Im gleichen, anderen Land

Was uns trennt: Anderswo ist man erleichtert, wenn die Anzahl der nicht versteckt Arbeitslosen im Dezember nicht steigt. In meinem Land, das nicht vergleichbar ist, haben wir ein Problem: 2600 qualifizierte Arbeitsplätze, die nur schwer zu besetzen sind, weil Leute fehlen, und nächstes Jahr werden 800 Akademiker in einer einzigen Firma gebraucht. Das zieht erfahrungsgemäss nochmal 800 weitere hochqualifizierte Fachkräfte bei Zulieferern und Dienstleistern nach, ihre Frauen, Kinder, man braucht mehr Lehrer, Kindergärten, Geschäfte - und findet keine Arbeiter mehr. Dieses kleine Becken an der Donau, wo die meisten durchbrausen und sich nicht um das Hinweisschild des historischen Altstadt kümmern, ist de facto ein anderes Land. Das hier hat mit Deutschland, wie man es sonst so kennt, nichts zu tun. Chancenlos aufwachsen ist etwas, das praktisch nicht möglich ist. Man bräuchte mehr Kindergartenplätze - aber es hakt nicht am Geld, sondern, mal wieder, am Personal. Wie gut, dass einer der grössten Naturparks Bayerns gleich nördlich der Stadt beginnt - und dann hat man auch noch den See und 30 Kilometer Wald am Stück dahinter. Da kann man Kindern noch was anderes bieten.



Die alte Idee von einem Europa der Regionen, ohne Nationalgrenzen, aber klar trennbar, hier ist sie Wirklichkeit. Ich bin seit etwas mehr als zwei Jahren wieder mehrheitlich in der Provinz, und seitdem wurde aus der üblichen Speckgürtelregion ein einzigartiges Modell, als hätte es niemals die Probleme der 80er und 90er Jahre gegeben, als wäre die Zeit der Vollbeschäftigung in das Jahr 2008 durchgelaufen. Es war nicht ganz so, aber es gibt keine andere grössere Stadt in Deutschland, die so ist. Und je öfter ich wegfahre, desto mehr sehe ich die Unterschiede, die sich in den letzten Jahren herausgebildet haben. In der Stadt werden die letzten Basünden der 50er mit Spitzdächern antikisiert, mit neuen Bausünden des neuen Jahrtausend auradiert, man kann es tun, es lohnt sich, München ist inzwischen kaum teurer - und wenn BMW tatsächlich 1000 Leute entlässt, kann man sich ausrechnen, wo sie landen.



Und was sie tun: In die neuen, teuren Wohnungen ziehen und sich billigen Krempel beim Möbelramsch vor der Stadt kaufen. All die Kraft, das ganze Potential, die Energie dieser Region, die sich vollkommen vom durchschnittlichen Rest des Landes unterscheidet - verpufft in den selben Konsumkäse, wie überall. Wie Affen, die in der Schatzkammer mit den Goldstücken spielen.

Dass es anderswo in diesem Punkt ähnlich laufen würde, ist auch nicht tröstlich. Berlin war anders und schlechter. Das hier ist besser, aber trotzdem das gleiche. Die beste aller möglichen Welten, die sich dadurch definiert, dass alle anderen Welten auch Welten, aber schlechter sind. Leider. Und trotzdem: Würde mich einer fragen, ob er in Berlin, Hamburg, Bielefeld oder Bodropp (?) bleiben sollte, oder hierher kommen:

Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte.

Donnerstag, 3. Januar 2008, 18:33, von donalphons | |comment

 
gut.

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Berlin, das gammelige Elend, und Hamburg, das feiste Tor zur Welt, lassen sich kaum in einem Atemzug nennen. Was ich von Ingolstadt gesehen habe, ist auch nicht irgendwie exorbitant, außer Deinem eigenen Domizil. Sicher, eine solche völlige Abwesenheit der üblichen sozialen Probleme gibt es in Deutschland kaum noch mal (Homburg auf der Höhe würde mir einfallen, und dann natürlich die besseren Viertel diverser Städte, was aber eben etwas Anderes ist als die Städte selber). Ob aber der Unterschied z.B. zu Heidelberg so groß ist?

Für mich wäre Bayern, von München vielleicht abgesehen, wahrscheinlich gar nichts.

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Das mit dem Aussehen - mei, Starnberg sieht man vieles auch nicht an, wenn man durch das Zentrum fährt. Gewissermassen ist das auch das Problem: Reichtum, der weitgehend verpufft. Es geht um den Durchschnitt, und der erlebt gerade, was es bedeutet, wenn es einen Wettbewerb um Arbeitskräfte gibt. Und wenig daraus macht, ausser vielleicht mehr und grössere und besser geputzte Autos.

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Auch Konsum will eben gelernt sein. Was natürlich schwierig ist, wenn Bildung und Erziehung mittels Fernseh- und Videospielkonsum vermittelt werden. ;-)

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Die obige Wohnung ist meines Wissens verkauft worden - für gute 2.500 pro Quadratmeter. Mal abgesehen davon, dass der Neubau scheusslich ist -wenn ich so viel für eine Wohnung ausgeben würde, würde ich nicht zum billigsten Laden vor der Stadt rennen und dann dessen grüne Tüten anschleppen. Da stimmt was nicht. Was man aber wiederum versteht, wenn man sich hier die Werbung und die Prospekte antut.

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"das neue, junge, freche Möbelhaus". Brrrrr.

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Bei uns kostet (Bauen, nicht fertige Wohnung) der Quadratmeter zwischen 200 und 450 Euro, da bevorzuge ich doch den Nordwesten ;-)

Auf dem Land geht das dann noch mal viel weiter runter.

Wenn ich sagen sollte, welche deutschen Städte ich für die schönsten halte, wären das neben Bremen und Oldenburg Hamburg (das aber so teuer ist wie Bayern), Mannheim, Freiburg, Konstanz und Heidelberg, aber das ist natürlich ganz und gar subjektiv.

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Ich bleibe bei meinem geliebten Münster. Jaja, ich weiß, zu viele Katholiken (hatte ich noch nie Probleme mit - die werden ignoriert) und wenn der Don zu Besuch kommt, schlechtes Wetter... ;O) Einer meiner Kollegen wurde ja an dieser "Elitessenakademie" in I-Town ausgebildet - und es zog ihn trotzdem wieder in seine Heimat im Münsterland.

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Gut.
Wenn ich jetzt ganz ohne Herkunft und Bindungen einen Ort wählen könnte, an dem ich in der identischen Situation leben wollte, dann wäre das hier nicht die erste Wahl. Tendenziell würde ich eher an eine grössere Stadt Norditaliens denken, von Monza über Breschia, Verona, Piacenza bis Venedig und Udine, mit einer ziemlich klaren Präferenz für Mantua, Salo oder Verona. Oder aber eine Stadt, die für mich der Inbegriff von "Stadt" ist: Urbino in Umbrien. Oder Siena. Oder eben manche Ecken in Südfrankreich, gerne auch Richtung Spanien oder Seealpen.

Andererseits gibt es hier in gewissen Dingen eine Infrastruktur, die kein Internet je wird bieten können. Antiquitäten sind in Italien unglaublich teuer und schlecht, und man ist furchtbar wurschtig mit dem Alten. Südfrankreich ist im Bereich Essen nicht so das meinige, auch wenn ich elsässer Küche sehr schätze, aber mit Ausnahme von Landgasthöfen bei Grasse und Montelimar war das alles nicht so prickelnd. In der Summe aller Eigenschaften fehlt hier eigentlich nur ein gutes Antiquariat und eine aufgeschlossenere Bevölkerung, um das hier nach vorne zu bringen.

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Besser
Ohne Herkunft und Bindungen wäre es für mich die alte Mutterstadt der Anarchos, also Barcelona.

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höre ich da schon wieder gelindes bielefeldbashing?

ochja. südfrankreich. doch. ich nähme es vorerst auch ohne antiquariat (gibt es da nicht in dingsbums sommers diesen riesenmarkt?)

ansonsten: budapest, magyarorság. (memo an mich selbst: ungarisch lernen!)

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Naja, gute Freunde von mir ziehen nach nur 12 Monaten demnächst wieder aus Bielefeld fort - nachdem nicht einmal diverse Navigationsgeräte den Weg zu ihrer aktuellen Wohnung gefunden haben... ;O)

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Wenn wir mal bei der Wunschresidenz sind:

Mit Norditalien könnte ich mich auch anfreunden. Verona, Turin, oder auch Bolzano.

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Frühjahr-Herbstresidenz in Barcelona, Sommerresidenz in Garda, Verona oder Lovere, Winter in Zermatt oder Aspen, das wär perfekt.

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Nein, ich muss sagen: Ein zentraler Sitz in gemässigten Breiten, das reicht völlig aus. Mehrere parallele Wohnorte hatte ich eine zeitlang, das ist auf Dauer nicht lustig. Es sei denn, man hat sonst nichts zu tun oder einen Majordomus, aber das ist ja wohl eher nicht der Fall.

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