: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 19. Mai 2005

Sehr zu empfehlen I: Stuck 2

Nachdem wir uns also einig sind, dass die weitere Gestaltung unseres Daseins ohne Stuck uns in die Niederungen von Ikea und Roller Möbelmarkt drückt, oder zumindest diesen Absturz nicht a priori auszuschliessen in der Lage ist, blicken wir in unsere Brieftaschen und stellen fest, dass der uns erhebende Stuck leider, leider, hoffnungslos teuer ist.

Als ich vor 8 Jahren den ersten Raum gemacht habe, gab es noch keine Online-Shops. Ich ging zum lokalen Stuckateur, fragte nach den Preisen und entschied mich dann für eine Minimalvariante mit einem Gesims im Vorraum und zwei Spiegeln im Hauptraum (zur Erklärung: Gesims sind die an den Kanten zur Decke umlaufenden Leisten, Spiegel bilden die direkt an der Decke oder Wand befestigten Leisten). Alles andere hätte mich damals nach dem Magister ruiniert., bei einem Meterpreis von schlappen 40 Mark für die schlichtesten Einsteigermodelle.

Nun, die Zeiten des Mangels sind vorbei, nicht dank Preisvergleich im Internet, sondern dank einer Neueröffnung in einem Lagerhaus in Berlin a. d. Spree, da, wo früher mal Startups reinsollten.



Jetzt wird dort Stuck verkauft; viel und günstiger Stuck, und nach dem für uns umgeschriebenen Wittelsbacher-Motto

Zu München will ich zehren
in Ingolstadt verkehren
zu Berlin die Schätze mehren


ertönen bei derartig grossen Fassadenschildern und kleineren 20%-Neueröffnungsrabatt-Zetteln an der Tür die bayerischen Reifen unseres Puntos mit einem giergeilen Quieken, wir halten an und gehen hinein:



Hier gibt es viel. Nicht alles vielleicht, aber zumindest das, was man in den üblichen Grössen von unserer Dachkammer werdenden Bibliothek bishin zur Grossbürgervilla braucht, und Palastbesitzer sind ohnehin nicht die Zielgruppe dieses Blogs, die machen sowas ja nicht selbst. Es gibt eine grosse Auswahl an klassischen, gekehlten Gesimsen in allen Grössen zwischen 5 und 20 Zentimetern - wer mehr braucht, nimmt entweder Gesims mit floralen Motiven, was dann aber etwas in Richtung Historismus geht, oder kombiniert die Gesimse mit einer parallelen Leiste an der Wand. Das ist klassisch, trägt nicht weiter auf und ist zudem günstiger, denn Leisten sind auch in grossen Mengen da, inclusive aller nötigen Abschlüsse:



Wir entscheiden uns für Gesims mit Balusterkehlung, was recht zurückhaltend und neutral ist. Generell wirkt es ruhiger und nicht so protzig, wenn in einem Raum nach oben hin die Dekorelemante abnehmen, und gerade niedrige Räume sollte man am Übergang zwischen Wand und Decke nicht überfrachten. Aber ganz ohne Luxus soll es nicht bleiben, und deshalb setzen wir an die Decke einen Innenspiegel mit ebenfalls extrem klassischen, in der Antike entwickeltem Eierstabmotiv und Palmetten in den Ecken. Diese Kombination ist zeitlos und taugt eigentlich für so ziemlich jeden Stil ausser Roccoco. Und harmoniert auch mit dem Medaillon des grossen, ca. 40 Jahre alten Täbriz-Teppichs, den wir für den Boden erworben haben:



Das ganze kostet uns für 20 Meter Gesims und 10 Meter Leisten und 8 Eckelemente in echtem Gips weitaus weniger, als damals die paar Meter bei uns daheim - weniger als 100 Euro. Wer Interesse hat: Hier ist der Laden zu finden. Die Leisten mit 2,44 Meter Länge passen genau in das Auto.

Ein Wort noch zum Material: Es muss nicht Gips sein. Auch frühere Zeiten haben geschummelt, man findet im Biedermeier viel Pappmachee oder verputzte Holzstückchen, und das einzige, was zählte, war der optische Eindruck. Dauerhaftigkeit spielte bei den sich ständig ändernden Moden keine Rolle, Arbeitskraft war billig, und man hätte im Reich des Sonnenkönigs sicher auch Styroporstuck genommen, denn 20 Jahre später hat man die Dekoration neu gemacht - unser Konservativismus, der auch noch dem letzten bröckelnden Farbrest nachjagt, hätte man damals als ziemlich exzentrisch empfunden. Für Louis XIV. täte es auch Styropor. Zudem ist Kuststoff erheblich leichter zu verarbeiten, solange es um das Anbringen geht.

Kann man also machen. Wenn man alles in 10 Jahren sowieso wieder neu macht. Nach dem zweiten Mal ist es auch ohne Arbeitszeit schon teurer als echter Stuck. Und spätestens, wenn von oben mal Wasser durch die Decke kommt, hat man mit Styropor ein echtes Problem - da hilft dann nur noch wegmachen und entsorgen. Echter Stuck ist erst mal etwas teurer und schwerer zu befestigen, aber danach hat man ein paar Jahrhunderte seine Ruhe.

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In einer traurigen, düsteren Ecke

eines unscheinbaren Wohnungsauflösers in der Brüsseler Strasse im Wedding - ein Drama:



Kleiner, blaublütiger Norditaliener aus allerbester venezianischer Familie such neues Zuhause. Und wird es auch bei einer schönen, manchmal leicht einsamen Frau bekommen.

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Mit freundlichen Grüssen von Ihrer LBS

So bewirbt man Immobilien im Osten zeitgemäss:

481 m² Wohnfläche in 8 Wohnungen – „Hartz IV gerecht“

Und dabei geht das Gebäude noch nicht mal bei 100.000 Euro weg - mal schaun, wann der Texter dieser Anzeige selbst Hartz IV gerichtet wird.

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L´Escargot

Unitalienisch sowieso, aber auch extrem unfranzösisch. Ganz gleich, wie sehr diese Stadt mit ihren neu gebrandeten Carreés und Quartiers angibt, sie bleibt so unpariserisch wie das langgezogene Fladenbrot, das die Türken hier als Baguette verkaufen. Allenfalls die Slums am Stadtrand von Paris ähneln den zentrumsnahen Teilen Berlins. Ansonsten ist Paris so sehr die Hauptstadt der Grande Nation, wie Berlin die ehemalige Frontstadt ist, die noch immer nicht weiss, wie sie mit dem Umstand umgehen soll, dass jetzt Friede ist und die Soldatenverpflegung nicht mehr kommt. Berlin wie Paris? Mais non, würden deine französischen Freunde sagen. Sie sind höflich. Und bald nicht mehr da.

Aber natürlich hat die Stadt schon früher versucht, sich nach Frankreich zu orientieren, schliesslich ist auch Potsdam an Versailles angelehnt, und auch die früher reichen Bürger leisteten sich französischen Schick, und auf dessen Spuren, bei den Wohnungsauflösern, Trödlern und Antiquitätenhändlern führt es dich in die noch intakten, fast idyllischen Wohngegenden des Weddings, wo die Strassen relativ sauber, die Wande nicht verschmiert und die Häuser halbwegs gepflegt sind. Mitunter hängen hier noch Kronleuchter statt der üblichen nackten Glühbirnen von der Decke, Marmor glänzt matt in den Hausfluren, die Gegend der Brüsseler Strasse war früher gar nicht schlecht.

Du kriechst langsam die Strasse runter, um ja keinen Laden zu übersehen, behutsam lauernd, denn du hast Zeit, und hier fährt sowieso keiner ausser dir. Die Hektik der Müllerstrasse gen Mitte verschweindet, es wird sehr bürgelich, rechts sitzen ein paar Leute auf der Strasse, und du siehst das Schild über dem Lokal, und da steht: L´Escargot, die Schnecke, na prima, denkst du dir, wer hier schon mit dieser wenig beliebten Spezialität wirbt, muss es wohl ernst meinen mit den französischen Ansprüchen - und du hast heute Abend ohnehin ein Date, und französisch, das wäre doch mal wieder schön...



Essen gibt´s bei Restaur.antville

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