Kleines bloggerjournalistisches Schisma 2007

Mediokre Anmerkungen zu einem Armageddon-Beitrag von Thomas Knüwer.

Aber nein. Blutig wird da gar nichts werden. Was Thomas da als Endkampfszenario der wenigen Reformer gegen die träge Masse der Unbelehrbaren entwirft, wird so nicht kommen. Aus einem ganz einfachen Grund. Diejenigen Journalisten, die effektiv und nachhaltig als Blogger eingesetzt werden können, ist sehr, sehr klein. Es müssen Leute sein, die in beiden Bereichen gleichermassen fähig und zudem als Persönlichkeiten überzeugend sind, um sie innerhalb eines vertikal organisierten Medienbetriebs gross werden zu lassen. So gross, dass man sie als "Marke" ins Medium hieven kann. Dass sowas selbst bei Rampensäuen nicht immer klappt, hat man im letzten Jahr zur Genüge gesehen: Ehrensenf stürzt bei Spiegel ab, Toni Mahoni war nicht der Bringer bei Focus.de, und Riesenmaschine soll, was man so hört, im Print bei Zitty auch nicht der Brüller sein.

Ich glaube, Blogger in ein klassisches Medium reinquetschen, bringt wenig. Das ist wie ein Haifisch im Goldfischglas. So ein Hai macht im offenen Gewässer ordentlich was her, aber in den de-facto-Strukturen der Medien wird er schneller assimiliert als ein Grünenabgeordneter von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Ganze Blogs zu kaufen und bestehen zu lassen wäre vielleicht ein Weg, aber davon sind die meisten Verlage geistig noch Lichtjahre entfernt. Und so viele Blogger, die man dafür verwenden könnte, gibt es hierzulande nicht. Wenn ich die angedeuteten Beispiele bei Thomas Knüwer lese: Turis geplante Medienklitsche wird journalistisch fast so brilliant und unbestechlich sein wie das früher Net-Business auch schon war, und möglicherweise ähnlich schnell pleite. Ansonsten fallen mir allenfalls 15, 20 Blogger ein, von denen ich glaube, man könnte sie als authentische, bekannte Stimmen aufbauen - darunter manche in Lagern, die ich journalistisch als Brachland sehe. Statler von Statler und Waldorf etwa hat unbestreitbar was auf dem Kasten, aber er wendet sich an ein nicht existierendes Publikum - es sei denn, man wollte glauben, dass die Apothekerpartei FDP es Ernst meint mit Liberalisierung, Deregulierung und Subventionsabbau. Der Rest könnte dann den Beweis antreten, dass die alten Berliner Seiten der FAZ im Internet besser laufen.

Bleibt also nicht viel, was man da als Injektion in die Medien benutzen könnte. Aber ist das denn so schlimm? Wo ist eigentlich das Problem, wenn Medienkonzerne den Bach runter gehen? Ihre Zeit ist einfach vorbei, so wie die Zeit der Plattenfirmen, Filmstudios, Kerzenzieher, Faustkeilproduzenten. Es wird für alte Herrschaften weiterhin ein lukrativer Markt bleiben, wohingegen das Internet die gesamte Spannbreite des Lebens abdecken wird. Es wird nicht darum gehen, wie gross man einen einzelnen Blogger machen kann. Das kann lediglich eine individuelle Exitstrategie für Einzelne sein. Es geht um das Ganze, um die Individuen unabhängig von Quote und Leserzahl. Wie man damit Geschäfte macht, wissen Gruner + Jahr mit Neon und die Süddeutsche Zeitung mit jetzt.de.



Gestern Abend war ichseit langer Zeit mal wieder Zeitschriften kaufen. Ich hatte, wie manche vielleicht wissen, ein sehr intensives automobiles Vorleben, und eine Weile auch etwas andere Autos unter dem Hintern, als ich sie heute fahre - mit mehr als 200, 300 PS mehr als die Barchetta, und auf anderen Strecken. Damals habe ich mich sehr intensiv mit Fahrzeugen auseinandergesetzt, und weil ich den Ankauf eines Klassikers plane, habe ich mal wieder eine Autozeitschrift gekauft. Aber hallo. Freunde: Es ist vorbei. Entweder den Machern der Blätter fallen ganz schnell erfolgreiche Konvergenzkonzepte ein, oder sie gehen unter. Weil ihnen die Kleinanzeigen weggebrochen sind. Das merkt man auch an den Zeitschriftenpreisen.

Das Leck, durch das die Presse hier zu sinken droht, ist so gross, da kann auch der beste Blogger der Welt nichts mehr zuschweissen. Lediglich Scharlatane können da vielleicht "Lösungen" verticken, die so sinnvoll sind wie die Alraune es bei der Pest war. Vielleicht ist es an der Zeit, sich zu überlegen, wie man der babylonischen Gefangenschaft durch Werbung und PR entgeht. Ich habe damals im Blogbuch geschrieben - und bin unverändert der Auffassung - dass Qualität, bedingungslose Qualität und Kreativität das Einzige ist, was hilft.

Alles andere, der ganze Dreck, die Lügen, die PR, kann das Internet genauso mies rüberbringen. Ich glaube fest an den Wert der Wahrheit und an erkennbare Marken und Stimmen. Es reicht eben nicht mehr, irgendwas zu schreiben - wichtig ist auch, wer etwas schreibt. Und noch weiter: Wer dann kommentiert. Page Impressions sind nichts. Konversationen sind alles. Und meine Verachtung für diese verfickte Drecksbande der PRoleten, diesen Abschaum des Netzes und seiner dienstbaren, immer offenen Arschlöcher unter Medien und Bloggern resultiert auch aus dem Umstand, dass sie das lange vor den Medien selbst erkannt haben. Sie sind unfähig, diese Konversationen zu steuern, sie kriegen jedesmal was aufs Maul, aber das sind die Kackbratzen, die Gift in das Kommende träufeln, sie sind für das, was als Wahlspruch auf meinem Wappen steht, nicht weniger gefährlich als der Auflagenverlust für die klassischen Medien.

Das ist der Feind.

Hier wird es, um Thomas zu bemühen, blutig. Allein schon, weil ich da mitspiele und den Willen und die Mittel habe, den ganzen Weg zu gehen. Der Rest der Medien wird sanft innerlich verbluten, aber es wird noch lange dauern. Andere werden vielleicht schneller sein, und nach Lösungen suchen. Es wird welche geben, die von Blogs lernen wollen. Es wird Überlebende geben, keine Frage. es gibt welche, die ich verendet am Wegesrand sehen möchte, und andere, von denen ich mir wünsche, dass sie Bestand haben.

Aber bis sie es begriffen haben, ist das hier unser Netz. Unser Vorsprung. Unsere Chance. Ob wir wollen, oder nicht. Die Evolution ist nun mal ein Spiel, bei dem man mit dem Tod aufhören kann. Also, da sind wir. Es gibt eine Zukunft, und die machen wir selber.

So einfach.

Dienstag, 16. Januar 2007, 17:43, von donalphons | |comment

 
T. Knüwer hat es ja an einem Fall festgemacht. Eine Kolumne des Journalisten Joel Stein.

http://en.wikipedia.org/wiki/Joel_Stein

Der ist gerade mal 36 Jahre alt und taugt sicher nicht als Abbild des traditionellen unflexiblen Meinungs-Journalisten. Eher einer, der durch das Internet seine Karriere bedroht sieht. 1998 noch mit seiner Time-Coverstory über Michael Jordan der Star und 2001 im Branchenblatt "Folio Magazine" auf der Titelseite als "High Potential" gefeiert. Nun 5 Jahre später stellt sich die Medienlandschaft vollkommen anders da.

Der grösste Unterschied ist "Aufmerksamkeit". Auf Steins Internetseite und LA Times Bio steht "Joel Stein is desperate for attention". Die Medienvielfalt (da ist das Internet nur ein wenn auch immer wichtigerer Teil) macht es schwer, diese Aufmerksamkeit zu bekommen.

Eher ein Fall für die Couch.

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Das ist generell ein wenig so mit dem Hummer, den man langsam in heiss werdenden Wasser kocht: Der Niedergang der Medien ist so schleichend, dass sie es nicht merken müssen, wenn sie nicht wollen.

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auswahl...
'spiegel', 'focus' ...und sogar "BILD" - Namen, Marken ohne Sinn? (im Sinne der Wortbedeutung) / Es ist auch die Beliebigkeit/Verwechselbarkeit des Angebots, die im Medienmarkt tötet...

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Es gibt Chefredakteure, die verkünden bereits, dass der Abschied von der Zeitung als Massenprodukt ansteht.

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"Klasse, statt Masse" müssten sich die Medien wieder in Erinnerung rufen - ein bisschen Vertrauen in die Hirnmasse ihrer Leser, Hörer und Zuschauer. Persönlichkeit, Biss und objektive Tiefe scheinen vergraben unter Quote, Einheitsbrei und Werbepartnern.

Das Netz kann aufrütteln und Gegenpol werden, Hybridmedium und Nutzer-Kanal sein - aber der totale Ersatz?

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Da habe ich auch keine Antwort drauf. Ich glaube aber nicht, dass 100.000 identische dpa-Meldungen im Netz ein Geschäftsmodell sind. Oder 5 mal der gleiche Autotest eines Büros in verschiedenen Medienmarken. Da wird man umdenken müssen. Dass Thomas da mit Redaktionsextremisten und Bloggern argumentiert, liegt daran, dass es die sind, die dafür ein Gefühl haben könnten. Aber ob sie es dann wirklich könnten, ist nochmal eine ganz andere Frage. Nur, weil einer gut schreibt, ist er noch lang kein guter Organisator.

Ich glaube, dass "Erfolg" beim Bloggen keine Garantie für erfolgreichen Journalismus ist, dazu sind die Gattungen zu unterschiedlich. Ich glaube aber auch, dass Versagen am Bloggen ein ziemlich deutlicher Hinweis sein kann, dass diese Journalisten einen neuen Teil des Jobs, den der Kommunikation, nicht verstehen.

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Dass "bedingungslose Qualität" das einzige sei, was in dieser Situation hilft, darin stimme ich dir zu. Der Journalismus in Deutschland ist seit den 90er Jahren fett, bequem und moralisch verlottert geworden - und er fühlt sich dabei sogar noch "staatsmännisch" und als "vierte Gewalt". Aber diese Märchen der Macher glaubt heute ja noch nicht einmal mehr der dümmste Journalistenschüler, aber auf dieser Welle sind Figuren wie Aust, Steingart, Diekmann oder Jörges nach oben gekommen. Das Modell ist tot. Daher auch die verzweifelten Ausbruchsversuche der "Jungen" in Richtung "Online" oder auch "PR", das sind ja nicht nur die Verlage.

Wenn jetzt Werbung und Anzeigen Richtung Internet ziehen, dann heißt das, dass entweder die verbliebenen wirklichen und spärlichen Qualitätslieferanten ihre gewohnte Qualität - oder sogar mehr - für sehr viel weniger Geld liefern müssen als zu dem medienüblichen Redakteursmanteltarifvertrag mit Urlaubsgeld und 14. Monatsgehalt - oder aber, dass die verehrte Kundschaft sehr viel mehr Geld als bisher bezahlt. Was ich bei den vielen konkurrierenden Umsonst-und-draußen-Angeboten für illusorisch halte.

Meine Prognose: Die Masse der in den Medien Beschäftigten wird künftig von den verbliebenen Medien nicht mehr leben können - und spielt deshalb abends "Taxi Driver", und das hoffentlich nur auf DVD ...

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Kürzlich sagte ich einem freundschaftlich verbundenen "Fach"journalisten, die Journalisten seien in ihrer Mehrheit dumm & faul. Ui, da hat er aber getobt. Wie ein geschlagener Hund bellt. Dass die jetzt teilweise jammern, hat was damit zu tun, dass man sie gerade reihenweise mit runtergelassenen Hosen erwischt. Da mail ich einen begabten Kollegen an, der für sueddeutsche.de schreibt, wieso er nach zwei Stunden Interview in Sachen Media/Steinhöfel mit mir nix geschrieben hat, und er antwortet was von Anzeigen und so... Nein, sie sind ja einfach nicht mehr unabhängig: Je schlechter es dem Print in Sachen Werbeeinnahmen geht, desto käuflicher sind die Journalisten. Dass die Werbeeinnahmen zurückgehen, hat zwei Gründe. Der eine ist ne Binse: Mehr Werbekanäle, gleiche Budgets. Der andere ein Tabu, das die Werbefuzzis hinter vorgehaltenen Händen bereden: Es wirkt nicht mehr. Ob du eine Ganzseite in der Süddeutschen für einen Großladen für Elektronikkram schaltest oder nicht, macht keinen Unterschied. Beim TV sieht's noch schlimmer aus. Ratlos sind die Werbefuzzis, ratlos die Redakteure. Der PR-Fuzzi ist momentan nicht ratlos, weil sehr gefragt, denn die Unternehmen, die ihren Scheiß an den Konsumenten bringen wollen, suchen verzweifelt nach dem Hebel - und da sieht es momentan so aus, als habe der PR-Fuzzi da was Geheimnisvolles in der Hand, das WIRKT. Auch der Journalist frisst dem PR-Fuzzi momentan aus der Pfote, und das aus demselben Grund - schreibt er redaktionell im Sinne der pr-formierten Unternehmens, gibt's Anzeigenstrecken als Belohnung.

Das ist kein Science Fiction, das ist schon so. Und deshalb ist Printmedium als Geschäftsmodell schon mausetot. Töter geht's kaum.

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Das Gegenmodell, das sogar laufen soll...
gemacht von einem, den die NE-Fuzzies in HH nur lachend "den Geldsack" nannten, für den Suchenden und findenden der klassischen oder auch nur alten Automobile :

www.classicdriver.de

Für den Don als Schmecklecker gut abgehangener NE-Geschichten: gebackt von einem, den sie bei der NE alle abzogen, aber den es nicht stören muss, Herrn Knapp-V....

Sitzen auch stilecht im Pazifik-Haus neben dem Atlantic, ist zwar kaum vermietet, gehört aber auch Obigem den das auch nicht stört. Wer eine Privatwerkstatt mit drei Schraubern nur für die eigenen Aston Martins sein eigen nennt, nun ja...

So geht Internetz heutzutage. Sagen mir die dortigen Angestellten. Gehalt kommt pünktlich.

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