They hired a contract shopper

Du fühlst dich etwas schmutzig, als du deinen verdreckten Punto hinter dem blitzsauberen, lindgrünen Mercedes abstellst. Keine gute Vorraussetzung, denn da drinnen musst du der ordentliche Sohn aus besserem Haus sein, der täglich zweimal duscht und gepflegte Fingernägel hat. Nicht, dass du nicht darauf achtest; es ist dir in Fleisch und Blut übergagangen, aber der lindgrüne Mercedes verheisst gesteigerte Ansprüche. Da drinnen krachen gerade geballte Repräsentationswünsche aufeinander. Frau P., die schon immer, seit du sie kennst, lindgrüne Mercedes-Limousinen fährt, wird die nötigen Assets an ihrem Körper mitgeschleift haben, und deine Eltern sind auf solche Überfallkommandos der besseren Gesellschaft eingestellt.

Es ist nicht so, dass sie nicht auch schon früher aus mehreren Geschirren hätten auswählen können. Aber das hat sich dank deiner Einkäufe in Berlin und der Neigung deiner Frau Mama geändert, diese Dinge, die sie eigentlich gar nicht braucht, dann nach zwei Wochen dringenst zu benötigen. Das geht dann so: *bimmelbimmel* - "Mein mittelgrosser Pastetenheber. Alphonso, ich brauche den jetzt." "Frau Mama, Sie sagten aber, ich könnte den wieder mitnehmen..." "Wirklich, Alphonso." "Frau Mama, Sie haben doch auch den grossen Pastetenheber." "Ja, aber mit dem beschäme ich Frau K., der ist zu protzig." Nur falls sich jemand mal wundern sollte, warum du nur zwei mickrige Pastetenheber besitzt. Für die Frau P.s dieser kleinstädtischen Welt stehen jetzt immer zwei grosse Tabletts voller notwendiger Waffen bereit, und die Abwehrfront steht meistens, noch bevor sich der Besuch gebührend über das Wasserspiel vor der Terasse äussern kann.

Tatsächlich plätschert ein wenig Wasser über den arabesken Steinbrocken, und daneben sitzen sie vor Damast, Silber und Porzellan und tauschen sich über die Neuigkeiten des Provinzdaseins aus. Du gibst artig die Hand, mit angedeuteter Verbeugung, und kannst schlecht einfach Richtung Arbeitszimmer und Internet verschwinden, zumal dir ausdrücklich ein Platz angeboten wird. Frau P. erzählt von ihren Töchtern, deren ältere gerade dabei ist, sie zum dritten Mal zur Grossmutter zu machen. Und alle sehen aus wie die Mutter. Die weiblichen P.´s haben die Sorte Gene, mit denen man notfalls auch Metall fräsen, Flugzeuge abschiessen oder Tunnel sprengen kann. Noch in Jahrhunderten werden sich die P.´s ihre Bresche durch den Genpool dieser Welt schlagen, keine Frage. Die jüngere Tochter ist etwas aus der Art gschlagen; immer noch Single und nie daheim. Noch. Aber das werde sich schon ändern.

Deine Frau Mama erklärt, dass du nun auch wieder oft in der Provinz sein wirst, und deine Zelte in Berlin abbrichst. In Frau P.´s Kopf entsteht wahrscheinlich die Illusion eines verlorenen Sohns, eines reuigen Sünders, der in den Schoss seines Clans zurückkehrt. So zumindest interpretierst du ihre Begeisterung, ihren dezenten Hinweis, du könntest doch dann mal ihre jüngere Tochter treffen, wenn sie auch hier ist. Du revanchierst dich mit ein paar Bemerkungen über deine Pläne zum Ausbau deiner Wohnung; schön soll sie werden, antik, repräsentativ, nicht so billig, und vor allem: Kein Acryl. Sagt auch übrigens die aktuelle House & Garden. Das sitzt. Frau P. schaut etwas betroffen auf den Tisch, und stochert mit der Vorlegegabel in den kleinen Gebäcken.

"Schöne Gabeln", wechselt sie das Thema und läuft deiner Mutter damit gleich ins Vorlegemesser. Die, so sagt sie, hat ihr Sohn aus Berlin mitgebracht, Geburtstagsgeschenk, allerliebst mit kleinen Putti drauf. Tatsächlich fandest du die Teile damals ziemlich grenzwertig; knorpelige Gründerzeit, die versucht, falschverstandenes Rokkoko zu imitieren. Hier, auf dem Gartentisch, sind sie erträglich. Irgendwie sogar hübsch. Ob es in Berlin oft dergleichen gebe, will Frau P. wissen, und bereitwillig gibst du ihr Auskunft. Frau P. japst schlussendlich nach Luft, als Du beiläufig die Notwendigkeit einer neuen Silbervitrine erwähnst. Und als du sagst, dass du es inzwischen einfach nicht mehr kaufst, weil du nicht nochmal so Zeug brauchst, kann sie nicht mehr an sich halten und fragt, ob du ihr nicht vielleicht, natürlich nur wenn du so etwas siehst und natürlich gegen sofortige Bezahlung dieses und jenes und das, was sie nie findet, mitbringen könntest. Habgier ist in diesen Kreisen normal, man kennt sich ja, und wird zumindest hier kaum kaschiert vorgetragen.

Mit deiner Einwilligung in ihr Begehren ist auch die Höflichkeits-Viertelstunde vorüber, und du ziehst dich zum Rechner zurück. Du wirst ihr das Gewünschte mitbringen, sie werden dich einladen, in ihrem Garten zu sitzen, ihre ältere obszön aufgequollene Tochter wird dabei sein, die quäkenden Blagen, vielleicht auch die Missratene, und du wirst dir wünschen, dass man dich erschiesst, wenn du auch so werden solltest. Denn du kennst diese lindgrünen Mercedes-Schlitten noch aus den 70er Jahren. Frau P. hatte den damals von ihrem Vater bekommen, und über uns über mit Blumen und Parolen bemalt. Am Wochenende war der Mercedes über irgendwelche Feldwege gehoppelt, wo Frau P. Gerüchten zufolge seltsame Sachen rauchte. Ihre Kinder hatte sie am Anfang noch auf alle Ostermärsche mitgeschleift. Und überhaupt sehr progressiv getan, die indischen Perlen gleich neben der Luxusuhr, und die Gabeln aus dem Familiensilber hatte sie zu Armringen umarbeiten lassen. Du wirst bei ihr Tee trinken und den kleinen Finger nicht zu sehr abspreizen, du wirst das ordinäre, viel zu teure Stilmöbel bewundern, das den Acryltisch abgelöst haben wird, und in dem Wissen lächeln, dass es im Netz jederzeit und immer Anleitungen zum Bombenbau gibt.

Mittwoch, 4. Mai 2005, 18:28, von donalphons | |comment

 
Sehr geil...
...oh du Sohn aus besserem Hause. Schön getroffen, das Szenario :)

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