauften warmen Sesseln sind, aber wie das geht, ist ihnen nicht klar, und auch nicht zu vermitteln.

Schon gar nicht von meiner Seite aus. Ich halte mich für nicht reproduzierbar, ich bin eine "Marke", wenn man so will. Die Ironie, dass ich noch nicht mal real bin, ändert auch nichts an den Folgen der virtuellen Fakten. Es gab da einen Verlagsvertreter, der mir von Überlegungen erzählte, sich selbst so eine Art Blogbar oder Basicthinking aus seinen Redakteuren basteln zu wollen. Als ob man, nur weil man Shakespeare, Miller oder Villon liest, auch so schreiben könnte. Als ob man durch Dranhängen an die Themen der Blogs selbst gute Inhalte hätte. Als könnte man sich ein gewachsenes Interieur mal schnell bei Ikea zusammenkaufen. Dass sie es nicht öffentlich versucht haben, zeugt von einer gewissen Intelligenz, aber allen der Umstand, in welchen Strategien da gedacht wird, zeigt die Hoffnungslosigkeit der Leute auf.

Das Internet hat alles verändert. Ich weiss nicht, ob sich das schon mal jemand verdeutlicht hat - aber die beiden besten Tageszeitungen Deutschlands, FAZ und Süddeutsche, sind online recht kleine Nummern. Obwohl die Reichweite grösser ist, obwohl es nichts kostet - sie sind im Vergleich zu Wochenmagazinen die klaren Verlierer. Sogar der Stern mit seinem erbärmlichen Angebot liegt vor ihnen. Und was tun sie? Sie verklagen den Perlentaucher, weil er im Netz darauf hinweist, dass sie im Print gute Angebote haben. Es ist kalt da draussen, und schuld an der globalen Abkühlung ist die Verschmutzung des Internets, deshalb hassen sie es, wie ein dömonengläubiger Bauer des Mittelalters, der im Unwetter die bösen Geister und den Vorboten des jüngsten Gerichts sah. Was es definitiv nicht ist, es ist eine Veränderung, und die kann man gestalten. Indem man dazu beiträgt.

Und das ist das einzige, was sie von hier drin lernen können: Das Beitragen. Das Hergeben. Das Mitmachen. Das Licht ins Fenster stellen. Ein wenig Ehrlichkeit und persönliche Ansprache. ich höre immer nur, dass es nicht geht, aber ich habe die StudiVZ-Angriffe auch überlebt. ich sehe immer nur Kommentare mit Anmeldung und dann drei Kommentare, bis ich weiterclicken muss. Sie wollen keine Leser, sie wollen Clickvieh. Ich sehe niemanden, der überlegt, wie man von den Tausenderkontaktpreisen runter kommt, die Onlinemedien so schlecht nutzbar machen. Ich sehen Leute, die sich in den Schnee legen und dort verharren, weil es dort im Sommer ja auch warm war, es muss also gehen.

Und dann ist da noch die Sache mit der Zeit: Online ist schnell, aber es geht langsam. Markenaufbau und Glaubwürdigkeit im Internet ist ganz, ganz schwer, das geht nicht von heute auf morgen wie bei der Einführung eines Printtitels. Man muss es irgendwie schaffen, in eine Art "Blogroll", die Abozeitung des Internets zu kommen, dann hat man die Basis für eim solides Geschäft - wenn hier mal die Printkrise mit voller Wucht einschlägt. Ich habe dazu keine Statistik und keine Marktuntersuchung, nur eine Meinung, etwas Erfahrung und Zeit zum Nachdenken in einem warmes Zimmer.

Was aber schon sehr viel ist, verglichen mit den Machma-Idioten und Huschhusch-Scharlatanen, die landauf landab für den Ausbau der Onlinestrategien zuständig sind.

Mittwoch, 24. Januar 2007, 07:42, von donalphons | |comment

 
Traurig ist auch, dass der potenzielle Nachwuchs zum größten Teil genauso denkt. Sie wollen "unbedingt Journalist" werden, aber interessieren sich kein bisschen dafür, wie es im Journalismus aussieht. Klar, sie haben Angst, dass sie kein Volo bei der Lokalzeitung bekommen, bei der sie schreiben, weil sie immer noch glauben, damit stehe ihnen die Zukunft offen. Dann machen sie sich selbst Mut, bei ihnen werde es aber schon klappen - und im Zweifelsfall halt noch ein Praktikum. Oder sie suchen noch eine freie Mitarbeit, "natürlich unbezahlt" (O-Ton). Sie sind mit dem Internet aufgewachsen, schaffen es aber allenfalls zu StudiVZ zu klicken. Es ist zum Heulen.

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Ein Volo ist heute aber auch echt schwer zu bekommen. Viele bringen es eben nur zur freien Mitarbeit, und als Lebensperspektive ist das doch etwas mager, weswegen sehr viele Journalisten früher oder später in der PR landen. @Don: FAZ? Ich würde ja als beste deutsche Tageszeitungen FR und Süddeutsche einordnen, und Tagespudel und Weserkurier tendenziell vor der FAZ .

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@che2001: Naja, die FAZ ist schon eine sehr gute Zeitung. Und den Weserkurier vor sie zu stellen ist schon fast pervers. Da doch lieber die Glocke!

Ansonsten kann ich dem nur zustimmen: Journalistenwunsch hin oder her, das Ziel die Wahrheit zu schreiben in allen Ehren, aber Nahrung muss her und die Löhne in der Branche sind ja nicht gerade berauschend. Deswegen bin ich in der PR.

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Print und die Selbstheit
Wir sind gerade umgezogen und haben den Fernseher jetzt nicht mehr im Wohnzimmer. Ergebnis: Es wird gelesen, was das Zeug hält. FAZ, FAZ Sonntag, ZEIT, SZ, FTD, FT, Spiegel, Autobild, Auto Motor Sport.
Eigentlich wollte ich auch einmal eine unabhängige Internetzeitung machen und habe das auch Don vorgetragen, aber jetzt freue ich mich doch über die opulenten und vor allem vielseitigen Printausgaben. Da muß man nicht immer schon wissen, was man will. Das Internet versucht ja, rein nachfragerecht zu arbeiten, suchmaschinengemäß.
Aber ein Journal oder ein Buch ist eher angebotsorientiert: Blätter doch und bleib irgendwo hängen.
Es wird Print so gehen wie der katholischen Kirche: Mit der Konzentration auf die eigene Selbstheit werden die bleiben, die das schätzen und jene gehen, denen das immer schon zu kompliziert war.
Keine schlechte Perspektive.

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Übrigens - es gibt auch Bücher.

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Ich denke, es wird sich beim gedruckten Wort aufteilen: Trash wird ins Internet gehen wie auch eine gewisse Qualität, Bücher und hochwertige Zeitungen werden auf Papier bestehen. Bücher sicher, Zeitungen in Grenzen.

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Wobei ja gerade
die von Dir genannten Zeitungen den Riesenvorteil haben, im Internet keine Markeneinführung mehr machen zu müssen. sie müssen den guten Namen einfach nur im virtuellen Bereich mit gutem Content füllen. Langsam spricht sich herum, dass so etwas möglich ist. Man sieht es an den stellenangeboten für Journalisten. Allerdings werden diesmal nicht die Ersten die Letzten sein. Dabei wäre es nicht so schwer, Marktführer wie SPON zu toppen. Das Blumenkron-Produkt ist ja alles Andere als fern jeder Kritikmöglichkeiten. Aber ich glaube, du warst zugegen als Blumenkron behauptete, das SPON ein Blog ist. Was oll man da dann schon erwarten?

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Das ist so nicht ganz richtig: Dieses bescheidene Blog hier hat zusammen mit der Blogbar mehr Traffic als die Heimatzeitung mit 8 Jahre altem Netzauftritt und 70.000 er Auflage im Print. Und das alles muss auch noch kostendeckend sein, bei dem Overhead, den Medien so mit sich rumschleppen.

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Aber ich glaube, du warst zugegen als Blumenkron behauptete, das SPON ein Blog ist.

Nee, das war ich. Hat Blumencron mal öffentlich auf einer Podiumsdiskussion in Hamburg erzählt. Es wurde laut gelacht.

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Ich möchte betonen, dass die Mail auch nicht von Blumencron kam und der Empfänger kein Reifenkonzern war. 4000 wäre in diesem Umfeld auch sehr billig.

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Einrichtung
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber irgendwie sieht das aus wie bei meiner Oma auf dem Speicher. Der Teppich passt einfach nicht zu den eh schon häßlichen Sesseln und ganz furchtbar sind die Kabel an der Wand. Da muss mal jemand mit Geschmack dran.

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Nun:

Die Sessel sind sicher nicht jedermanns Geschmack. Aber sie sind zum Lesen ideal und ansonsten klassisch - aus englischer Sicht. Den Teppich kann man auf dem Bild nicht erkennen, aber er hat das richtige verwaschene Rot für die Wand. Die Steckdosen auf halber Höhe hatte man so in den 20er Jahren, als man das nich zeigen wollte. Und ich bin, was erhalten angeht, recht konservativ.

Ansonsten hätte ich Interesse an einem Ortstermin im omalichen Speicher, die Welt ist schliesslich voll von Leuten, die das Gute nicht achten und es billigst hergeben.

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speicher with a view
+ beleuchtung? das könn Sie Ihrer oma erzählen!

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Cooler, alter Sessel:
mal sehen, ob hier Bilder gehen...

[URL=http://img22.imagevenue.com/img.php?image=43976_sessel_122_315lo.jpg][IMG]http://img22.imagevenue.com/loc315/th_43976_sessel_122_315lo.jpg[/IMG][/URL]

Ich in den 70ern bei Oma. Der Sessel stammt aus den ganz frühen 1950ern, noch vor der Erfindung des Cocktailsessels. Ist wohl ganz spätes Art Deco. Hatte noch diese Holzklötzchen als Füße.

Leider wurde die ganze, noch sehr gut erhaltene Garnitur wenige Jahre später gegen was moderneres eingetauscht. ;-(

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Es ist dieser gestreifte Samt, stimmt. Das war in den 50ern bis 70ern der letzte Schrei und vor Einführung der Ledergarnitur mit das Beste, was man bekommen konnte. Allerdings ist die Form viel klassisch-gerundeter. Und nach langem Suchen habe ich inzwischen auch das Herstellerwapperl gefunden: Bielefelder Werkstätten. Gar nicht schlecht.

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Das Problem ist vorgelagert - beim Marketing der verehrten Kundschaft aus der Geschäftswelt. Solange eine Zeitung - ob off- oder online - nicht mit Aussicht auf Interesse sagen kann: Wir haben zwar keine 100.000er Auflage, aber dafür 2.000 «Qualitätsleser», so lange kann sie unter den heutigen Bedingungen ihren Anzeigenkunden nur eine 98.000 Auflage ganz ohne jeden «Qualitätsleser» anbieten, weil die längst geflüchtet sind. Und die Redakteure schreiben nolens volens eben für eine Kundschaft ohne Qualitäten vor sich hin. So sieht's doch heute aus. Das Kernproblem aber: Das Marketing denkt immer noch in "Massenmärkten", so haben sie's gelernt, das kriegst du aus ihnen nicht raus.

Beide Geschäftsmodelle drücken übrigens die Preise, die einfach nicht zu halten sind: Golden days are over ...

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Allerdings hat es auch noch kaum eine Online-Publikation geschafft, glaubhaft nachzuweisen, dass sie die gesuchten Qualitätsleser in signifikanter Anzahl bindet. Die Tausenkontaktpreis-basierte Printplanung anhand Reichweite und soziodemographischen Merkmalen mag nicht die beste aller Welten sein. Gemessen daran ist aber die cost-per-click- oder cost-per-order-Abrechnung, die oft Grundlage der Online-Vermarktung sind, ein Hütchenspiel mit verbundenen Augen, auch wenn die klickzahlengläubigen Onliner gerne anderes behaupten.

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Nun, es gibt sicher vermehrt das Mittel "Firmen sponsorn Journalisten". Das kann gut werden, wie bei der Lamborghini-Hauszeitschrift, oder eben so wie der Fall, der gerade durch die Redaktionen geistert: Da verkauft ein Chefredakteur das Cover an die PR. Für 4000 Euro.

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Verkaufte Cover? Das wäre ein Sonderfall?
Als ich vor vielen Jahren noch jung und dumm war und glaubte, meine Zukunft läge im Verfassen von Texten für Geld, damals also war das Cover einer von 4 Farbwerbeplätzen die pro Umschlag verkauft wurden.

Und ich bin mir ziemlich sicher, daß das heute noch so ist.

Vielleicht nicht wenn der jeweils neuste Politskandal am Cover ist. Obwohl....

P.S. 4000 Euro kommt mir allerdings rcht billig vor, für ein Cover.

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@ mark793: Die Tausendkontaktpreis-Anzeigenindustrie mag bleiben, wo sie ist. Ein paar manipulierbare Hanseln gibt's auf der anderen Seite der Grenze ja noch.

Aber das Angenehme am Web 2.0 ist ja u. a., dass man hier nicht mit dämlichem Anzeigen-Spam dicht geschmissen wird. Bevor sich das Marketing nicht von dem zugegebenermaßen naheliegenderen Gedanken trennt, dass es oder gar die Agentur bestimmen dürfe, was in ihren Anzeigen steht, so lange kriegen sie im Web 2.0 auch wie bisher keinen Stich. Sie gucken sich ihre Anzeigen dann nämlich weiterhin alleine an.

Es ist eben nicht mehr so, dass derjenige, der die Musik bestellt, bestimmen darf, was gespielt wird. Umdenken fällt schwer, ich weiß, aber "Anzeigen" (wenn sie dann noch so heißen) werden zukünftig zu den Diskussionen passen müssen.

Kundenorientierung heißt das ja wohl, sollte eigentlich ein alter Hut sein ...

Zu Online: Eine "Zeitung" passt m.E. nicht zum Internet. Einfach ein Printmedium optisch, stilistisch und stumpf auf dem Bildschirm abbilden, haut nicht hin. Wenn ich wüsste, was hier die Zukunft ist, könnte ich mir derzeit als Vortragsreisender eine goldene Nase verdienen. Ich denke aber zum Beispiel, der "Autor" als Subjekt kehrt in den Text zurück und verdrängt den "Nachrichten-Journalisten", der auf seine Objektivität stolz ist, die meist ja nur seine Fähigkeit zum furztrockenen Bürokratie-Stil ist. Den Wandel werden viele "Nur-Journalisten" nicht überleben, andere flüchten in die Banalitäten-Zoos und "Kitsch-Industries" der PR, andere entdecken künftig vielleicht ihre "Autorschaft" ...

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Die Kaufmail
Es schreibt also der Chefredakteur (Aus Versehen nicht nur an die PR, sondern an ALLE):

Liebe Frau Xxxxxxx,

Wir würden gerne eine Cover Story zu xxxxxx bringen. Ich hatte seiner Zeit mit Xxxxx Xxxx und auch mit Xxxx Xxxxx über diese Möglichkeiten gesprochen. Bitte erfragen Sie doch mal, ob jetzt nicht ein richtiger Zeitpunkt wäre...

Für eine Cover Story berechnen wir einen Unkostenbeitrag von 4000 €, da wir ein kleiner Verlag sind.

Ich antworten Sie mir bald, ob dies für Sie in Betracht kommt.

Mit freundlichen Grüßen,
Xxxxxxx

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