: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 30. Dezember 2004

Die entbehrlichen Liebschaften

Ob ich sie noch attraktiv finde, will Iris zwei Stunden später wissen, direkt und ohne das Herumreden um den heissen Brei, das wir jetzt schon seit zwei Stunden an diesem opulenten Frühstückstisch praktizieren. Wir beide wissen, dass es kein Angebot ist und deshalb auch keiner Nachfrage bedarf, also sage ich einfach nur: Ja, Scheidungen machen Frauen immer schön, gewitzt und erfahrener. Und das mit der Leere in ihrem Leben wird sich mit der Zeit auch noch geben, setze ich hinzu und frage mich, ob ich sie nicht anlüge, denn...

Denn für dieses Szenario gibt es keine Erziehung und keine Erfahrungen. Unsere an sich sehr liberalen Eltern, die um 68 herum Kinder bekamen, haben im Marsch durch die Institutionen brav die Zähne zusammen gebissen, die Ehe tapfer trotz aller Agonie und Ödnis durchgestanden, allein schon wegen uns, und nach 20 Jahren war es dann auch schon zu spät für den Neuanfang; nur wenige entschieden sich hin und wieder für einen vorzeitigen Schlussapplaus, über den man aber nicht laut sprechen durfte; nur beim Kaffeeklatsch tratschen. Scheidung war einfach nicht vorgesehen, zumal ohne triftigen Gründe wie die, die heute morgen berichtet wurden. Ich wüsste gern, wie hoch die Scheidungsrate ohne Psychopharmaka wäre.

Das Zeug hilft auch bei Langeweile, Überdruss, Sinnkrise und Blicken in den Spiegel. Es hilft, das Nichts als etwas Erfüllendes zu begreifen, es verpasst der eigenen Bedeutungslosigkeit eingebildete Relevanz, es beugt dem Wissen vor, dass es in 50 Jahren auf den gleichen blöden Friedhof in das gleiche Loch geht, in dem schon 3 frühere Generationen lagen. Und dabei war die Ehe in ihrem Fall mehr als nur ein Steuersparmodell; ein Teil der Sinnsuche mit einer Erkenntnis, die sicher nicht beim Frühstück bei einem alten, lange Zeit vergessenen Freund so negativ ausfallen sollte. Es gab keinen Lover, keinen Ausrutscher, keine Begierden, keinen Skandal, keine gefährlichen Liebschaften, keine Verführung, kein heimliches Verlangen, nichts - es ging einfach in die Brüche, aus, vorbei, nicht nur die Ehe, sondern eigentlich auch ihr Leben. Und was jetzt?



Laclos verweigert am Ende seiner Liebschaften der Leserschaft sowohl das weitere, grausame Schicksal der Marquise Merteuil, als auch das tugendsame Dasein des gefallenen, aber wohl durch die Ehe geretteten Fräuleins von Volanges. Laclos sei ein kalter Geist gewesen, heisst es, er wollte das Grauen für das Monster und die Reue der Sünderin den Lesern überlassen, um deren Wirkung in ihrer Phantasie noch zu steigern.

Vielleicht hatte Laclos aber auch nur etwas Mitleid mit seinen amoralischen Gestalten, für die es so oder so keine Erlösung geben konnte, und für die das Spiel an sich die Daseinsberechtigung war, nicht dessen Ergebnis. Vielleicht wollte er nicht fortfahren, um keinen unglaubwürdigen Schluss für das dumme, kleine Ding der Volanges erfinden zu müssen - irgendwas mit einer harmonischen, sauberen Ehe.

Im Judentum, sage ich zu ihr, ist die Scheidung kein Drama wie bei Euch Christen; wenn der Mann nicht mehr in der Lage ist, die Frau zu befriedigen, soll sie sich scheiden lassen.

Das hätte ich in den Flitterwochen wissen sollen, platzt es böse aus ihr heraus, und da ist sie wieder, die alte, fiese Giftspritze, die Merteuil in ihr gräbt sich aus dem Grab des Unterbewussten ans Licht, etwas hat überlebt, und das Spiel kann wieder beginnen, denn sie hat etwas einzusetzen - sich selbst. Waaas, setzt sie später mit langem A an, machst Du eigentlich morgen Abend, an Silvester?

Ist das ein Angebot, frage ich.

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Immer wieder schön:

Die "News-Frankfurt", die in der ansonsten ehrenvollen Verlagsgruppe Handelsblatt eine neue Einstiegsklasse bei der Qualität und journalistischem Ethos setzt - Ansprüche mindest so hoch wie eine plattgetretene Kakerlake - zeigt im Falle Schockwellenreiter, was sie mehr oder weniger drauf hat: Da wird in der Zeitung dem Herrenreiter ein Zitat aus einem Kommentar einer anderen Person unterstellt - und gefragt, ob das Rechtens ist, siehe Urheberrecht, wurde da mitmasslich auch nicht übermässig. (via IT&W)

Heute gingen noch nicht mal 3 Seiten Werbung jenseits der Seiten für eigene Verlagsprodukte weg - und statt 48 Seiten waren es nur wieder 40. Aber lieber auf Knien leben, als...

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