: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 4. November 2004

Monochrom

Sie hasst es. Sie will nicht photographiert werden, schon der Gedanke ans still sitzen oder gar liegen bereitet ihr seelische Qualen. Aber jetzt muss es aus irgendeinem, dir nicht genauer mitgeteilten Grunde doch sein, ja, sie verspricht nicht zu jammern, aber sie stellt die Bedingungen. Schwarzweiss sowieso, es sollte aussehen wie ein Bild aus den 20er Jahren, ganz scharf, weil sie grosse Abzüge machen will, und trotzdem "irgendwie so weich, du weisst schon", weil sie schön sein will, und keinesfalls so ein hässliches Digitalbild.

Deine Bedingung - auch ein, zwei erotische Bilder, nur mal so zum Ausprobieren - quittiert sie mit einem marzipanweichen "Vielleicht". Du bist froh, dass du viel Geduld und eine russische Kopie der Leica II besitzt. Du brauchst jetzt eigentlich nur noch nicht allzu gutes Filmmaterial, um diese typische 20er-Jahre-Körnung hinzubekommen. Illford ist viel zu gut und scharf, die DDR-Orwo-Filme sind längst vom Markt verschwunden. Aber du hast vor kurzem bei ihr in der Nähe ein Geschäft gesehen, das Monochrom heisst und sich auf Schwarzweiss spezialisiert hat.



Wie es mit ihr ausgeht, steht bei Restaur.antville

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Strasse der Verlierer

Fanatiker, Irre und Psychopathen sind, als Einzelpersonen, nicht nur zu ertragen, sondern auch wichtiges Korrektiv jeder Gesellschaft - zumal, wenn sich später irgendwann mal erweisen sollte, dass sie doch nicht ganz Unrecht hatten, mit ihren Ideen. Schlimm wird es nur, wenn sich die Durchgeknallten zusammenrotten, sich auf einen grösstmöglichen gemeinsamen Nenner einigen - in der Regel die Übernahme der Weltherrschaft - und in ein Dorf, eine Stadt oder eine neudeutsche Area oder Cluster ziehen. Dann fällt die nötige Reibung mit der Realität, die verändert werden soll, weg. Dann fangen sie an zu glauben, dass ihre Realität schon erreicht ist.

Man muss sich doch nur umschauen. Da hinten bestellt eine ihr Essen über Internet. Da drüben redet jemand mit der neuen dependance in Shanghai, wo auch alle so denken. Shanghai rules sowieso, da sitzen vielleicht Freaks. Und ein Stockwerk drüber ist die Kommunikationsagentur, die das schon richten wird, wenn mal doch jemand da draussen glauben sollte, dass er noch mit seinem alten Scheiss etwas zu melden habe. Die Jungs vom Filmwerk werden das der Mehrheit schonend, witzig und nachhaltig beibringen.



Oder auch nicht. Besonders, wenn die Kommunikationsstrategien der Irren nur von den nächsten Durchgeknallten zu verstehen ist. Da helfen keine grossen Etats, keine Werbekampagne, nichts. Irgendwie muss man den Opas, den kleinen Angestellten und den Hausfrauen mal erklären, warum sie all das Zeug, das Credo der Cluster, die Ideologie der Areas gauben sollen. Denn nur 10 Meter davon entfernt gelten sie bestenfalls als komische Typen, die was tun, was niemand versteht.

Dann verschwinden erst mal ein paar Schilder, und dann, wenn es doch etwas heftig werden würde, bleiben auch Schilder da, wenn die Leute schon weg sind. Die Schilder exopandieren sogar manchmal, auch wenn die real bewirtschafteten Räume schwinden. Aber der Club heisst immer noch Rheingold. Das, wie man wüsste, wenn man sich ernsthaft mit alter Kultur auseinander gesetzt hätte und nicht nur zu Wagner gegangen ist, um den japansichen Geschäftspartnern vor der Bordelltour noch einen Freundschaftsdienst zu erweisen, das also bei allem Funkeln und Gleissen den Besitzern und allen, die danach strebten, zum Verderben gereichte.

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