: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 6. Juli 2006

Irgendwo

in Berlin geht gerade eine Koalition in die letzten Aufzüge, das Libretto für das Finale entsteht in einer Baracke, eine schöne Katzenmusik wird das im nächsten Sommer. Und der Koch wird das Merkel beerben, und alle sind froh, ausser den Wählern vielleicht. Woanders machen sich ein paar ehemalige oder halbwegs Bekannte gewisse Hoffnungen, eine Welt wiederzuerwecken, die es aus gutem Grund nicht mehr gibt. Da zerren sie an Grabplatten, ohne zu wissen, was sie darunter erwartet. Sollen sie mal machen. Wenn 2.0 erledigt ist, finden sich nochmal andere für 3.0. Man hört übrigens auch, dass ein Blog einer Gewinnerin irgendeines österreichischen Preises gern von einem Medium gekauft werden will. Man hört, dass andere fürn Arsch und Popa bloggen und eigentlich schon keine Lust mehr haben, aber was macht man nicht alles für die Firma. Man hört so viel in diesen Tagen, man wird eingeladen zu Treffen mit Leuten, deren Vorgänger man schon rund gemacht hat, aber es bringt nichts, es ist alles so weit weg.



Und dabei ist alles, was sich ändert, der untere Bildrand dieser Tage, mal ein paar Wolken, mal keine, ab uns zu ein paar Kondensstreifen, die nicht lange halten, heute ist sogar ein Storch vorbeigeflogen, und es ist leise, sehr leise, kein Geschrei mehr. Seltsam muss es sein an den Orten, wo sie an einer Zukunft arbeiten, die keiner will und keiner braucht, ausser sie selbst vielleicht. Seltsam und sehr weit weg. Da ist es fast schon ein Zeichen von Normalität, wenn jemand anruft und fragt, ob man vielleicht noch alte, dunkel patinierte Polsternägel mit 10 Millimeter Durchmesser hat. Mindestens 5, besser wären 10.

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Deutsche Kickpatrioten und deutsche Kulturgüter

Ich wohne in der Provinz in einer vergleichsweise ruhigen Gegend. Wegen der Kopfsteinpflaster gibt es hier keinen Autocorso, die nächsten Kneipen und Alkoholzapfstellen sind mindestens einen Block entfernt, und Parkplätze, zu denen man kriechen könnte, um nachher seine Innereien an einem Baum zu verteilen, gibt es hier auch kaum. Trotzdem ist das Verkehrsaufkommen hier bei Grossveranstaltungen erheblich, weil die Stadtoberen partout alle Festlichkeiten in der historischen Innenstadt haben wollen.

Die Folgen sind gravierend; nachdem diese Ecke eher ruhig und schlecht beleuchtet ist, werden viele hier das ein oder andere los, was für Eigentümer unschön ist, von Müll über Körperausscheidungen aller Art bishin zum Vandalismus. Es gibt aber ein Gegenmittel: Volle Lüster-Beleuchtung in allen möglichen Zimmern, von denen ich ein paar habe, und offene Fenster bis früh am Morgen. Das vertreibt die Bande, sie suchen sich andere, für ihr Tun besser geeignete Ecken. Gestern Abend wurden sogar die Blumen verschont, dafür randalierten sie in einer Baustelle, und die Strecke entlang einem Studentenwohnheim sieht nicht so aus, als ob man da langlaufen wollte. Es sieht aus wie DOITSCHLAND.



Andere hatten weniger Glück. Dieses Portal wurde erst vor ein paar Jahren mit viel Liebe restauriert und stabilisiert. Es ist ein aussergewöhnlich gut erhaltenes Beispiel für den sogenannten Parlerstil, oder auch internationale Gotik. Es ist ein Zeignis einer hochentwickelten, verfeinerten Epoche, die zwischen der Pest und den aufbrechenden Religionskriegen mit einigem Recht als der goldene Herbst des Mittelalters bezeichnet wird. Weil es so gut erhalten ist, hat man es mit einem Gitter gesichert. Aber ein paar Leute, über deren Patriotismus man sich in der politischen Kaste freut, lassen sich von so etwas nicht abhalten und haben gestern Nacht, nach dem verlorenen Fussballspiel, eine volle Weinflasche gegen den empfindlichen, weissen Kalkstein geschleudert. Für einen Treffer im Figurenfries weiter oben reichte vielleicht die Kraft oder die Koordinationsfähigkeit nicht mehr aus.

Das Glas verletzt die Oberflächen des Steins, fast ein Wunder, dass die nur wenige Zentimer dicken Stäbe nicht gebrochen sind, der rote Wein kann ungehindert in das poröse Material eindringen. Es wird vielleicht Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis die Verfärbung wieder verschwunden ist. Der Ort ist nicht gerade menschenleer, aber soweit ich weiss, hat man die Verursacher nicht erwischt. Es ist der Umgang mit dem eigenen Land, der eigenen Umgebung, mit dem, in dem man lebt, warum ich nicht glaube, dass diese Menschen, dieser Müll, Dreck und Zerstörung verbreitende fahnendeutschaufstehende Abschaum, irgendetwas mit einem positiven Gefühl wie "Liebe" oder "Stolz" auf Deutschland zu tun hat. Es sind Nationalisten im schlechtesten Wortsinn, die Nation ist ihnen gleichgültig, sie brauchen nur was, um sich dran aufzugeilen, und wenn es nicht klappt mit dem Endsieg, macht man halt verbrannte Erde.

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Ich hätte da mal eine Frage.

Einfach, weil es mich interessiert und ich es, so eine jüngst gelesene Hypothese stimmen sollte, wissen will: Wie ist das mit den Blogs, die Ihr lest und/oder verlinkt - spielt da Eure Herkunftsregion eine Rolle, die Euch Blogs aus der gleichen Region bevorzugen lässt? Und gäbe es etwas, das Euch dazu bringen würde, vermehrt auf Blogs aus Eurer Region zu linken?

Ich pesönlich glaube ja eher an eine Art virtuelle Nachbarschaft, in der es um Leute geht und nicht ihren Wohnort, aber vielleicht liege ich da auch falsch.

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Mittwoch, 5. Juli 2006

AZZUUURRRROOOOO!



Va', pensiero, sull'ali dorate.
Va', ti posa sui clivi, sui coll,
ove olezzano tepide e molli
l'aure dolci del suolo natal!

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Brüder im Geiste

Dieser bloggende Herr bekommt einen neuen Stuhl und ein neues Dach über dem Kopf, unter dem er in Zukunft seiner Arbeit nachgehen wird. Director Online Conversations. Sehr schön.

Gratuliere. Aber mein neuer Stuhl



und mein neues Dach,



wo ich meiner Arbeit nachgehe, sind auch nicht zu verachten. Zumal die Anja-Tanja-Quote hier niedriger ist.

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Sehr zu empfehlen - A Tribute to Laura

In den endlosen Sommertagen der frühen 90er Jahre zogen sich feine Distinktionslinien durch die bessere Gesellschaft der kleinen Provinzstadt, die sich in der Kleidung als äusseres Merkmal für Lebensentwürfe niederschlugen. Da gab es die, die bei Robot und Annas in München einkauften und eigentlich schon weg waren. Es gab welche, die weiterhin den drei, vier Geschäften in der Stadt treu blieben, die nicht billiger, aber weniger ausgefallen waren. Und es gab die, die in die Sendlinger Strasse nach München gefahren sind, die Herren zu Konen, und die Frauen zu - Laura Ashley.

Das waren die, bei denen man wusste, dass sie Kinder wollten und einen wenig störenden Ehemann und davor noch etwas Spass, aber bitte nichts Ernstes, wenn überhaupt. Es gab welche, die vor den Bällen von Mama zwangsweise hingeschleift wurden, auch wenn sie lieber zu Theresa gegangen wären. Die Mehrheit aber kleidete sich freiwillig in spätviktorianischen Zitaten mit vielen Rüschen, Schleifen und Puffärmelchen. Das waren die, um die man besser einen Bogen machte, auch wenn sie damit ins Parkcafe kamen - an der Tür wussten sie, wer das Geld mitbrachte. Laura Ashley war Ausdruck einer geistigen Seuche, die sich in den Villen und Zweifamilienhäusern zwischen dem Oberland und dem Donautal breit machte; Landhausstil, nicht genutzte Mitgliedschaft im Golfclub und Strohkränze an den Türen waren weitere Sympthome, und bald kam die Ehe, die, als wäre es noch nicht genug, auch gehalten hat. Meistens. Ich glaube, wer Laura Ashley getragen hat, lässt sich auch nicht scheiden. Das ist einfach so. Passt nicht in derer festgefügter Lebensplanung, die mit einem Freund in der 10 Klasse beginnt und dabei bleibt.

Kurz, wer wirklich Spass haben wollte, hielt sich an anything but Laura Ashley. Hätte man mir gesagt, dass ich mal freiwillig und allein diesen Laden betrete - mit anderen habe ich es natürlich getan, so weit war der obige Typ vertereten, man konnte nicht anders - hätte ich schief gegrinst. Letzte Woche aber war es so weit, und überzeugt hat mich meine kleine Schwester, die damals Laura Ashley noch mehr verachtet hat als ich. Denn von dort hat sie etwas angeschleppt, was ausserordentlich sinnvoll ist: Englische Wandfarben in kleinen Probierdosen.



Da gab es mal ein kleines Problem, wir erinnern uns vielleicht: Eine mühsam verputzte Wand, eine angerührte Farbe, die im Topf grandios aussah und an der Wand, nach langem Streichen und Trocknen, leider erbärmliches Mint wurde. Die Farbe kostete 30 Euro, das Streichen einen Tag, die Enttäuschung - unbezahlbar, nochmal streichen - zum Kotzen. Man muss sowas immer an der Wand ausprobieren, bevor man streicht. Aber wenn dann erst mal das Pigment in der Farbe ist, kann man nichts mehr ändern. Kurz, Farben sind eine Art Russisch Roulette des Dekorierens. Und bevor ich mir die nächste Kugel gebe, gehe ich lieber zu Laura Ashley und besorge mir die Farben, die passen könnten.

Es ist ja nicht nur die Wand. Es sind auch die Möbel, und das Licht. Es ist leichter, die Farbe anzupassen, als den Bezug der Möbel. Die Hölzer von Stühlen und Parkett sind unveränderbar wie auch die verschiedenen Beleuchtungen von Sonne, Kronleuchter, Stehlampen und Kerzen. Das muss man alles erst mal auspobieren. Man spart sich für ein paar Euro enorm viel Arbeit und Nerven, selbst wenn die Töpfchen unverschämt teuer sind. Dann eben doch da rein und nicht an die Vergangenheit denken und warum Patricia ihren Körper ausgerechnet in - egal, vorbei, lange vorbei. Hauptsache, es ist nachher die richtige Farbe.



Es wird das zarte Grün oben ganz links, "Silver Birch", und dazu ein wenig Dekorarion im "faded Gold" daneben. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das nehme, schon im Geschäft habe ich gezögert, und ausprobiert habe ich es erst, als der etwas schwache Ton "Eau de Nil" nicht ganz den Erwartungen entsprochen hat. Es kommen eben sehr viele Faktoren zusammen, in diesen alten Räumen, man weiss nie, wie es ausgeht. Das Blau rechts unten kommt in die Bibliothek, aber nicht allein, weil es zu kalt ist. Aber um so etwas zu wissen, muss man es erst mal ausprobieren. Es ist ja nur Farbe. Und nicht die Ehe mit einer fremden Frau in Laura Ashley.

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Dienstag, 4. Juli 2006

Das Internet, und so

Sie ist Anfang 30, hoch qualifiziert und in ihrem Job - Anwältin - sehr erfolgreich. Und sie ist Mieterin hier im Haus. Heute habe ich bei ihr das WLAN eingerichtet. Als der USB-Stick dann Empfang hatte, hat sie den alten Modemanwähler aufgemacht. Weil nach dem Anwählen der Browser aufgeht und sie nicht wusste, dass man den Explorer einfach so anklicken kann.

So, wie war das nochmal mit dem Web2.0 für alle?

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Rautenhimmel

Man muss nur etwas Zeit und Ruhe haben, dann versteht man hier das Meiste. Irgendwie. Nicht so, dass man es für sich so haben wollte, aber man versteht. Das mit dem bayerischen Wappen zum Beispiel, das sich über Gut und Böse ausbreitet.



Apropos böse. Es gibt in der Innenstadt auch einen Computerladen. Der ist billiger als der Mediamarkt und Saturn, die beiden Saftläden, die von mir keinen Cent mehr bekommen. Auch von meinen Eltern nicht. Kann ja sein, dass die Saftläden hier ihren Ursprung haben, aber sowas unterstützt man nicht. Also kommt der neue Access Point aus der Stadt. Auch wenn ihn eigentlich keiner so richtig braucht. Sogar mein Handy ist meistens aus. So ist das, hier im Sommer.

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Klingt ähnlich

Blogjobs, Blowjobs.

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Selbst billige Bloggerhäute sind zu teuer,

wenn sie kein Communityfell mitbringen: An der Blogbar steht ein Beitrag, den man als verhungerter Blogberater besser nicht lesen sollte, wenn man nach der Pleite behaupten will, davon hätte man nichts gewusst.

und diesmal erwischt es sie alle in einem aufwasch.

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Montag, 3. Juli 2006

Summertime

Warum eigentlich sind Hollywood-Schaukeln weitgehend ausgestorben, was ist mit dem orange-silbernen Ding passiert, das früher bei uns im Garten stand?



In einer Zeit, als niemand mich ansprach, um mir gesellschaftlich adäquate Vorschläge zur Gestaltung des Sonntag Nachmittags zu unterbreiten, wie etwa ein Chorkonzert zu besuchen, weil es dazu gehört, if your daddy's rich and your mamma's good lookin'. Ich glaube, nach dem windbedingten Zusammenbruch meines Sonnenschirms gestern Nacht wäre eine Hollywoodschaukel eine Alternative. Dann brauche ich nur noch ab und zu Besucher, um Torte an sie zu verfüttern, und bis, sagen wir, September wäre das Jahr gelaufen.

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So, nur anders rum

Plötzlich, bei, Prestissimo-Satz von Haydn, ist mir dann eingefallen, was ich gerne im Saal an der Decke haben würde:



Das da in die andere Richtung: Der Sieg von Laster, Wollust und Freigeisterei über Tugend, Enthaltsamkeit und Kadavergehorsam.

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Papier, Pappe, Druckerschwärze

Die Frage nach dem Standort der digitalen Revolution lässt sich leicht beantworten, wenn man geschätzte Zahlen (abzüglich "Autoren" bei Zuschussverlagen) vergleicht: Wieviele Blogger haben einen halbfertigen Roman oder Sachbuch in der Schublade liegen, den sie gerne veröffentlichen würden - und wie viele Autoren haben ein halbfertiges Blog in der Schublade liegen, das sie gern online stellen würden.

Kam mir gerade beim Redigieren eines - man ahnt es - Textes für ein Buch über digitales Publizieren.

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Sonntag, 2. Juli 2006

Badblick

Manchmal glaube ich fast, egal wie schön die andere Wohnung wird, und wie gross sie ist - letztlich werde ich doch hier oben bleiben.



Das sieht man, wenn man so gegen 21 Uhr aus der Dusche steigt und links aus dem Fenster schaut. Angenehme Schauer dann beim Lesen über das, was man erst mal hinter sich hat.

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Eine feine Sache

wäre es, wenn jeder, der mit den Worten "ganz Deutschland tut blabla" von einer der Reporterarschgeigen öffentlich zu einer Gruppe hinzugerechnet wird, zu der er definitiv nicht gehört und auch nicht gehören will, weil er zwar qua Pass irgendwo Deutschland ist, aber es eben nicht tut, eben jener Arschgeige eine einzige Ohrfeige pro Vereinnahmung verpassen dürfte, als gerechte Strafe für diese Herabwürdigung auf Honkniveau.

Da käme ganz schön was zusammen. Und viele momentan arbeitslose Jungjournalisten hätten bald einen Job.

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Real Life 30.06.06 - Abgeschrieben

Diese Stadt ist immer wieder voller Überraschungen. Vor 6 Jahren brausten Dutzende von Smarts mit seltsamen Webadressen durch das südliche Schwabing, in den Namen kamen viele xx und zz vor, was heute, von ein paar spanischen Brause-PR-Bratzen abgesehen, glücklicherweise eher ausgestorben ist. Aber während anderswo mickrige Blogs monströse Zukunftsvisionen und auch gleich passende Sticker und event driven Microsites entwickeln und von Firmenwägen träumen, ist die gute, alte Munich Area real auf dem Boden der Tatsachen angekommen:



Allein, die bittere Erkenntnis wird auch hier übertüncht von einer Massenhysterie wie zuletzt beim Molliwerfen in Rostock-Lichtenhagen, und München ist da ein wenig wie Wien, es kann sich seine Bewohner und vor allem das Umland nicht raussuchen. Wer sich unter einer Fahne versammeln will, soll das tun, du jedenfalls willst deine Ruhe und ein normales Cafe ohne Deppenfetzen, was in der Nähe der Theatinerkirche auch zu finden ist. Und wie es der Zufall haben will, sitzt dort, hinter Torten verschanzt und bis an die 3. Zähne mit Kuchengabeln bewaffnet, im Kreise ihrer anderen alten Hexen Frau S., die, wie sie erzählt, vom schlechten Wetter am Tegernsee nach München vertrieben wurde. Nachher geht es aber wieder zurück.

Und nach Berlin zum Antique Shopping ist sie noch immer nicht gekommen, aber die Adressen, die hat sie noch. Und, fragt sie und rollt listig die kleinen Augen, hast du wieder was Neues gefunden? Du erstattest Bericht, schwärmst von Entdeckungen, bei denen sich die Hexen wissend zunicken und sicher finden, dass solche begabten jüngeren Männer nicht leicht zu finden sind, in dieser traurigen Zeit von Ikea und fussballfeldbezogenen Wegwerfsofas. Du zeigst dich guten Mutes, was Sessel angeht, wenngleich du vor Jahresfrist welche hast durchgehen lassen, die heute ein trauriges Desiderat sind, und wieder hat man Verständnis. Du berichtest von Altem der Familie, das neu verwendet wird, so etwa der Kleiderschrank, der Anno 1910 einen Volksauflauf nach sich zog, schliesslich kam der nicht aus der Provinz, sondern war das teuerste Teil einer Ausstellung im fernen Nürnberg, und die Hexen sind´s sichtbar zufrieden, der Stallgeruch nach Geld, Pest und Schwefel stimmt.

Und du erwähnst auch, dass die Sache mit den Sofas nicht so leicht von der Hand gehen wird. Denn du willst derer gleich zwei, und nur eines in der gewünschten Qualität ist schwer zu finden, zwei hingegen scheinen unmöglich, aber irgend etwas muss schliesslich vor die Heizkörper, die man im Stadtpalast nicht in die Wände zurückversetzen kann.

Herr Porcamadonna, sagt eine der Hexen, eine ziemlich runde mit Apfelgesicht, die wahrscheinlich schon von einer anderen Hexe in Chanel mit dem arttypischen Bock gezeugt wurde, solche Frauen tragen nämlich von der Wiege bis zur Bahre oder Scheiterhaufen Chanel, am besten in Tortenfarben natürlich, und diese grossen Brillen, an denen gerade die Enkelinnen wieder eine Freude haben, ich hätt da eine Idee - gehn´S, nemmas doch bittschön Platz.

Es ist nämlich so, erzählt sie: Ihre Nichte hat die Strasse runter dieses Bekleidungsgeschäft. Alle vier Jahre reicht es ihr mit der Inneneinrichtung oder dem Standort, dann wird dichtgemacht, umgebaut, bestellt, eingerichtet und wieder zurückgegeben, weil es un-mög-lich ausschaut, und dahinter ist - in allerbester Lage natürlich - dann das Lager, in dem sich die alte Einrichtung türmt. Letztes Jahr war wieder Umbau, und da hat ihre Nichte zwei wirk-lich pfen-ning-guade Sofas, die sie selbst vor fünf Jahren herausgesucht und bestellt hat, einfach weggetan und durch so komiches Plastikzeug ersetzt, a Schand, ausserdem mag sich da keiner hinsetzen, schlimm ist das, weil der Mann der Frau, der wo ja der eigentliche Kunde ist, am besten irgendwo rumsitzt und die anderen Frauen nicht stört, und mit den roten Plastikmöbeln rennen die Herrschaften immer rum... ach so, die Sofas, sagt dir Werther Classic etwas? Ja? Na, also, jedenfalls stehen die jetzt hinten, fast neu, ihre Nichte wird die nie wieder brauchen, weil mit dem neu geplanten Countryhouse-Gschäft in Starnberg wird das eh nixn, Platz hat sich auch nicht, also, wenn du magst - du magst doch, oder? könnt ihr gleich mal hin und sie anschauen. Ja? Prima, gemma.

Manchmal würdest du gerne ungeniert die Kamera zücken und photographieren. In dem Lager hängt auch noch ein 2,5 Meter hoher Venezianer, Kommoden ächzen unter der Last von Kleiderbergen, es sieht aus wie in der Requisitenkammer, mit dem kleinen Unterschied, dass die damit gegebenen Theaterstücke der Eitelkeit auf öffentlichen Strassen, Plätzen und in Theatern gespielt werden. Wie es nun mal so ist, erzählt die Nichte der Hexe, man braucht diese Decostücke für die Schaufenster, bis die Sensation weg ist, nach drei, vier Jahren kann man sie neu kombiniert wieder verwenden. Aber nicht die Sofas, die sind viel zu gross und zu wuchtig für das Schaufenster, also, wenn du willst - und sie nennt einen Preis, bei dem du ja sagst, ohne ausgemessen oder die Farben im Neonschein genau erkannt zu haben. Es sind Monster, keine Frage, die hier, steuerlich abgeschrieben, in Folie verpackt und vergessen vor sich hindämmern - ausser von der alten Hexe, und die vergisst sowas wahrscheinlich nie. Du wirst sehen, was dich der Deal ausser dem lachhaften Betrag sonst noch kostet; mindestens aber den Besuch eines Gartenfestes in Grünwald, wo sie wahrscheinlich noch rosa Hollywoodschaukeln am Pool haben, und die Hauhälterinnen Feuerzangenbowle auftragen. Blocksberg war gestern.

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Samstag, 1. Juli 2006

Werther ohne Kugel im Kopf, aber mit Nägeln.

Eigentlich bin ich nach München, um einen Vortrag zu halten und mich mit ein paar Leuten zu treffen. Ich bin nicht nach München, um Sofas zu kaufen, aber das hat man davon, wenn man sich zwangsweise in unbeflaggte Cafes rettet - da trifft man dann so gewisse Leute, die einem Angebote machen, die man nicht ablehnen kann.

Man kann das negativ sehen: Wahrscheinlich morgen kommen zwei riesige Loft Sofas von Werther Classic an, von denen ich nicht weiss, ob sie von der Grösse oder der Farbe her passen. Man kann es auch positiv sehen: Sollten irgendwann viele Gäste kommen und zwei Schlafzimmer mit Doppelbetten nicht reichen, gibt es auch noch die Sofas. Man kann auch ein poor winner sein und die kleine Schwester anrufen und ihr sagen, dass sie mit ihrem Bielefelder Werkstätten Sofa erst gar nicht ankommen muss. Gut, sie hat einen Isarblick vom Sofa aus, das ist auch nicht schlecht. Aber:



Und wenn sie morgen nicht passen, geschmacklos aussehen und sich die Farbe mit dem Parkett beisst, kann man auch ein poor loser sein und die Dinger weiterverschenken. Es ist ja nicht so, dass hier keiner prestigegeil ist.

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Servicewüste Deutschland

Gerade halb Schwabing nach einem T-Shirt mit dem Aufdruck "Deutschland verrecke" abgesucht - vergeblich. Immerhin, bei der Mentalität muss man das nicht mehr mit einem T-Shirt beschwören.

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Haifischdialoge

(Infernalischer Lärm auf der Strasse, dazu Handyklingeln)

Ich: Ja?
Haifisch 1: Ihr könnt runterkommen, ich komm grade die Strasse runter.
Haifisch 2: Gib sie mir mal. Hi. DU BRAUCHST NICHT ANRUFEN, WIR HÖREN DEN MOTOR SCHON HIER OBEN!
Haifisch 1: (grummelt Unverständliches)
Haifisch 2 (legt auf): Seitdem wir wieder ein paar Rechnungen zahlen können, brennt sie jeden Tag einen halben Tank durch....

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Munich Area Lethargie

Ich bin froh, dass ich mit der Uni und dem Betrieb nicht mehr viel zu tun habe. Ich glaube, ich würde durchdrehen. Weil es "so ist". Da sitzen welche, zwischen 20 und 25, lle Chancen, die man haben kann, haben ihren korrekten Lebenslauf im Auge, finden die Lage natürlich schon scheisse und das mit dem Bachelor auch nicht so toll, aber es "ist so". Und weil es "so ist", sitze ich, der ich keine Ahnung von gar nichts ausser Kulturgeschichte habe, vorne - und sie nicht. Das sollte ihnen zu denken geben.



Die Herrschaften in den Türmen, die davon profitieren, dass es "so ist" und auch keiner wirklich was dagegen macht, können stolz sein. Hier geht es schliesslich nicht um das Gejammer irgendwelche kindischer Bratzen, sondern um die, die in ein paar Jahren gern die öffentliche Meinung des Landes bestimmen wollen. Und wenn es "so ist" und sie nicht mal was für ihre eigene beschissene Situation tun ausser anpassen, dann kann das ein lustiges neues Medienzeitalter werden.

Morgen mehr, ich muss da erst mal drüber schlafen, dass es einfach "so ist", als wäre das, was ist, von irgendeiner Bedeutung und unveränderbar. Aber das könnt ihr schon mal sucken, Ihr Web2.0er: Keiner von einem Dutzend KWlern kannte Flickr. Das finde sogar ich hart.

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Donnerstag, 29. Juni 2006

Zurück ins brodelnde Herz des kochenden Abschaums

Gestern hat mich einer gefragt, ob ich nicht mit will auf einen Kongress zum Thema User Generated Content, nächsten Monat in, na wo wohl, München natürlich. Kein Monat mehr hin, aber sie wissen noch nicht mal, wer da spricht. Veranstalter sind zwei Web2.0-Firmen, die Morgenluft wittern. Mit dabei sind viele alte Freunde, die irgendwo überwintert haben und jetzt neue Visitenkarten haben, oder immer noch bei VCs wie Atlas sind. Auf einer der letzten derartigen Veranstaltung in München sass ich übrigens selber auf dem Poium, als Moderator. 2003 war das. Um mich herum lauter lebende Tote. Eigentlich sollte ich mal schauen, ob die jetzt noch ein wenig lebendiger geworden sind. Ein paar Ideen wie "Always on" stehen immer noch im Programm, laut gescheiterten Events wie dem Mobile Media Award, falls den noch einer kennt, sollte das aber schon seit spätestens 2004 Realität sein.

Ich weiss nicht, ob ich mir das nochmal antun soll. Warum soll ich mir von nachgewachsenen Pfeifen, die alle Erfahrungen von damals in den Wind schlagen, erzählen lassen, was die Zukunft ist. Sollen sie doch, sie werden ja sehen, wie weit sie mit Milestonefinanzierungen in einem Markt kommen, den die meisten Politiker ohnehin platt machen wollen - schliesslich ist Mobile Consumer generated Content auch das Gewaltvideo und der sexuelle Missbrauchsdreh. Wie ich München, die Munich Area vertrage, werde ich ja nachher sehen: Vortrag in einem Uniseminar vor Bachelorstudenten, Treffen mit den Haifischen, informeller Austausch mit einem Business Angel. Die volle Ladung im Schnelldurchlauf, gewissermassen, in einem München, das auch diesmal wieder nur ein paar Strassenzüge sind, die gleichen wie damals, in der einzigartigen Munich Area, beim internationalen Ranking gleichauf mit der Tel Aviv Area und noch vor Sophia Antipolis.

Es ist gerade mal drei Jahre her, aber in der Erinnerung schon wieder unendlich weit weg, und trotzdem ist es alles wieder da. Die Besseren sind weg in die normale Wirtschaft, geblieben sind die Grossmäuler, die Versager, die Nichtskönner und die Scharlatane, die jetzt wieder an neuen Legenden, Success Stories, neuen Zukunftsjobs und Konstrukten bauen. "Next Economy" war zu früh und ist 2003/4 geflopt, Web 2.0 ist besser im Saft, und mit Salm und ein paar anderen Promis wird das schon. Was auch immer. Man wird mir heute berichten. Und ich werde es weitertratschen. Denn wir haben die New Economy gefickt, wir werden auch mit Web 2.0 fertig. Aber sicher doch. Die Frage ist nur, ob ich diesmal wieder an deren Buffets fressen soll - was man so hört, sind die immer noch nicht besonders.

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Donnerstag, 29. Juni 2006

Von acht bis zehn

Sucht Euch selbst das Beste raus, das war heute zu viel, ich bin zu faul zu entscheiden.












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Unter dem Baum

Es sind gerade diejenigen, die früher am meisten unter den hiesigen Verhältnissen gelitten haben, die hier gezwungen wurden und mal eben so die Erwartungen der besseren Kreise erfüllt haben, die ihre Kinder jetzt wieder in die gleiche Situation treiben.



Nach aussen hin sieht es nett aus, fast romantisch. Und die, die aus dem 13. Stock springen, draussen, in einem schlechteren Viertel, weil sie hier fertiggemacht wurden, sind lange vergessen, wie die, die vertrieben wurden, weil sie einfach so mit einem Mann zusammengewohnt haben. Man redet da nicht mehr drüber, man will ja keinen Ärger, und es ist auch besser geworden, und das mit den Schwangerschaften wird man später auch irgendwie regeln.

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Sehr zu empfehlen - Perserteppiche im Vergleich

Franz hat da eine Frage aufgeworfen, die ich gerne beantworte - wer legt sich eigentlich Perserteppiche in die Wohnung? Ganz einfach: Ich. Es gibt dafür viele Gründe. Der wichtigste neben dem Prestige jedoch betrifft die schönsten Stunden des Lebens: Wenn man eine Frau zu Boden zieht. Ich denke, ich habe alles ausprobiert in meinem Leben, und das ist das Ergebnis:

Fliessen & Naturstein: Das Schlimmste. Kalt, knallhart, Grippe ist vorprogrammiert, in den Ritzen Staub. Einziger Vorteil: Leicht zu reinigen.

Parkett & Dielen: Immer noch übel. Luxuriös mitunter, keine Frage, aber brettlhart, und nach kurzer Zeit wird die Haut feucht und dann wird es quietschig. Achtung Schiefer!

PVC: Billig, geschmacklos, hässlich. Frau kann gar nicht so schön aussehen, dass sie auf PVC nicht billig wirken würde, Gummifetischismus für Arme. Und auch nicht gerade komfortabel, sowie schweisstreibend.

Normaler Teppichboden: Wärmer, weicher, aber synthetisch und deshalb oft pieksend, bei längerer Benutzung kann das alle Lust abtöten. Reinigung sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, spontane Hardcorespiele sind also nicht ratsam. Ausserdem langweilig & fad anzuschauen.

Perserteppich: Warm. Weich. Angenehme Naturprodukte, belastbar, strapazierfähig, keinesfalls rutschig oder glitschig, kein Problem mit unnatürlichem Schwitzen. Das Blumendekor in satten Farben ist für nackte Frauen sehr kleidsam, Gebetsteppiche haben beim Ficken etwas rührend Gotteslästerliches. Geräuschdämmend nach unten. Man kann darin auch die Leiche des zu früh heimgekommenen Gemahls nach draussen tragen.

Deshalb also Perserteppiche. Allenfalls das Eisbärenfell kann da noch mithalten.

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