: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 18. Mai 2005

Conservative jeunesse doree. Oder so.

Eigentlich wird endlich alles gut. Ich habe einen repsektablen Beruf.In der Schweiz nennt man mich einen "Autor" in einer Reihe mit anderen Autoren, und schön langsam komme ich auch in das Alter, in dem ich mich qua leistung, Buchrücken und geringer, aber von Patek Phillipe als interessant angesehener Leserschaft meiner professionellen Texte als Publizist bezeichnen darf, ohne gleich der Hochstapler zu sein, der sich nur allzu oft hinter diesem Wort verbirgt. Man kennt das: Ein Artikel in einem Sammelband eines Buches, verlegt von einer Lobbygruppe, uns schon hat das Land 10 neue, bedeutende Publizisten...

Und ich gehe zurück in die Provinz, schlage meine Zelte im Stammhaus auf, trinke meinen Tee aus englichen Kannen und russisch-zaristischem Silber, und dieser tee ist im Licht der Kronleuchter das Einzige, was neben den Vorhängen noch rot ist... und schon kommt man in die Gefahr, in einen Topf mit den Luxuslumpen, den Einstecktuchschreibern, den Oxfordsagern und Talkshowmeinern, mit dem Pack geworfen zu werden, das damals mit 18 neben der obligatorischen Rolex auch n0ch den Porsche 924 bekam und irgendwie was mit Medien machen wollte, während die wenigen Talente nach ein paar schlechten Erfahrungen dann doch lieber Brillenverkäufer in der Maxvorstadt wurden.

Diese Schreiber sind zum grossen Teil ganz ekelhaft verreckt, in Sackgassen, sind vom Betrieb untergepflügt worden, aber ein paar hat es noch immer nicht erwischt. Was zur Folge hat, dass allenthalben vor einer Rückkehr ganz seltsamer, alter Manieren bei der jüngeren Generation gewarnt wird. Da ein ostelbischer Junkerinnengatte, hier ein Brüderlein eines Galatitelbilds, deren Gatte zu Lebzeiten nach Knaben im Parkcafe Auschau hielt, überhaupt vieles aus Salem und dann auch noch dieses v. im Namen - keine Frage, man hat Angst vor einer Rückkehr der demokratiefeindlichen Eliten der Weimarer Republik durch die publizistisch-ironische Hintertür. Zumal, weil die gleichen Medien seit gut zwei Jahren den Trend zu Sitte und bürgerlichen Moral bei jungen Leuten ausmachen. Angeblich lesen die auch Ernst Jünger Bullshit in Halbkuhleder. Sagt man.

Und da macht man sich natürlich verdächtigt, wenn man Hofjuweliere kennt, beim Teetrinken den kleinen Finger spreizt und das Pech hatte, von einigen Kritikern des Erstlingswertes als "wertkonservativ" bezeichnet zu werden, weil man in ihren Augen das beschriebene Treiben verurteilte. Dann erinnert man sich in den Medien, dann bekommt man Emails von Kollegen, die eine trendige Story über bessere Kinder der besseren Gesellschaft schreiben wollen, ob man nicht Lust hätte, man suche gerade Beispiele für junge, konservative Intellektuelle, "jeunesse doree" als neu-altes Stichwort. Und das trifft mich ins Mark.

Wahrscheinlich hat dieses junge Ding, das die Mail geschickt hat, keine Ahnung von der geschichtlichen Bedeutung dieses Begriffs - eigentlich ist die jeunesse doree eine plutokratisch-protofaschistische Bewegung aus der französischen Revolution und der 2. Hälfte des 19. Jahre. Wahrscheinlich hat sie weder Breton, Aragon, Gide oder Souppault gelesen, denn selbst deren Bücher, in denen es diese spezifische Jugend noch gibt, wird nur ihr Abstieg und die Unfähigkeit beschrieben, sich in der Moderne des 20. Jahrhunderts zurecht zu finden. In Deutschland... es hat zu meinen Lebzeiten keine jeunesse doree gegeben, nie und nirgends, auch wenn ich Teil eines Systems war, die sie wahrscheinlich dafür halten würde.

Das ist das Gute an der deutschen Geschichte: Jeder historisch-elitäre Rückgriff landet automatisch im braunen Sumpf. Fast jeder v. hatte irgendwelche SS-Chargen in der Verwandtschaft, stand irgendwo am Kubanbogen oder fickte zwecks Anerkennung die blonden Kuhtöchter irgendwelcher frühen Mitgliedsnummern. Die meisten Altreichen haben Traditionen, die auf einer hohen Zahl von Zwangsarbeitern beruhen. 60 Jahre zuück beginnt die grösste Scheisse der Weltgeschichte, und alle deutschen Eliten ausser den Ausgerotteten und Vertriebenen waren mit dabei. Den meisten Nachgeborenen kann man damit heute noch eine Bombe in den Arsch stecken, wenn sie im Interview von den Eliten sülzen. Der Weg zurück kann diese 12 Jahre nicht ausklammern, und was ab 1848 davor war, führt via Wagner, Strauss, Giftgas, heil Dir im Siegeskranz genau da hinein.

Es gibt in Deutschland keine jeunesse doree. Nur Wohlstandskinder, die statt einem von Porsche entwickelten Panzer nur einen 924er fahren durften, und das auch nur bis zur Ostklippe auf Sylt.

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Park Avenue

1 cl Vermouth Bianco (steht für die arisch-weisse Herrenrasse)
1 cl Vermouth Dry (steht für die trockene Kaltschnäuzigkeit)
3 cl Gin (steht für das ordinäre Textanbiedern bei den Werbekunden)
1 cl Ananassaft (macht den Tonfall schleimig)

Zutaten auf Eis kräftig schütteln, in spitzes Cocktailglas abseihen, vor dem Dinner mit den wirtschaft-sozialen Eliten von Alex Falk bis Gloria Thurntaxis servieren. Geschmack: Halb-herb, aber eigentlich nur für die jenseits der 100.000 Sichelitenennenden, die ohnehin nicht in der Lage sind, monatlich 6 Euro für Werbungszusatztexte auszugeben.

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