68 im Ruhestand

Wer etwas über das Lebensgefühl in Ehren und Reichtum ergrauter 68er erfahren will, sollte vielleicht nicht all die von ihren Feinden verfassten Dreckschleudereien lesen, oder das Gewinsel der Renegaten. 68 war echt ok, wer was anderes sagt, weiss nichts mehr von den damals üblichen Anzeigen wegen Kuppelei, wenn man einem unverheirateten Paar eine Wohnung vermietete, oder der geschlossenen Front der Aufnahmeverweigerung, der sich 1967 schwule Schaspieler in Städten mit 60.000 Einwohnern ausgesetzt sahen. Die 50er waren entsetzlich, Adenauer war eine abscheulich opportunistische Figur, es war Nazideutschland in schwarzer Übermalung, und Welt und Spiegel rissen sich damals noch um die NS-Propagandisten. 68 war weniger die RAF als vielmehr die Mehrheitsmeinung, dass sich was ändern muss. Dasm was die RAF zu weit ging, ist das normale 68 hinter den Zielen geblieben, aber sie haben es getan, auch wenn ihre Kinder jetzt als Grüne denen die Steigbügel halten, die rechtsextremen Koksschnupfern jedes demokratisch nicht wirklich legitimierte Loch zur Einkriechung hingehalten haben.

Das, mit Verlaub, ist jetzt unser Problem, 68er Probleme sehen ganz anders aus. Auch Revolutionäre haben ein Recht auf Rente und Ruhe und einen angenehmen Platz an der Sonne, besonders, wenn sich die heutigen Ü30er als feige Spiesser zeigen, die für die ökonomischen Totalitaristen auch heute wieder so etwas Geschmackloses wie der neuen Metternich Österreich anschliessen würden, wenn es sich denn rechnen würde. Wenn Rebellion mit Gratifikation ausgeknipst werden kann, haben alte Steineschmeisser jedes Recht der Welt, sich von ihrem erarbeiteten Vermögen einen hübschen Logenplatz zu bauen, die Linke zu wählen und hoffen, dass die übernächste, auf den globalen Markt getrimmte Generation keine dröge SS, sondern denkende Menschen werden. Und diesen Platz nun gestaltet man sich idealerweise hier:



In halbergmoos, in der Einflugschneise, wo aus Lausprechern bis in alle Ewigkeit Italopop vom nahen, zitronenbeblühten Land singt, und Amore, und dem unvermeidlich azurblauen Meer. Die Einrichtung dieses Showrooms italienischer Gartenmöbel sagt vieles, vielleicht alles über die Sehnsüchte derer, die hier angesichts des Wetters nur vereinzelt kommen, probesitzen und nervige Fragen zu Holzsorten, Umweltsiegel und Produktion stellen, die allesamt trefflich beantwortet werden. Es ist sowas wie der I*ea für Übergrownups, die Luft ist etwas besser und es ist genug Platz, man wird nicht weggedrängelt, und kaufen - und damit lang an der Kasse stehen - kann man hier eh nicht. Aussuchen, anrufen, zwei Wochen später wird es direkt aus Italien geliefert. Solange einem die aufgemalten Kulissen italienischer Häuser nicht abschrecken, denn im Katalog stehen Bridget, Ginger, Barnaby und Leandro am Pool vor blauem meer, oder in - gücklicherweise vollkommen kinderspielplatzfreien - Parks, wie sie in Italien, wo man sogar den Palazzo Te in Mantua mit dergleichen einrahmt, kaum mehr zu finden sind.

Teuer ist es natürlich auch. Aber man kann ja nichts direkt kaufen, also schaut man und erkennt, was die Wünsche derer sind, die es sich leisten können. Keine Frage, es ist ein guter Ruhestand. Man redet nicht über Geld, und wenn die Kinder doch fragen, sagt man, dass man natürlich nichts in Liechtenstein hat, wer sei man denn.

Es ist natürlich alles im Kleinwalsertal, und dann freut man sich über die entsetzen Blicke der Nachkommen.

Donnerstag, 13. März 2008, 20:48, von donalphons | |comment

 
Mal ehrlich, im Grunde sind wir 40something doch nur ein wenig neidisch. Selbst wenn man das Geld im Alter hätte, unsere Generation ist so geburtenstark, dass es für ein Ruhesitz im Süden auch dann nicht reicht. Angebot und Nachfrage und im Zweifel Überfüllung. Aber das ist unser Lebensschicksal.

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Das ist sehr individuell. Die Schlusspointe ist genau so einer lieben Freundin passiert, die ihre Eltern immer für vergleichweise Mittelmass und offen gehalten hat. ich vermute mal, dass "es" für sie später mal reichen wird, je nach Entwicklung von Pflegekosten etc. pp..

Umgekehrt habe ich heute einen höchst, naja, nicht lustigen, aber doch sehr bezeichnenden Fall gehört: Der Bruder eines Bekannten hat einen Teil seines Familienvermögens in einen Anteil an einer Wohnanlage am Gardasee gesteckt, die sehr schön, aber eben nur für Urlaubszwecke zugelassen war. In fünf der über 50 Wohnungen nun wohnten manche Leute dauerhaft, woraufhin die Polizei einfach die ganze Anlage zugemacht hat. So richtig mit Plomben und Durchsuchung. Wie lang? Welche Begründung? Weiss keiner.

Man weiss also nie, wie es am Ende ausgeht. Aber natürlich ist es nicht mehr so wie damals.

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Geld ins Kleinwalsertal?? Bringt das denn irgendwas?
(Ausser es ist in eine Hütte am Hohen Ifen investiert)

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Die Raiba Kleinwalsertal steht im Ruf, fast das neue Liechtenstein zu sein.

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Ach so... na für's österreichische Bankgeheimnis fahr ich lieber Richtung Fernpass.

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1, 2, sind wir nicht alle ein bisschen Liechtensteiner?

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Institution Geld
Es tut wohl, solches von einem U 40 zu lesen, einem dem Wohlstand zugetanen zudem.

Aber das war ja auch eines der zentralen Themen seinerzeit — und wird gerne unterschlagen in diesen schlampigen Pamphletereien (oder fällt durch den Rost des Sechs-Semester-Bachelor-Kopfes): Eben nicht nur durch die Institutionen sollte marschiert werden, sondern ALLE sollten gutes Geld verdienen, davon profitieren dürfen.

Erwähnt werden sollte: Das österreichische Magazin DATUM — betrieben von einigen (gerade noch oder ein bißchen drüber) U 30 und unterstützt von ein paar 68ern — hat in seinen aktuellen «Seiten der Zeit» die «Lauschgiftler» thematisiert. Daraus (und der hier verlinkten Seite) ist zu schließen: In Österreich hat die Revolution in der Kunst stattgefunden, hat es also nie über die Schwelle der guten Stubn geschafft. Um so bezeichnender ist es wohl, daß die Alpenrepublik schon lange vor Europa quasi grenzenlos war fürs immer liebe Geld aus der Nachbarschaft, ob in Jungholz oder im kleinen Walsertal.

Amüsiert, vor allem über den Schlenker von den 68ern in die Gartenmöbel, grüßt

Schmollsenior

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Nun, die Folgen werden unsere leistungswillig ohne besondere Ortsbindung stagnierenden arbeitgeberfreundlich schwarzwählenden Antisozialen ("L.O.B.O.S.A.SCH.A") zu spüren bekommen, wenn sie merken, dass mit rente nicht viel geht und das Herumgammeln und Mietmaulen später von Jüngeren besser gemacht wird. Da helfen auch alle Versuche, das irgendwie cool zu definieren a la "linker Neoliberalismus" nicht weiter. Auch nicht, wenn es eine nette Umschreibung für asoziale Selbstbereicherungmit Fördergeldern und Ritalin ist. Das mashup mit dem Klassenfeind ist der Highspeeddurchmarsch vom geleckten Speichel zur meisterschaft der Mastdarmakrobaten, und denen ist ein auskömmliches verbleiben in späterem Wohlstand, den sie allen zu nehmen bereitstehen, nicht wirklich zu wünschen.

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Ich nehm die unglaublich bequem aussehende Leseinsel hinten links. Dazu würde ich dann gerne noch einen weitläufigen Garten mit ein paar Obstbäumen (Kirsche, am besten) bestellen, unter die ich mich dann mit meiner Lektüre drapieren kann. Ach ja, und: Sommerwetter! Außerordentlich wichtig.

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Die "Leseinsel" ist eine verfickte Praktikantinnenfalle, sowas stelle ich ganz sicher nicht in meine Wohnung oder den Garten. Momentan schneit es am See, aber bis in ein paar Wochen sollte es gehen. Juni dann Kirschen.

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der Boden ist auch sehr nett...

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Soll ja auch nicht in Deinen Garten, sondern in meinen. Die Kirschen nehme ich aber trotzdem gerne. Das Sommerwetter hat übrigens höchste Priorität - dafür würde ich auch das Lesebett hergeben. Wenn auch äußerst ungern.

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Was willst Du mit Praktikantinnen anstellen?

Der Sommer wird dieses Jahr prima, was das Wetter angeht. Wusstest Du, dass Thomas Mann in der wirtschaftlich schlechten Zeit nach 1918 auch nach Gmund geflohen ist?

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Nun, die Praktikantinnen wiederum dürfen gerne in Deinem Garten bleiben - in meinem habe ich für sie keinen Bedarf. Mit auf die Leseinsel dürfen nur anständige Frauen (und Männer).

Und diese Tatsache über Thomas Mann war mir bislang nicht bekannt. Schade, dass ich so eine Abneigung gegen seine Literatur und die des Rests der Sippe habe, sonst würde sich ja eine dementsprechende Sommerlektüre anbieten.

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leider hat sich der Tegernsee literarisch nur bedingt als Sammelbecken wirklich lesenswerter Autoren gezeigt; viele alte Nazis und Reaktionäre wohnten dort. Aber das sollte einen nicht davon ab halten, etwas eigenes dagegen zu setzen. Ich habe Hoffnung, dass es gelingt.

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Was soll ich als deutlicher Ü50 jetzt dazu sagen? Dass "wir" 68er teilweise auch halbwegs normale Biografien zusammengestoppelt haben? Ganz ohne K-Gruppe, Grünen-Funktionärsdasein und Manufactum-Ruhestand. Hey, Leute, macht euch nix vor: Das was heute mit dem Etikett "68" beklebt wird, war keine Massenbewegung und schon gleich gar keine Kulturrevolution. Hätten "wir" 1974 sonst Willy gewählt? Na ja, wir sind ja dafür auch mit Schmidt bestraft worden.

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Sicher, das war keine Massenbewegung. Jedenfalls keine wie die, deretwegen das alles ausgelöst worden war, deren Führer zwar untergegangen war, nicht aber dessen Massen — es sei denn im Kanonenhagel oder in Sibirien. Und wenn sie aus den USA oder anderswo freigelassen worden waren, hatten sie zu großen Teilen die Freiheit, dort weiterzudenken, wo sie angefangen hatten, nicht zu denken. Freiheit: Das war ja die Bewegung, die sich formierte.

Zweifelsohne war es eine aufs eher studentische Milieu und deren Kreise konzentrierte, die gerademal bis VOR die Fabriken kam und, wie bei den geistesverwandten Österreichern, nicht in die Stubn hinein — es sei denn via Bildungszeitungen und ein paar flimmernden Informationsträgern. Letzere haben sie dann derart versorgt, daß sie wußten: Hier kann es sich nur um einen Angriff auf die Freiheit handeln, weshalb die Rübe runter mußte.

68er mit halbwegs normalen Biographien hat es viele gegeben. Sie dürften in der Überzahl sein, so es sie noch gibt. Aber es dürfte wohl kaum welche geben, die nach 1950 geboren sind. Denn auch die mittvierziger Jahrgänge waren bereits viel zu jung, um zu verstehen, was da eigentlich geschah. Deshalb kam es ja sehr wahrscheinlich auch zu diesen K-Gruppen-Bildungen und ähnlichem, zu diesen Ungeheuern aus den Köpfen von Pennälern, die ihre romantizistischen Träume auslebten und sich (irrsinnigerweise einmal mehr) den einen oder anderen Heros (um den Führer zu vermeiden) ausguckten, aber vermutlich nicht einmal wußten, was Revolution bedeutet. Das war wie heutzutage auf Frankreichs Straßen, auf denen am 14. Juli die Fête nationale getanzt wird: da weiß doch auch niemand (mehr), weshalb und was da gefeiert wird. Damals wie heute gehen die besonnenen Stimmen unter im Geschrei. Besonnen waren diejenigen, die dieses moralinsaure Anstandsgetue und die Verlogenheit abgeschafft wissen wollten, und zwar mit politisch-demokratischen, sicherlich bisweilen recht radikalen Mitteln. Der Gedanke eines Sozialismus spielte dabei eine wesentliche Rolle, allerdings keinen, der ein neues autoritäres System schaffen sollte, indem nur die Bessergestellten besser gestellt waren. Alle sollten vom Crémeschnittchen dieser Österreicherin abhaben, die die Franzosen (und schon gar nicht die Armen; woher auch?) nie verstanden hat.

Aber irgendwie hat das nicht geklappt, wie wir heute wissen. Und wir wissen auch, daß einige sich das eine ums andere Mal was anderes wünschen als Kindeskinder, die von Verlobung und kirchlichem Segen und keinem Sex vor der Ehe daherplappern und die CDU oder deren geistige Schwester FDP wählen und sich wundern, daß er sich später dann doch eine jüngere nimmt. Anständiges Geld genug an der Börse hat er ja gemacht ...

Dennoch und auf jeden Fall hat diese Bewegung einiges in Bewegung gebracht. Das ist ja wohl unbestreitbar.

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