Abhärtung

Ich bin ein Kind der nebligen Niederung. Wie es so schön in "16 Tons" heisst: I was born one morning when the sun didn´t shine. Auch am Tag meiner Geburt war es neblig. Die graue Suppe hat die Stadt und ihre Menschen fest im Griff; vielleicht denken sie deshalb so begrenzt und kurz, vielleicht ist der Blick deshalb so auf die eigene, kleine Umgebung fixiert, die Beschränktheit des Daseins auf Konzertverein, Familie und Karriere leitet sich davon ab und die seltsame Neigung vieler Bewohner, die Zeitung bei den Todesanzeigen zu beginnen. Von Oktober bis Mai hat das Grau vom Fluss und den früheren, der Natur brutal umklammert.



Nirgends in Altbayern, auch nicht am Flusslauf verbeisst sich das kalte Nass so sehr in die Gassen und Winkel, hält sich Tage und Wochen und drückt schwer auf jede Lebensfreude. Manchmal verschwinden die Farben erst nach hundert Meter, manchmal sieht man kaum bis zum nächsten Eck, und die Feuchtigkeit ist so nass wie Regen. Nur ein paar Kilometer weiten, auf den Höhen, die das Tal einfassen, strahlt die Sonne, und wenn man im Münchner Hofgarten sitzt und sich noch im November mailändisch fühlt, ahnt man kaum die nicht enden wollende Finsternis ein wenig weiter im Norden.

Und dennoch... es macht hart. Hart genug für das Leben in weniger glücklichen Städten. Berlin zum Beispiel. Ich habe zwei üble Winter in Berlin überlebt. Das Grau, die reduzierten Farben und der Druck auf der Seele, das alles kenne ich. Das Ausgeliefertsein an eine Natur, die keine Katastrophe bringt und dennoch das Leben vergällt. Die Einsamkeit beim Eilen durch die Strassen, die sinnlose Suche nach Wärme und einen Ort, den man Heimat nennen könnte. Das alles erträgt man leichter, wenn man das Leben im Grau gewohnt ist.

Original Müncher, Kinder des Lichts, vermute ich, müssen in Berlin verkümmern.

Mittwoch, 9. November 2005, 11:18, von donalphons | |comment

 
Naja -- ich will Ihnen ja im Prinzip Ihre düsteren Berlinerfahrungen nicht absprechen, aber im Moment sieht es hier anders aus: die Sonne scheint durch güldene Blätter und die Freisitze sind geöffnet.

... link  

 
Ich weiss schon - der sibirische Ostwind sammelt gerade noch seine Kräfte. Letztes und vorletztes Jahr dagegen war das November in Berlin novembrig.

... link  

 
Nun, ich habe auch schon in München gearbeitet und gebe Ihnen insofern recht, als der Winter normalerweise dort später beginnt und früher endet als in Berlin.

Allerdings glaube ich, daß das eher mit dem Nord-Süd- als mit dem Ost-West-Unterschied zu tun hat, denn so viel weiter westlich liegt München gar nicht (ungefähr auf der Länge von Magdeburg und noch östlich Schwerins).

... link  


... comment
 
Die original Münchner sind in München aber scho ganz gut aufgehoben.

... link  


... comment