Texxas-Marketing
April 2000 passierte das, was wir eigentlich schon Anfang 1999 gewusst hatten. Die Realität blieb weit hinter den Prognosen zurück. Die ersten bombensicheren Investments gingen in die Insolvenz und der Nemax auf Talfahrt. Mancherorts in der schicken Munich Area war man plötzlich stolz, Mitarbeiter präsentieren zu können, die schon früher die Krise laut vorhergesagt hatten. Im November 99 wurde man wegen Defätismus kaltgestellt, wenn man blöde Fragen an die Startup-CEOs richtete, ein halbes Jahr später war man als harter Durchgreifer höchst willkommen. Alles eine Frage der genau getimeten Ehrlichkeit und des Glücks. Während die einen splitterfasernackt aus dem real brennenden Luftschloss der New Economy rannten, konnte man selbst wieder rein, in einem dicken Asbestanzug aus Unterstützung durch gewisse Anälte, denen gewisse Investoren an die Gurgel gehen wollten.
Irgendwann spät nachts klingelte das Telefon, und an der anderen seite fragte jemand, ob ich morgen auf die Schnelle zu einem Meeting kommen könnte, ein Enterteinmentportal in die Mangel nehmen. Tags darauf wurde ich ein paar 20andsomethings vorgestellt, die sich der neuen Realität äusserlich durch dunkle Anzüge angepasst hatten. Dahinter war alles noch buzzword-verseucht, wie sie das so durch die Gründeseminare mitbekommen hatten. Konkret waren ihnen Anfangs des Jahres einige Millionen für das Marketing ihrer Firma versprochen worden, die der Investor jetzt nicht ausbezahlte. Statt dessen sollten sie ihm und den anwesenden Cracks erklären, wie sie die gleiche Marktpenetration mit einem niedrigen sechsstelligen Betrag schaffen wollten. Der Marketing- und gleichzeitig Bizzdev-Vorstand schmiss erst mal alle Tanjas ausser seiner Freundin raus, und gab eine Powerpoint in Auftrag, die er uns routiniert vortrug. "Synergien nutzen, Partner gewinnen, Guerllia Marketing, zirlgruppenspezifisch blabla..." alles ausser konkreten Ansätzen.
Man muss sie töten, solange sie klein sind. Also nicht melden, nicht räuspern, nicht um Erlaubnis fragen, sondern übers Maul fahren, american style: "Ok, ich denke, Du hast ein paar sehr wichtige Punkte gebracht, die in die richtige Richtung gehen, mit wem willst Du das umsetzen."
Er wollte mit Texxas, "dem Internetprogramm", oder auch "der Progranmmzeitschrift für das Internet". Die seien das kommende Ding, und irgendwie konnte man den Eindruck haben, dass ihm deren Geschäftsidee mehr zusagte, als das 1000. "Content is King, hear the money kling kling kling" Startup, für das er sich gerade in die Hölle schwafelte. Texxas käme aus Berlin und würde bald das TV Movie des Netzes sein, hätte einen enormen Vorsprung und tolle Partner, und die würden ihn und seine Chats und SMS-Aktionen und Gewinnspiele an den Mann bringen. Das sei wie im TV-Business, sie würden das perfekte Placement bekommen, und damit ihre Competition "wegzappen".
Ich hatte auch schon damals keine Glotze und brachte meine Abende lieber mit so was Ödem wie Recherche zu. Texxas hatte eine für damalige Verhältnisse und Ansprüche lachhafte Finanzierung von 2 Millionen bekommen. Auch wenn viele Medien die Klitsche als Berliner Vorzeigebtrieb jubelperserten, war das Geschäftsmodell Werbeeinnahmen, Auktionen und Kooperationen mit Content is King Startups ebenso vertrauenserweckend wie das bald stotternde Vorstand-Kind, das ausser den Visionen von Texxas so gut wie nichts über die wirtschaftliche Realität des kommenden Partners wusste. Aber in Berlin seien die schon die ganz grosse Nummer, arbeiteten mit den Netzpiloten und würden ausserdem erstklassiges Guerilla-Marketing betreiben, in den angesagten Gegenden der Stadt.
Der junge Typ im Anzug schwitzte weder Blut noch Wasser; dazu war er zu cool, selbstüberzeugt und naturprall. Es dauerte ein paar Wochen "hands-on Betreuung" und "Coaching", um ihn von seinem Trip runter zu holen und dem Startup eine tödliche Fusion mit einem anderen Buzzword-Bullshit-Bingo-Spieler zu verpassen. Das war vor dreieinhalb Jahren. Sollte ich jemals einen Funken von Reue verspürt haben, ist der mit dem heutigen Tag weg: An einer Strassenlaterne in einer schlechteren Ecke des Wedding habe ich den Rest des grandiosen offline Guerilla Marketings von Texxas gefunden.
Auch eine Möglichkeit, das Investment zu verpulvern. Immerhin schickt einem in Berlin niemand für solche Klebeaktionen eine Strafanzeige oder eine Rechnung. Texxas ging 2001 nach der planmässigen Verbrennung des Geldes so senkrecht pleite, wie es damals eben Sitte war. Die Website ist wieder aktiviert - angeblich sollte es im Sommer 04 wieder los gehen. Ob das Geld diesmal überhaupt für Sticker reicht?
Und nun eine Quizfrage im Gedenken an Texxas: Wer chattete als - Zitat - "Die Patin aller Tagebuchschreiber" im September 2000 bei Texxas.de?
Irgendwann spät nachts klingelte das Telefon, und an der anderen seite fragte jemand, ob ich morgen auf die Schnelle zu einem Meeting kommen könnte, ein Enterteinmentportal in die Mangel nehmen. Tags darauf wurde ich ein paar 20andsomethings vorgestellt, die sich der neuen Realität äusserlich durch dunkle Anzüge angepasst hatten. Dahinter war alles noch buzzword-verseucht, wie sie das so durch die Gründeseminare mitbekommen hatten. Konkret waren ihnen Anfangs des Jahres einige Millionen für das Marketing ihrer Firma versprochen worden, die der Investor jetzt nicht ausbezahlte. Statt dessen sollten sie ihm und den anwesenden Cracks erklären, wie sie die gleiche Marktpenetration mit einem niedrigen sechsstelligen Betrag schaffen wollten. Der Marketing- und gleichzeitig Bizzdev-Vorstand schmiss erst mal alle Tanjas ausser seiner Freundin raus, und gab eine Powerpoint in Auftrag, die er uns routiniert vortrug. "Synergien nutzen, Partner gewinnen, Guerllia Marketing, zirlgruppenspezifisch blabla..." alles ausser konkreten Ansätzen.
Man muss sie töten, solange sie klein sind. Also nicht melden, nicht räuspern, nicht um Erlaubnis fragen, sondern übers Maul fahren, american style: "Ok, ich denke, Du hast ein paar sehr wichtige Punkte gebracht, die in die richtige Richtung gehen, mit wem willst Du das umsetzen."
Er wollte mit Texxas, "dem Internetprogramm", oder auch "der Progranmmzeitschrift für das Internet". Die seien das kommende Ding, und irgendwie konnte man den Eindruck haben, dass ihm deren Geschäftsidee mehr zusagte, als das 1000. "Content is King, hear the money kling kling kling" Startup, für das er sich gerade in die Hölle schwafelte. Texxas käme aus Berlin und würde bald das TV Movie des Netzes sein, hätte einen enormen Vorsprung und tolle Partner, und die würden ihn und seine Chats und SMS-Aktionen und Gewinnspiele an den Mann bringen. Das sei wie im TV-Business, sie würden das perfekte Placement bekommen, und damit ihre Competition "wegzappen".
Ich hatte auch schon damals keine Glotze und brachte meine Abende lieber mit so was Ödem wie Recherche zu. Texxas hatte eine für damalige Verhältnisse und Ansprüche lachhafte Finanzierung von 2 Millionen bekommen. Auch wenn viele Medien die Klitsche als Berliner Vorzeigebtrieb jubelperserten, war das Geschäftsmodell Werbeeinnahmen, Auktionen und Kooperationen mit Content is King Startups ebenso vertrauenserweckend wie das bald stotternde Vorstand-Kind, das ausser den Visionen von Texxas so gut wie nichts über die wirtschaftliche Realität des kommenden Partners wusste. Aber in Berlin seien die schon die ganz grosse Nummer, arbeiteten mit den Netzpiloten und würden ausserdem erstklassiges Guerilla-Marketing betreiben, in den angesagten Gegenden der Stadt.
Der junge Typ im Anzug schwitzte weder Blut noch Wasser; dazu war er zu cool, selbstüberzeugt und naturprall. Es dauerte ein paar Wochen "hands-on Betreuung" und "Coaching", um ihn von seinem Trip runter zu holen und dem Startup eine tödliche Fusion mit einem anderen Buzzword-Bullshit-Bingo-Spieler zu verpassen. Das war vor dreieinhalb Jahren. Sollte ich jemals einen Funken von Reue verspürt haben, ist der mit dem heutigen Tag weg: An einer Strassenlaterne in einer schlechteren Ecke des Wedding habe ich den Rest des grandiosen offline Guerilla Marketings von Texxas gefunden.
Auch eine Möglichkeit, das Investment zu verpulvern. Immerhin schickt einem in Berlin niemand für solche Klebeaktionen eine Strafanzeige oder eine Rechnung. Texxas ging 2001 nach der planmässigen Verbrennung des Geldes so senkrecht pleite, wie es damals eben Sitte war. Die Website ist wieder aktiviert - angeblich sollte es im Sommer 04 wieder los gehen. Ob das Geld diesmal überhaupt für Sticker reicht?
Und nun eine Quizfrage im Gedenken an Texxas: Wer chattete als - Zitat - "Die Patin aller Tagebuchschreiber" im September 2000 bei Texxas.de?
donalphons, 03:43h
Dienstag, 21. Dezember 2004, 03:43, von donalphons |
|comment
siebenviertel,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 06:19
erinnert mich stark...
an meinen liebsten newsletter, flavorpill. nein halt, den gibts's ja noch. und hey, denen geht's auch noch richtig gut. muss daran liegen, dass sie tatsaechlich guten content bieten und das nicht nur auf sticker schreiben. oder dass sie nur ueber mund-zu-mund propaganda ihre subscriber anwerben. dass sie kein spam versenden. good karma.
sublit, das ist die firma dahinter, hat allerdings auch gnadenlose flops hingelegt, im laufe der zeit verschwanden die einen newsletter und andere tauchten auf - so sind die amis eben, wenn der markt dies nicht will, biete ich eben das. irgendwas wird schon funktionieren.
sublit, das ist die firma dahinter, hat allerdings auch gnadenlose flops hingelegt, im laufe der zeit verschwanden die einen newsletter und andere tauchten auf - so sind die amis eben, wenn der markt dies nicht will, biete ich eben das. irgendwas wird schon funktionieren.
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hella,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 08:39
Ganz schön leicht, die Quizfrage: C.H.
Patin? Eher "Unberührbare". Im übrigen wurde die Dame "She-Who-Must-Not-Be-Named" im besagten Interview, als "Mutter" aller Tagebuchschreiber" bezeichnet (Angabe aus dem Tagebuch/blog).
Patin? Eher "Unberührbare". Im übrigen wurde die Dame "She-Who-Must-Not-Be-Named" im besagten Interview, als "Mutter" aller Tagebuchschreiber" bezeichnet (Angabe aus dem Tagebuch/blog).
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donalphons,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 12:43
http://members.aol.com/minusmann/2000.html
und dann bis zum 21. September 2000 scrollen - keine Permalinks, dieses Blogurgestein.
und dann bis zum 21. September 2000 scrollen - keine Permalinks, dieses Blogurgestein.
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donalphons,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 14:04
Ob Texxas damals vielleicht so eine Art Friendster für Tagebuch-Mastodone war? Andere tegabuchschreiber wie
Claudia, das Webcamgirl sind inzwischen von uns gegangen...
Claudia, das Webcamgirl sind inzwischen von uns gegangen...
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hella,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 14:13
Vielleicht haben die in texxas ja früh erkannt, dass die Tagebuch-Schreiber eine Art "Web-Avantgarde" bilden. Damals war ja noch eine überschaubare Anzahl online, die untereinander sehr gut vernetzt war. Ansonsten sind die Online-Tagebuchschreiber eher als arme Psychopathen gehandelt worden. Ich kann mich da noch an einen sehr merkwürdigen Artikel in der c't erinnern.
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donalphons,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 14:34
Nein, zu der Zeit, September 2000, wurden die meisten Content-Angebote schon wieder heftigst beschnitten. Und wenn man 500 Tips pro Tag raushauen muss, sollte man nicht allzu wählerisch sein. Abgesehen davon: Heise denkt über Blogs noch heute so.
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hella,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 09:11
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donalphons,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 12:39
"aber aufpassen das der Wagen nicht abbrennt."
Wirklich.
Wirklich.
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girl,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 11:12
ahh, ganz was feines!
Löschung vom 09.12.2004
HRB 83946 B:
Texxas - Das Internet-Programm GmbH,
Zillestr. 38
10585 Berlin
Rechtsverhaeltnis: Die Firma ist erloschen.
...das geld wird also nicht mal mehr für sticker reichen.
Löschung vom 09.12.2004
HRB 83946 B:
Texxas - Das Internet-Programm GmbH,
Zillestr. 38
10585 Berlin
Rechtsverhaeltnis: Die Firma ist erloschen.
...das geld wird also nicht mal mehr für sticker reichen.
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donalphons,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 12:37
Aber eine Hamburger Agentur will es in Eigenregie wieder machen... auf zu neuen Fina, äh, Ufern
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der_immobilienmakler,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 14:23
@ minusmann
Als die derben Sexgeschichten und die krasse Ausdrucksweise sind echt übelst. Man sollte dieses "Genie" welches Fleischer und Steuerfachgehilfe ist mal bei den TOS Wächtern von AOL anzeigen.
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hella,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 14:35
Immerhin schon im Juli 1998 erstes video-blogging.
Early Adopters sind selten Intelligenzbestien.
She-Who-Must-Not-Be-Named ist meines Wissens gelernte "Europa-Sekretärin".
Early Adopters sind selten Intelligenzbestien.
She-Who-Must-Not-Be-Named ist meines Wissens gelernte "Europa-Sekretärin".
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donalphons,
Dienstag, 21. Dezember 2004, 14:40
Das ist noch gar nichts - eine sich als führende NE-PR-Beraterin der Munich Area ausgebende Dame war sich beizeiten nicht zu doof, auf ihrer Website ihr früheres Dasein als Floristin als besondere Qualifikation anzugeben.
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