: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 27. Januar 2008

Eine kleine Geschichte der Missverständnisse

Um 1880 wandelt vielleicht ein amerikanisches Paar durch Paris, vom Louvre hinunter zum Place de la Bourse, und biegt hinter dem berühmten Palais de la Bourse nach rechts ab, in die feine Geschäftsstrasse der Rue de Feydeau, statt geradeaus weiter zum neu geschaffenen, aber noch nicht allzu attraktiven Boulevard Haussmann weiterzugehen, wo das Printemps und andere Warenhäuser Alles für Alle bieten. In der Rue de Feydeau sind die besseren Geschäfte, hier hat sich der Ramsch der überdrehten Industrialisierung noch nicht allzu breit gemacht, und so spazieren sie entlang der feinen Auslagen, bis sie stehenbleibt und ein "Oh" haucht. Dieses Oh gilt einem kleinen, französischen Tee- und Kaffee-Service im Schaufenster, wie es die Franzosen bevorzugen: Hohe, ovale Kannen, und die Théière hat nur einen kleinen Ausguss, ganz im Gegensatz zu den bauchigen Kannen, die man im victorianischen England bevorzugt. Und weil sie das Oh so fein hingehaucht hat, denkt er, dass es eine gute Gelegenheit ist, seine Zuneigung zu beweisen, und so betreten sie das Geschäft von Horace J. Linton, leichten Sinnes und ohne Gedanken an die Vergangenheit des Ortes zu machen, dem Théâtre Feydeau, in dem die französische Revolution ihr Zentrum hatte, und kaufen das Service.

Und retten mir damit 130 Jahre später meinen gewaschenen Hals.



Hätten sie einfach das gekauft, was Amerikaner immer kaufen - englisches Silber, um sich eine auf die Mayflower zurückgehende Tradition zu erfinden - hätten ihre Erben nach Ablauf besagter 130 Jahre eben klassisch englische Formen auf eine Auktion an der amerikanischen Ostküste gegeben. Die hätten sicher einen Käufer gefunden, aber dort wollte keiner diese nichtenglischen Stücke haben, und so gingen sie im Nachverkauf mit vielen anderen ungeliebten Silbersachen an einen Händler, der sie nach Deutschland verschiffte und sie in Pfaffenhofen anbot, wo ich mich sofort in die Form, die Edelholzgriffe, die eingeprägte Adresse in Paris und den Umstand, dass sie sehr französisch sind, verliebte und nach längerem Feilschen erwarb, und nur ein paar Stände weiter auf Iris traf.

Ach, auch hier?

Ja.

Und was ist da in der Tüte?

Nun...

Sag bloss nicht, dass du das englische Silberservice da vorne gekauft hast.

Äh...

Aber du hast schon so viele andere, das brauchst du wirklich nicht mehr, du hast schon so viel englische Teekannen. Wenn das deine Mama erfährt...

Nun, wenn Iris etwas erfährt, das sie nicht weiter negativ betrifft, erfährt es meine Mutter immer. Rettung tat Not, und so entnahm ich die Teekanne der Tüte, drehte sie um und sprach mit Verweis auf die Inschrift: Aber nein! Schau! Das ist kein englisches Silber! Paris! Französisch! Eindeutig.

Iris las, was dort stand, und man konnte erkennen, wie der Groschen sich löste, stürzte, um dann aufzuschlagen. Sie war an einem französischen Service aus Paris, aus einem der feinsten Geschäfte der Belle Epoque" vorbeigerannt, und so entschlüpfte ihrem Mund ein entzücktes Geräusch, das das Service vielleicht schon bestens kannte: Oh!

Gefolgt von einem äusserst ungalanten, nachgerade habgierigen Benehmen meinerseits, aber mein Mitgefühl ist etwas derangiert, seitdem ich in den letzten Wochen sage und schreibe drei Kannen an weitere Bekannte verloren habe. Ausserdem: Besser eine Freundin verlieren, als den Anlass für einen guten Blogeintrag. Und ich habe bislang wirklich kein einziges Pariser Teeservice. Das, um im Übrigen der Wahrheit die Ehre zu geben, letztlich doch in England für den französischen Geschmack produziert wurde, wie es eine kleine Prägung verrät.

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Häme für Roland den Ausgekochten

bitte unten in die Kommentare einfügen (Gern auch in den Geschmacksrichtungen Spott, Schadenfreude & Verachtung, auch unter Berücksichtigung von Clement, Merkel et. al.).

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