: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 5. Mai 2005

Die den Spargel häuten

In Zeiten moralischer Oberflächlichkeit, in der man eine doppelte Moral günstiger auf dem Markt bekommt, denn wohlfeilen Applaus des Publikums für das Fehlen jeglicher Moral, kann es also nicht unterbleiben, dass sich mancher selbst sein Leben zurecht schnitzt; wo gedübelt wird, da fallen unschuldige Späne, und wenn schon die Haut nicht mehr zum Markte getragen, sondern der Markt gleichsam in die Haut tätoiert wird, darf es uns nicht verwundern, wenn manche sagen: Nackt ist mir nicht nackt genug - und hinter das mehr oder weniger welke Gewebe schauen, bevor sie zubeissen.

Das nun betrifft nicht nur Medienprodukte, die desöfteren abfällig Spargel geheissen werden, sondern auch den unschuldigen Namensgeber, die frühe Gemüsefrucht, die zu dieser Zeit vom Bauern gestochen wird wie weiland die Magd - ach ja, der Frühling. Der Spargel also, dieses unzüchtig aussehende, bleiche und dennoch feste Gewächs gedeiht hier in der heimatlichen Provinz ganz vortrefflich, mehr noch, zwischen den beiden Orten Abensberg und Schrobenhausen zieht sich ein Halbmond über die Hügelketten und die Donauniederung, in der schlichtweg der beste Spargel der Welt wächst. Des frühen Morgens steckt er sein Köpfchen aus der Erde, wo ihn der geübte polnische Wanderarbeiter erblickt, sticht, wäscht, und sogleich in den Wagen verfrachtet, mit welchem ihn der Bauer auf den von mir bevorzugten Wochenmarkt bringt.



Hier muss sich unsereins zwischen den beiden Herkunftsregionen und Handelklassen entscheiden. Es gibt Klasse IV, III, II, I und Extra, zu 4, 5, 6, 7 und 8 Euro das Kilo. Das sind lachhafte Preise im Vergleich zu dem, was man in München, Frankfurt, Paris oder Hamburg für den besten Spargel der Welt zahlt - wenn er dort nicht gar gefälscht wird, und lokale Ware mit den beiden berühmten Namen versehen wird. Bei uns gibt es nichts anderes als diesen Frucht der Heimat, und so nimmt es nicht Wunder, wenn zwischen Mitte April und Anfang Juni der Spargel die regionale Küche prägt.

Dort, wo man für Klasse I 20 Euro oder mehr bezahlt, wird der weisse Stengel - in der Regel ist der ja zu dünn für einen Schwengel - nur mit Butter, Kartoffeln oder einer Hollandaise gegessen, zu zart und fein ist der Geschmack, als dass man ihn mit starken Beilagen zerstören dürfte. Aber wir sind in Mittelbayern an der Quelle, das feinste Luxusgemüse der anderen ist bei uns so banal wie Mohrrüben oder Kohlrabi, und so wird der Spargel zwar geschätzt, aber nicht als Götze verehrt. Wir geben ihm Gutes mit auf seinem Weg in unseren bayerischen Verdauungstrakt, bisweilen auch Ente und Schwein, oder auch nur einem geräucherten Schinken - aber herausragend, das ist der Spargel nicht. Zuerst mal ziehen wir ihm die Haut ab, was ihn noch dünner und feiner macht - so sieht er dann aus. Wir brauchen ungefähr 15 Stengel der Klasse I für zwei.



Wir werfen dann einen verächtlichen Blick hinab zum Wohnheim der Elitessen, die sich von ihrer Fit-for-Fun-Lektüre anlügen lassen, dass dünne, bleiche Spargel der Diät zuträglich sei, wenn man nur auf fettarme Butter oder gar Margarine zurückgreife. Und sich dann wundern, wenn sie Kettenraucherinnen werden, vor lauter Unzufriedenheit... Wir haben von der Wochenmarktkäserei unseres Vertrauens Butter aus dem Voralpenland und einen italienischen Weichkäse namens Asiago besorgt, die zusammen gut und gerne auf über 50% Fett kommen. Für die Sauce zwei Personen brauchen wir 30 Gramm Butter und 120 Gramm Asiago, ausserdem 200 Gramm Creme Fraiche, der mit 30% Fett das Mittel auf unter 40% senkt - so geht Diät, ihr blonden, dürren Dinger da unten, dann macht auch der Sex wieder Spass. Dann kommen noch 20 Gramm milder Peccorino dazu, auserdem zwei Teelöffel rotes Pesto, ein klein wenig von einer Frühlingszwiebel und etwas Schnittlauch.

Den geschälten Spargel kleinschneiden, und in kochendem Wasser 9 Minuten blubbern lassen. Butter zerlaufen lassen, Zwiebeln kurz dünsten, Creme Fraiche dazu, aufkochen, Käse hinzufügen, Pesto unterrühren, und dann in einem weiteren Topf grüne Nudeln kochen - besonders empfehlenswert: Grüne Ravioli mit Spinatfüllung, passen geschmacklich und mit 2 Minuten Kochzeit perfekt in den Arbeitsablauf. Ricotta ist auch drin, aber, wie man in Bayern so schön sagt, der macht das Kraut auch nicht mehr fett. Am Ende den Schnittlauch in die Sauce, Spargel und Ravioli abseien - Könner machen das ohne Sieb, nur mit einer Silbergabel - und auf den Tellern als, je nach Standpunkt, italienische oder holländische Flagge anordnen. Profis giessen das auch mit der Hutschenreuther-Sauciere.



Und geniessen. Ein kleiner Hinweis noch: Durch das Schneiden des Spargels ist es möglich, nur mit der Gabel zu essen, auch wenn Nudeln und Spargel al dente sind - eine halbwegs scharfkantige Gabel vorrausgesetzt. Wer diesen Ratschlag beherzigt, wird ob seiner grenzfeinen Manieren keine Probleme haben, die hiesigen Eltern einer jeunesse doree Apothekerstochter von der Eignung als Gatte derselben nachhaltig zu überzeugen. Schliesslich wissen auch die Parvenissen und Cretins der hiesigen Oligarchie um die Unverzichtbarkeit von Moral, Sitte und Anstand, selbst wenn sie allein am Abend die Salami aus der Tupperware fressen, und nur mit Mühe davon Abstand nehmen können, die Messer abzulecken, wie es noch ihrer Väter Sitte war.

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