Ehemaliges Jung von Matt/Isar Gebäude, Munich Area
Der Zerfall der New Economy manifestiert sich, im Gegensatz zu Industrieregionen, in der Regel nicht in Ruinen und verkommenen Gebäuden. Die New Economy war standortunabhängig, mobil und flexibel. Die Produktionsmittel - in der Regel Rechner und Server - waren klein und innerhalb weniger Stunden an einem neuen Ort aufgestellt. Das galt als eine Grundvorraussetzung für dynamisches Wachstum. Eigene Immobilien wären da nur ein Klotz am Bein gewesen, die obendrein die Rendite geschmälert hätten - selbst in München mit den steigenden Preisen. Was bingt einem 5% Wertzuwachs von Mauern, wenn die Firma nach einem Jahr mit 5.000% Wertzuwachs an die Börse geht?
Während also früher das Industriegebäude ein Alleinstellungsmerkmal war, Zeichen für Erfolg und Repräsentation, oft stolz auf den Aktien abgebildet wurde, standen für die Bauten der New Economy andere Merkmale im Vordergrund. Sie sollten flexibel teil- und erweiterbar sein, günstig, schnell erreichbar, und in einem kreativen Umfeld, das unter dem Schlagwort "Mediencluster" Austausch, Kooperationen und gegenseitige Verstärkung einer Zukunftsbranche versprach. Die Folge waren neue Komplexe wie die Oberbaum City in Berlin oder das Siemens Business Center of E-Excellence am Münchner Flughafen. Andere zog es ironischerweise in alte, brach liegende Industriebauten und Lofts früherer Gründerzeiten wie 1871, 1900, 1924 und 1948, die nach den Anforderungen der New Economy flexibel umgestaltet wurde. Beispiele sind die Hanauer Landstrasse in Frankfurt, die Brotfabrik in Berlin und die Media Works Munich an der Rosenheimer Strasse.
Überall ging dort ab 2000 der Dotcomtod um - die Folge waren sinkende Mietpreise, die Ansiedlung gar nicht mehr so zukunftsträchtiger Dienstleisten, und viel Leerstand. Aber kein sichtbarer Zerfall. Wann immer eine dieser Firmen drauf ging, reichte ein Container für den Müll aus. Die meisten Möbel waren praktisch neu, schick, und landeten in Geschäften wie etwa diesem Gebrauchtmöbelhändler in Münchens Gabelsberger Strasse, die Rechner waren ohnehin oft nur geleast. Man wollte schliesslich schlanke Strukturen und sich allein aufs Business konzentrieren, alles andere wurde outgesourced.
Die New Economy hat es in der Folge tatsächlich geschafft, zumindest in ihrem Untergang fast vollkommen virtuell zu bleiben. Die virtuellen Produkte wurden gelöscht und von den Servern geschmissen, die Hardware landete bei den Verwertern, und die Gebäude, die sie für ein paar Jahre wie Kakerlakenschwärme überfielen, sind jetzt von ihnen gereinigt, als ob es sie nie gegeben hätte. Keine Trümmer, keine Ruinen, keine Brandschicht. Nur dort, woher die folgenden Bilder stammen.
Wir befinden uns im nördlichen Schwabing, dem berühmten Künstlerviertel von München, in der ehemaligen Stettenkaserne an der Schwere-Reiter-Strasse. Die ist noch innerhalb des Mittleren Rings, aber die bevorzugten Wohngegenden, das klassische Schwabing der Türken- und Theresienstrasse, das eigentlich "Maxvorstadt" heisst, oder die Leopoldstrasse und der englische Garten sind weit weg von hier. Die Stettenkaserne lag in den 20er Jahren am nördlichen Stadtrand von München, und hier war genügend Platz für ein grosses Militärareal. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Anlage konsequent erweitert, bis sie nach dem Ende des kalten Krieges aufgegeben wurde. Gerade rechtzeitig für den Boom der New Economy übernahm die Stadt München das Gelände, und förderte die Ansiedlung junger, innovativer Firmen. Im Zufahrtsbereich steht das obige Gebäude; eine ehemalige Werkhalle, die früher unter anderem Jung von Matt an der Isar beherbergte. Und heute? Bitte hier lang.
Während also früher das Industriegebäude ein Alleinstellungsmerkmal war, Zeichen für Erfolg und Repräsentation, oft stolz auf den Aktien abgebildet wurde, standen für die Bauten der New Economy andere Merkmale im Vordergrund. Sie sollten flexibel teil- und erweiterbar sein, günstig, schnell erreichbar, und in einem kreativen Umfeld, das unter dem Schlagwort "Mediencluster" Austausch, Kooperationen und gegenseitige Verstärkung einer Zukunftsbranche versprach. Die Folge waren neue Komplexe wie die Oberbaum City in Berlin oder das Siemens Business Center of E-Excellence am Münchner Flughafen. Andere zog es ironischerweise in alte, brach liegende Industriebauten und Lofts früherer Gründerzeiten wie 1871, 1900, 1924 und 1948, die nach den Anforderungen der New Economy flexibel umgestaltet wurde. Beispiele sind die Hanauer Landstrasse in Frankfurt, die Brotfabrik in Berlin und die Media Works Munich an der Rosenheimer Strasse.
Überall ging dort ab 2000 der Dotcomtod um - die Folge waren sinkende Mietpreise, die Ansiedlung gar nicht mehr so zukunftsträchtiger Dienstleisten, und viel Leerstand. Aber kein sichtbarer Zerfall. Wann immer eine dieser Firmen drauf ging, reichte ein Container für den Müll aus. Die meisten Möbel waren praktisch neu, schick, und landeten in Geschäften wie etwa diesem Gebrauchtmöbelhändler in Münchens Gabelsberger Strasse, die Rechner waren ohnehin oft nur geleast. Man wollte schliesslich schlanke Strukturen und sich allein aufs Business konzentrieren, alles andere wurde outgesourced.
Die New Economy hat es in der Folge tatsächlich geschafft, zumindest in ihrem Untergang fast vollkommen virtuell zu bleiben. Die virtuellen Produkte wurden gelöscht und von den Servern geschmissen, die Hardware landete bei den Verwertern, und die Gebäude, die sie für ein paar Jahre wie Kakerlakenschwärme überfielen, sind jetzt von ihnen gereinigt, als ob es sie nie gegeben hätte. Keine Trümmer, keine Ruinen, keine Brandschicht. Nur dort, woher die folgenden Bilder stammen.
Wir befinden uns im nördlichen Schwabing, dem berühmten Künstlerviertel von München, in der ehemaligen Stettenkaserne an der Schwere-Reiter-Strasse. Die ist noch innerhalb des Mittleren Rings, aber die bevorzugten Wohngegenden, das klassische Schwabing der Türken- und Theresienstrasse, das eigentlich "Maxvorstadt" heisst, oder die Leopoldstrasse und der englische Garten sind weit weg von hier. Die Stettenkaserne lag in den 20er Jahren am nördlichen Stadtrand von München, und hier war genügend Platz für ein grosses Militärareal. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Anlage konsequent erweitert, bis sie nach dem Ende des kalten Krieges aufgegeben wurde. Gerade rechtzeitig für den Boom der New Economy übernahm die Stadt München das Gelände, und förderte die Ansiedlung junger, innovativer Firmen. Im Zufahrtsbereich steht das obige Gebäude; eine ehemalige Werkhalle, die früher unter anderem Jung von Matt an der Isar beherbergte. Und heute? Bitte hier lang.
donalphons, 19:48h
Dienstag, 3. Mai 2005, 19:48, von donalphons |
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schallundrauch,
Dienstag, 3. Mai 2005, 23:44
So ist München halt auch: vorne Hui, hinten Vockerode.
Bin mal gespannt, ob Du Dein Heimweh mit dem Umzug stillen kannst. Ich befürchte: nein.
Bin mal gespannt, ob Du Dein Heimweh mit dem Umzug stillen kannst. Ich befürchte: nein.
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donalphons,
Mittwoch, 4. Mai 2005, 02:54
München nicht als Slum empfinden heisst noch lange nicht München mögen.
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grisi,
Dienstag, 13. September 2005, 14:04
angebliche Schwabinger Ruinen der New Economy
Schöne Fotostrecke, doch leider in relativer Unkenntnis der Sachlage beschrieben, bzw. mit dem verbissenen Willen, die eigenen Vorurteile zu bestätigen: Die hauptsächlich fotografierte Halle z.B.beherbergte eine Ateliergemeinschaft aus Schreinern, Fotografen, Goldschmieden, Grafikern usw. Der Tresor diente nicht zur Anhäufung von Risikokapital, sondern gehörte dem Goldschmied. Die rote Wand war in einem Showroom für Bodenbeläge.
Und gegenüber war eine Autowerkstatt.
Klar waren auf dem Gelände auch ein paar Lackaffen, doch der überwiegende Teil war jetzt nicht speziell New Economy: Werbe- und Konzertagenturen, Filmproduktionen, Geräteverleih und so.
Das Gelände liegt auch nicht wegen dem Downturn in Agonie (alle wären gern geblieben!), sondern wegen der Kündigung durch die Stadt München, die Wohnungen bauen will.
Tut mir leid, aber so geht es, wenn man schon vorher weiß, was man sehen will...
(Übrigens: das mit den Künstlern in Schwabing ist schon ca. 90 Jahre her. Bitte nie wieder "Künstlerviertel Schwabing" schreiben.)
Und gegenüber war eine Autowerkstatt.
Klar waren auf dem Gelände auch ein paar Lackaffen, doch der überwiegende Teil war jetzt nicht speziell New Economy: Werbe- und Konzertagenturen, Filmproduktionen, Geräteverleih und so.
Das Gelände liegt auch nicht wegen dem Downturn in Agonie (alle wären gern geblieben!), sondern wegen der Kündigung durch die Stadt München, die Wohnungen bauen will.
Tut mir leid, aber so geht es, wenn man schon vorher weiß, was man sehen will...
(Übrigens: das mit den Künstlern in Schwabing ist schon ca. 90 Jahre her. Bitte nie wieder "Künstlerviertel Schwabing" schreiben.)
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