Welche Geister?

Wie ist es denn so, Allerheiligen in so einem alten Haus? fragt eine etwas unbedarfte Frau, während sich vor dem Fenster des Lokals Nebelschwaden zusammenballen.

Wie soll es schon sein. Der berühmteste Tote des Hauses liegt sicher in einem Schrein in Altötting, da kann nichts passieren. Von den anderen Verbrechern war hier nur die zweite Reihe, die Illuminaten, die hier wohnten, waren gar nicht so wie allgemein behauptet. Faustus himself wohnte nicht hier, sondern 50 Meter die Strasse runter. Johannes Neydecker hatte allenfalls lokale Bedeutung, und gerade wegen Leuten wie ihm wird doch sicher kein Umtrieb sein, ich mein, das Haus stinkt doch bis heute nach der Gesellschaft, das mögen Geister nicht. Dass die Bodenplatten früher Grabsteine waren, ist nur der Sparsamkeit der Bauherren zu verdanken, die in die Fussböden als Bauopfer eingebrachten Katzen haben wir entfernt, und die Dolche im Dach, da würde ich mir nichts denken, damit hat man wohl längst zerfallene Fledermäuse angepint, Mordwaffen versteckt man besser und ausserdem wussten die früheren Bewohner, dass Bücher viel wirksamer sind als Stahl. Und ausserdem lukrativ, nicht umsonst konnten sie sich die lebensfrohe Rokokokirche daneben leisten.



Das ging nur, weil sie so berühmt waren - dank ihrer aufgeklärten Haltung. Das waren mit die ersten im Katholizismus, die mit den Legenden über Leichen aufgeräumt haben und nachschauten, was da nun drin ist. Gut, die Sache mit den Todesurteilen für Malefizpersonen auf dem Scheiterhaufen, die in Enthauptung umgewandelt wurden, wenn sie ihren Körper zu medizinischen Zwecken freigaben, das war kein Ruhmesblatt, aber: Immerhin war man sich nach über 100 Jahren Untersuchungen und vielen toten, aufgeschnittenen Frauen recht sicher, dass Hexentum den Körper innen nicht verändert. Hey, das war damals eine akademische News, die sich von diesem Haus in die Welt verbreitete!

Bleibt nur die Sache mit dem Keller. Der lief mal voll, wegen eines Wasserrohrbruchs. Aber als dann die Feuerwehr da war, war das Wasser schon wieder verschwunden. Durch den Fussboden. Einfach so. Man geht davon aus, dass darunter noch was kommt, und man sieht auch, dass die Treppe früher noch weiter nach unten führte, ein Bogen des Zugangs ist noch erkennbar, wenn man die alten Grabsteine - ja, wir haben Grabsteine im Keller, na und? Keine Ahnung wieso, die waren schon da, als wir das Haus vor 150 Jahren, also wo war ich, genau, also, dahinter ist eine vermauerte Tür, da geht es in einen weiteren, tieferen Keller. War auch irgendwo logisch, denn irgendwo mussten Orban und seine Kumpels ja ihre alchemistischen Experimente... Orban? Nur ein weiterer Fanatiker, jedenfalls, nachdem im Convikt nebenan nichts dergleichen ist, haben sie das alles wohl da unten gemacht. Na so Sachen halt. Orban war ein echter Freak, was sowas anging, skupellos und ehrgeizig, vornerum sehr gläubig, hintenrum dagegen... Aber immerhin, das ist nun mal der Beginn der Naturwissenschaften.

Also nix unheimlich, christliche Aufklärung Galore. Du kannst ja nachher mitkommen, dann zeige ich Dir mal den Wandschrank mit der weissen Frau, die aber immer nur kommt, wenn jemand stirbt, da brauchst Du keine Angst haben, ich hab sie jetzt schon seit 5 Jahren nicht mehr gesehen... nein? Ach komm, man gewöhnt sich an alles in so einem alten Haus. A propos weisse Frau: Habe ich eigentlich schon mal die Geschichte von der grossen Tuberkoloseepedemie erzählt, als es das ganze Hinterhaus hingerafft hat, aber aber, kein Problem, ich mein, als die Toten draussen waren, hat man gleich danach wieder eine Bäckerei reingebaut, da hat sich doch kein Mensch was bei gedacht, alles locker, also ...

Dienstag, 1. November 2005, 06:53, von donalphons | |comment

 
Also, mich würde der Keller interessieren. Ich bringe auch meine Spitzhacke mit :-)

Zu der Weissen Frau: Sieht sie gut aus? Wenn nicht, dann ist mir schon klar, warum sie im Schrank wohnt :-) Zahlt sie wenigstens Miete?

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Ich warne: Orban hat es mit dem Goldmachen nachweislich nicht geschafft, es lohnt also nicht wirklich.

Die Dame hat einen unkündbaren Mietvertrag zu Sonderkonditionen, und sie war schon lange vor uns da. Ausserdem ist sie gewissermassen exterritorial, da sie dem christlichen Spektrum zuzuordnen ist, und da mischt man sich in meiner Rass nicht ein.

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Scheint ja sowas wie ein Biotop für gefährdete Geister zu sein. In den Neubaugebieten werden die ja nicht heimisch. Die müssen dir die Füsse küssen. Hätte ich auch keine Angst - denn die müssen Angst haben, bei dir ausquartiert zu werden oder einen Entkernungs-Sanierer zum Opfer zu fallen.

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Da ist nix. Nur das übliche. kein Grund zur Beunruhigung. Und nary Shelley kannte dieses Haus ganz sicher nicht, als sie sich die Architektur von Frankensteins Gemach ausdachte. Alles kein Problem, und schon gar nicht, wenn man nicht aus deren Kulturkreis kommr. Die Geister, das sind die anderen.

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Ich geh davon aus, dass zumindest zwei Straßen weiter die Fleißer spukt (ist da noch dieses Messergeschäft?). Wenn es in dieser Stadt eine geplagte, gebrochene Seele gibt, dann sie.

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Es ist nur eine Strasse - und da ist inzwischen ein Museum für sie, die Stadt lässt sich nicht lumpen und die Frau kann sich nicht dagegen wehren - zumindest ist noch nicht bekannt, dass irgendwelche Zeitungsverlegerzombies Nachts um den Block gepeitscht werden.

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Der Verlegerzombie ist ja wenn, dann hoffentlich am Aloisiweg zugange. Oder in den Kirchen, deren Glasfenster er spendiert und entworfen hat. Oder in den ehemaligen Redaktionsräumen von Konkurrenzblättern, die er erwürgt hat.
(Museum, so. Ich muss wohl doch mal vorbeikommen.)

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Tu das. Sein Geist spukt wohl weiter - das anderen unter den nazis abgenommene sein Blatt geht momentan mit Verfügungen gegen die neue, winzig kleine Konkurrenz vor, die zwar auch nur Schmarrn schreibt, aber halt vom Anzeigengeschäft 0,0001% wegnimmt. Und vielleicht ist er selbst ja bei seinen Freunden einer gewissen zeitgeschichtlichen Forschungsstelle, die heute in Kipfenberg redidieren soll, zu Gang.

In Kipfenberg gibt es halt leider noch was anderes als nur die Schokobombe im Café Reitzer.

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die tiefen keller hatte man früher, meistens standen die noch über einige grundstücke hinweg in verbindung. war in gewisser weise auch praktisch, wenn mans eilig hatte und dabei nicht gesehen werden wollte.

also wenigstens eine weisse frau.

hoppla- wo kommt die denn her? die jesuiten, das war doch mehr ein männerbund, sonderbar eigentlich.

ach so, die sind erst später eingezogen, und da war die schon da. die jesuiten konnten da gar nichts machen, erstens war sie schon von früher her da, und gegen so eine dickkopferte bairin war auch die societas jesu machtlos. da war es das gescheiteste, das gar nicht erst zur kenntnis zu nehmen, nicht so wie die berliner aufklärer, von wegen wir sind so klug, und trotzdem spukts in tegel.

aber so ein palais ohne einen hausgeist, das wäre ja wohl überhaupts nix. da könnte man ja gleich in die vorstadt ins eigenheim ziehen.

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Meine Frau mama jedenfalls hatte so viel Angst vor ihr, dass mein Grossvater sie in der Dunkelheit immer zur Toilette über den Flur begleiten musste, und draussen vor der Tür musste er dann ununterbrochen pfeifen, singen oder fluchen, um zu zeigen, dass er noch da war. Und mein Grossvater wiederum war ein Mann, vor dem auch weisse Frauen Respekt haben dürften.

Tiefe Keller: Ironischerweise ist gegenüber der Garten eines Franziskanerinnenklosters gewesen, nur wage ich zu behaupten, dass die damals schon nicht besonders knusprig waren - ausserdem gab es einen fanatischen Hass zwischen den Braunkitteln und der Gesellschaft, was letztlich den Bau der eigenen Kirche zur Folge hatte.

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Übrigens, mal eine Frage: Hat eigentlich jeder heute feiertag oder ist das nur bei uns in Bayern so? Irgendwie ist heute für einen Feiertag verdächtig viel los...

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Ich sitze im Büro und blogge zwischen Presseterminen und Layoutbesprechungen. Feiertag? Nicht die Bohne.

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Oha. Do led i mi glei nida. ;-)

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Feiertag? Ich fertige ein Trainingsmodul für einen Pharmaaussendienst an. Zwischen zwei Slides wird immer mal wieder nach Don gesehen.

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omei omei. gedenkt da oben keiner der Toten? Kein Leichenkult?

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Nur bei den Katholen, Don. Und die Protestanten in Sachsen, aber nur dort, hatten gestern frei, um Reformationstag zu feiern. Der Rest hat auch den Buß- und Bettag an die Pflegeversicherung verloren.

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Das Gedenken an die Toten
haben die Protestanten praktischerweise gleich auf einen Sonntag irgendwann im November verlegt, oder?

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Zwei Stück, Volkstrauertag und Totensonntag hintereinander. Was den Norddeutschen nicht davon abhält, an solchen Tagen Messen (im Sinne von Ausstellungen) zu veranstalten.

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Sie meinen den Totensonntag, der immer auf den letzten Sonntag im November fällt - so der erste Advent nicht auch schon im November ist -, und mit dem das evangelische Kirchenjahr endet.
Nachtrag: Volkstrauertag ist der Sonntag davor, an dem sie dann immer ökumenisch an den Kriegerdenkmälern herumstehen.

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Und die Protestanten in Sachsen, aber nur dort, hatten gestern frei, um Reformationstag zu feiern.

Die in Brandenburg auch.

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Ich seh' gerade, in Meck-Pom, Thüringen und Sachsen-Anhalt ebenso.

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Ah ja, dann ist heute quasi Preussentag bei Rebellen ohne bayerische Cyberslacker.

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Auch in der Pfalz mit bekannt starkem historischem Bayernbezug ist Feiertag.

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