garden city revisited

Vor ziemlich genau 19 Monaten schrieb ich diesen Text hier. Es war der erste Text nach Berlin, geschrieben in der Provinz nach dem Ende der anderthalbjährigen Verbannung. Und ich habe diese Stadt gehasst, ich war am Ende, aber glücklich, aus der Stadt wegzukommen. Ich will das hier gar nicht alles aufwärmen, schliesslich bin ich gerade hier und verstehe jede Sekunde, was ich damals für diese Stadt empfunden habe. Und nichts hat sich geändert, im Gegenteil, die Antiquitätenprese haben auch noch angezogen.

Neben ein paar sehr angenehmen Menschen (alles keine Berliner) hat mir meine Wohnung Schutz und Rückhalt geboten. So hatte sie einen phänomenalen Balkon, auf dem ich das Blogbuch redigierte und Kronleuchter putzte, eine Speisekammer, und hätte der Eigentümer sie verkauft, ich hätte sie Berlin zum Trotz erworben. So war es nur eine Mietwohnung, und es war immer klar. Es ist nur auf Zeit. Dennoch mache ich jedesnmal in Berlin einen Test: Ich fahre vorbei und überlege, wie es sich anfühlt. Chen´s chinesisches Restaurant an der Ecke wird gerade durch ein türkisches Möbelgeschäft ersetzt, und meine Wohnung ist anderthalb Jahre nach der begonnenen Modernisierung wieder belebt.



Schade um die chinesische Küche. Die Wohnung - mei. Kein schlechtes Gefühl, nichts. heimat war und ist was anderes. das hier war mal meine Wohnung, das ist alles. Hübsch haben sie es gemacht, es bleibt eine Oase im unterschätzten Wedding, und die neuen Mieter werden irgendwann auch Gardinen haben. Bei mir war meist offen, und der Schein meinies heutigen Badkronleuchters erhellte die Nacht vor dem Fenster. Damals, vor 19 Monaten, die seitdem zwischen mir und Berlin liegen.

Zum Glück. Jetzt muss ich nur noch die Leute in die Provinz bringen.

Freitag, 2. Februar 2007, 22:58, von donalphons | |comment

 
Die Münchner Innenstadt wird leider auch immer lärmiger. Manchmal frage ich mich auch, ob Provinz überhaupt noch Provinz ist mit DSL

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Alles ist Provinz. Man trägt die Provinz in sich, auch mit DSL. Aber die Provinz des netzes plus die reale Provinz scheint eine gute Kombination zu sein - solange es eine Autobahn in die Metropole gibt, und einen Sportwagen, und hinter dem Brenner Italien.

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Na gut aber von hier ist Italien näher. Und Nebel ist halt auch selten.
Und was für mich noch wichtiger ist: Der Flughafen ist nah und ohne Auto leicht zu erreichen.
Zu den Antiquariaten sind es zwei U-bahnstationen.
Und DSL jetzt 16000

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Wenn man definiert (Adorno?), Provinz zeichne sich aus durch das "verspätete Eintreffen kultureller Signale", müsste man DSL eigentlich begrüssen. Aber ich gebe Don natürlich recht: Jeder trägt das "Stigma" der Provinz. In Berlin, in Italien. Auch als Berliner, als Italiener.

Und das Vehikel, das dahinführt, ist eigentlich nicht erwähnenswert.

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Provinz ist, wo man ist und weg will, und die Sinnlosigkeit der Flucht begreift, wenn man Verstand hat.

Holgi hat einen sehr schönen Text über diese mobile Provinz geschrieben.

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Das finde ich jetzt sehr gut ausgedrückt. (Deine Definition.) Und die sagt ja auch nichts anderes: Provinz ist überall.

Und der Rest ist nicht Schweigen, sondern Dünkel.

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Das ist zu einfach. Immerhin ist I-Stadt Deutschlands jüngste Grossstadt mit über 100.000 Einwohner. Wenn das Provinz ist, was ist dann das Dorf in der nordeutschen Tiefebene, in dem ich wohne und hauptsächlich arbeite? Wüste?

Bisher kenne ich leider niemanden, der sich mal die Mühe gemacht hat, zu erkunden, wie sehr das Internet das Leben im ländlichen Raum verändert hat. Aber der ländliche Raum wird in Deutschland sowieso konsequent ignoriert.

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zu recht, strappato. zu recht.
Ich habe hier Landleben light, das geht grad noch so.

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Das Dorf? Unterhalb der Wahrnehmungsgrenze. Strappato, ich melde mich Dienstags, ok?

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ich habe chen's chinesisches restaurant immer ausschließlich für ein kaufhaus gehalten (obwohl es doch beides ist - wie du sagst). aber das macht vermutlich den manchmal getrübten blick aus, den man sich angewöhnt, wenn man länger in einer bestimmten gegend wohnt und die löwen samt auslage, haben mich immer abgehalten, näher hinzuschauen...

"Du hast gegen Chen´s Kaufhaus ein gewisses Misstrauen, denn in der Nacht leuchtet die Auslage giftgrün Konservenstapel an, und dazu blinken gelbe Neonröhren an einer künstlichen Palme. Auf dem Boden liegen softcore Manga-Poster, und in den Vitrinen steht asiatischer Nippes in allen Dimensionen der Geschmacklosigkeit. Aber als du an der geöffneten Glastür bei den Löwen vorbei kommst, schlägt dir der Duft von südchinesischer Küche entgegen, scharf, heftig, ungezügelt, es knallt dir in den Magen, und du bekommst Hunger."

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