Real Life 28.12.04 - Natura morte

oder das langsame Versacken in der Provinz. Es gibt Leute, die mein Verhalten nicht verstehen: Wann immer ich auf Flohmärkten oder in Antiquitätengeschäften bin, steuere ich zielsicher auf alte Kerzenhalter aus den Epochen vor der Elektrifizierung zu; und wenn sie mir leisten kann, nehme ich sie auch mit. In meiner Wohnung in unserem Stadthaus gibt es schon derer zehn; sechs im Hauptraum, zwei im Gang und zwei weitere im Bad.

Warum es nicht zu viele sind, zeigt sich an Abenden wie heute, wenn man die Tafel bereitet, mit frischen badischen Eiernudeln und würzigem Gouda, in Butter gedünsteten Austernpilzen und milden Zwiebeln, dazu Feldsalat mit Öl und altem Balsamico und eine Kanne Assamtee.



Denn genau dann, wenn man die Nudeln servieren will, kommen die Nachteile des Bauwerks zum Vorschein, in dessen oberstem Geschoss man sich befindet. Mit einem Schlag ist der Strom weg, irgendwo ausgeknipst zwischen den Bauperioden des 14. und 16. Jahrhunderts. Wenn man dennoch in Ruhe essen will, ohne bis zum Erkalten der Speisen durch die Strom- und Verteilerkästen zu kriechen - dann ist verständlich, warum man so viele Kerzenhalter sein eigen nennt. Dieses Szenario ergab heute letztlich nur ein hübsch abzusehendes Natura Morte, aber es gibt auch schlimmere Situationen, in denen man ohne Kerzen verloren wäre: Nachts beim Stromausfall unter der Dusche stehen etwa, oder endlich den nackten Rücken einer Frau zu sehen bekommen, auf den man schon so lange gewartet hat. Alles schon erlebt und überstanden. Und deshalb stürze ich mich auch weiterhin auf jeden Kerzenhalter, den ich kriegen kann.

Denn die Wege des Stroms sind in provinzieller Bausubstanz des 16. Jahrhunderts unergründlich, wie auch in Bauten der 20er Jahre in Berlin.

Mittwoch, 29. Dezember 2004, 04:11, von donalphons | |comment

 
Fiat Lux
gutes Licht kommt eben nicht aus einem glühenden Wolframdraht oder aus photonenschleudernden Neonröhren.

Die Wärme der Entropie. Unwiderbringliches Verbrennen von organischem Material. Das volles Lichtspektrum in Auge und Gehirn.

Feuer - ambivalentes Element der Zerstörung und des Lebens.

Ich hatte auch mal so einen Kerzenhalter-Tick (wenn auch mehr die anschraubbare Klaviervariante). Leider vergellt einem das Russproblem den alltäglichen Gebrauch dieses Lichtes.

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Hab ich bei meinen Bienenwachskerzen noch nicht bemerkt, aber gut. NE-Fritzen wie meinereiner sind ja immer vorne mit dabei, wenn es ums Verbrennen und Sengen geht.

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