Die Zeit der Wilden

Aus der Serie "Dinge die man affig findet, bevor man sie selbst besitzt", gibt es hier ja so einiges. Ich gestehe frank und frei, dass ich meinen aktuellen Wagen als sinnlose PS-Schleuder erachtete, bevor ich ihn als maroden Trümmerhaufen übernahm und wieder zum - massvollen - Laufen brachte. Das erste Blog, das ich bewusst sah, riss mich nicht vom Hocker, zumal ich es fand, weil der Autor einen Beitrag von mir übernommen hatte. Und in einer Epoche vor Nebenhöhlenentzümdung und verschwollenen Augen dachte ich auch, dass die Cabriofahrer mit ihren Roadsterbrillen nur erbärmlich posen. Schals und Kopfbedeckungen waren mir früher ein Graus, heute rede ich mir ein, dass es nicht nur warm, sondern auch schick ist.

Ich werde alt - möglicherweise. Was ich aber immer noch affig finde bei meinen Müncher Kollegen, sind ihre Uh - ihre Zeitdarsteller am Arm. Man kennt das; geleastes Porschloch, aber kein Geld für ordentliche Handschuhe, und an den solariengebräunten Handgelenken eine nachgemachter Quartz-Klumpen aus dem Hause "Fossil", oder eine aus Thailand mitgebrachte Kopie einer 60er-Jahre Grandprix-Uhr. Diese kissenförmigen Dinger mit viel Chrom und sinnlosen Streifen auf dem Zifferblatt, das nur die Stunden nach 12 benennt, man ist ja 68 gewesen und Abends auch mal unterwegs, während man den Morgen verpennt. Manchen ist einfach nichts zu peinlich, dachte ich, als ich auf dem Trödelmarkt ein paar Stände nach den feinsten, weissen Damenautohandschuhen so ein Ding in einer Kiste sah. Bäh, dachte ich, jetzt bauen sie sogar noch die alten, extremen Omax-Uhren von Andre le Marquand nach, die damals schon so indezent waren, dass sie ausser Kunstlederjackenbesitzer mit Ford Escort keiner tragen wollte.



Und sie fälschen sogar das Swiss Made und schreiben 17 Jewels drauf und machen den Stahlrücken nach und verkratzen auch noch das Glas, damit sie original ausschaut... De hod meim Vodda ghead, owa de gfoid eam nimma, de gehd no, ziangses af, gost 10 Eiro, sagte der Herr hinter dem Stand, und zu meiner eigenen Überraschung reichte ihm eine Hand, die dem Ärmel zufolge die meinige sein musste, den verlangten Geldschein. Was soll ich sagen: Sie läuft, sie ist echt, und man kann sich an die Form gewöhnen, auch wenn das Pockenpack der Leopold sowas ähnliches als Quartzaussatz ebenfalls am Handgelenk trägt.

Bleibt also nur noch, die paar als affig empfundenen, winzigen Reste gut zu pflegen. Quartzuhren. Fastfood. Darjeeling. Ikeakäufer. Deutsche Filme. Moderne deutsche Literatur. Neuburg an der Donau. Österreich. Restdeutschland, besonders den Osten. Alle Medien mit Ausnahme der World of Interiors. Serienpleitiers. Kaufblogger ohne und mit Werbung. Alle Branchen ausser vielleicht Stahlbau, ökologische Nahrungsmittel und Restaurierung. Und alle, die jeden Sonntag in die Kirche rennen. Alle Kinderkrieger, Rentenvorsorger, Prekaristen und Opelfahrer. Man sieht: Es ist gar nicht mehr so viel, und wenn ich 10.452 Jahre alt bin, werde ich vielleicht sogar mal milde sein.

In einer schwachen Stunde, ihr Quartzbrockencretins.

Montag, 8. Oktober 2007, 23:15, von donalphons | |comment

 
was hast du gegen Darjeeling???
Ich sage nur: Nummer 21!

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Assam. Sollte reichen.

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Und?
Wieviel geht die Zwiebel pro Tag daneben?
Hat der Verkäufer gesagt, ob sie schon mal überholt wurde?

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32 Hundertstel,
28 Sekunden, 43 Minuten und 3 Stunden

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Oh, welch zauberhafte Handschuhe! Fehlt nur die passende Kopfbedeckung...

Soll ich eigentlich mal meine alten Autoleute fragen, ob sie ein passendes Gefährt in angemessenem Zustand für dich auftreiben können? Oder magst Du einfach weiter auf gut Glück schauen?

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Ein Tippen auf die Schulter - auch behandschuht - kann da nicht schaden, wenngleich die Ansprüche hoch und die Mittel knapp sind. Freitag oder so bin ich erst mal bei den Österreichern.

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Wenn ich mal so bitter, böse, gemein und gut schreiben kann, wie Du mein lieber Phonso, dann kauf ich mir wieder einen meiner heiß geliebten T3 Bullis und zeig dir, dass es nett sein kann ein Cabrio zu fahren und Dinge wie Handschuhe und Uhren dann vielleicht auch wichtig sind, ein Hubdach aber dafür sorgen kann, dass man Italien nicht mehr verlassen muss, um ein Hoftor zu streichen oder einen Spiegel zu Restaurieren...
Tarten und Zwetschgendatschis gibts dann im Gegenzug aber auch nicht mehr, was aber ein, in meinen Augen, vertretbarer Preis ist.

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Ich arbeite ja auch an der Verbesserung meines Lebenszustandes. Gerade gefällt es mir hier, aber ich bin verflucht, wenn ich für immer hier bleibe, und somit ist mein Kopf volller Pläne, die nicht immer nett, aber dafür doch ganz angenehm sind.

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... fuer den fortschreitenden Alterungsprocess* gibt es im Fachjargon als hard markers bezeichnete Indikatoren - einer davon ist die Farbe der vom Untersuchungsojekt getragenen Schuhe - entspricht die Farbe der Schuhe der im obigen Bild gezeigten Handschuhe ist ohne jeden Zweifel der letzte Lebensabschnitt angebrochen.

also: Zeigt her eure Haende, zeigt her eure Schuh' ...

* Prozess mit c → tribute to da Hausherr

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