: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 29. September 2004

Feuern und gefeuert werden

Im Prinzip mag ich solche Typen ja, weil sie das Pseudomedium Glotze so kaputt machen, wie es nun mal ist - aber die mit der Fresse voran im Quotenstaub liegen zu sehen, turnt natürlich voll an. (via Girl)

Und wie es dem Mol ergeht, kann es auch den anderen Mo-x dieser Welt ergehen.

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Lustig

In einer Zeitschrift gut besprochen zu werden, von der man dachte, dass sie längst eingestellt wäre. Es gibt wohl noch andere Zustände als nur "lebendig" oder "tot".

Für 4 Rezensenten von Liquide war es jeweils der letzte Artikel, den sie für ihren Arbeitgeber geschrieben haben, ein anderer musste am Tag nach der Veröffentlichung auf Geheiss der grossen Bosse seine halbe Abteilung feuern. Manche mochten es wohl, weil es praktisch ihr Leben in Echtzeit erzählt hat. Mal schaun, ob sich dieser Zufall jetzt bei Blogs! zu einem veritablen Fluch ausbauen lässt, so eine Art "Der Fluch von Don ench Amunso", der vor allem die Feinde erwischt und sich beim Lesen dieser Seite überträgt. Die News Frankfurt lauert hier ja alle paar Stunden vorbei...

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Noch ein Skalp von meinen Feinden.

Der Wedding ist nicht so arm, wie es oft behauptet wird. Vielmehr fügt er sich harmonisch in den Gesamtslum ein, der diesen Vorort von Marzahn b.d. Spree ausmacht. Es gab hier wohl auch eine Oberschicht, sonst hätte der türkische Juwelier in der Badstrasse wohl nicht aus einem Nachlass das silberne Vorlegebesteck bekommen, dessen Kauf ich mir seit drei Monaten überlege. Ich hatte es mir schon angeschaut und für zu teuer befunden, und gestern war es dann aus dem Schaufenster verschwunden. Wie so oft, denkt man dann, man hätte doch, und warum war man nur so dumm und hat nicht. Nicht ganz ohne Hoffnung betrat ich den Laden, und der Besitzer erkannte mich sofort wieder. Der junge Herr mit dem Silberbesteck, jetzt doch, Moment, er hole es nur schnell von hinten, da hat er es nämlich hingetan.

Während er kurz verschwand, warf ich einen Blick auf die gebrauchten Armbanduhren in der Glasvitrine. Unter all den billigen Seikos, Dugenas und etwas besseren Tissots lag auch eine klassische, dezente Rolex Oyster Perpetual Datejust, eine Oyster wie die, damals...



Damals, in der kleinen Stadt, aus der ich stamme, gab es keine klassenlose Gesellschaft, ganz im Gegenteil. Die 10% Oberschicht, hauptsächlich Vertreter der alten lokalen Oligarchie und der vom Boom angezogenen Unternehmer, Ärzte und Manager blieb unter sich. Diese Klasse besetzte bestimmte Viertel, erträumte sich die üblichen Karrieren ihrer Kinder und traf sich zu festgesetzten Ritualen wie dem Konzertverein mit seinem Churochersterrepertoire oder den Galerien für moderner, zahnarztkompatibler Kunst, in Ermangelung eines literarischen oder sonst wie ausgeprägten kulturellen Lebens. Dafür konnte man auch schnell nach München, wenn man sich denn so anstrengen wollte. Meistens blieben sie zu Hause, erfreuten sich an Rundbögen, Kachelöfen und dem Blubbern der V8-Motoren, und bestritten, reich zu sein, weil ihnen dieser Begriff doch sehr fern lag, auch wenn sie ein paar Mietshäuser geerbt hatten.

Wenn ihre Kinder bis zum Abitur nicht in der Psychiatrie gelandet waren, sich unter Drogen vom Hochhaus gestürzt oder ohne Führerschein mit einem nicht zugelassenen Motorrad gegen die Wand pilotiert hatten, gab es immer im Mai, nach den Prüfungen zur Hochschulreife ein weiteres Ritual in dieser Gesellschaft. Die Eltern fuhren in die Stadt zum ersten Juwelier am Platz, Dürrkopp, der schon seit Generationen diese Schicht in dieser Stadt beliefert. Dort kauften sie dann für ihre Kinder Uhren. Und fast immer war es die Rolex Oyster Perpetual Datejust in Stahl für die Jungen, und mit Goldlunette und Kettengliedern für die Mädchen, auf die die Wahl der Eltern fiel. Das sind Uhren, die ein gewisses Prestige haben, aber nicht so brutal und peinlich sind wie der Brocken Submariner oder die Breitling Chronographen, die sich meine Freunde damals eigentlich gewünscht haben - und wegen der grazilen Oyster nicht bekamen.

Bei mir lag der Fall anders, ich floh sofort nach der Prüfung vor den Idioten meines Jahrgangs in die USA, und hatte einen Blankoscheck für eine sehnlich gewünschte Gruen Curvex dabei; eine legendäre Armbanduhr aus den dreissiger Jahren, die ich dann auch in Visalia/California fand. Dass ich der Rolex entging, lag aber auch an der Tatsache, dass Gruen und Rolex damals die gleiche Firma waren, was meinem Vater die Entscheidung für den Blankoscheck erleichterte.

Zurück in der Heimat, hatte ich dann eine Beziehung mit einem schnippischen Mädchen aus besserem Hause, das ebenfalls diese typische Apothekerstochter-Rolex trug, auch im Bett, und erst seitdem war diese Uhr für mich der Inbegriff dieser Generation, die das Pech hatte, nicht verloren zu gehen, sondern in der Heimat in halbwegs gesicherten Verhältnissen und vom Geld der Vorfahren vor sich hinzudämmern. Ich sah sie wieder an den Handgelenken der Startup-Söhnchen, die wenige Jahre später nichts mehr auf Sicherheit gaben und gründen wollten, die glaubten, sie könnten auf den Erfolg ihrer Eltern noch einen Success draufpacken. Bei ihnen wurde die Oyster das Garantiesiegel der Klasse, auf die VCs insgeheim mehr Wert legten als auf ein ordentliches Geschäftsmodell. Und ich sah sie an den schnell aufgestiegenen Praktis, die als Senior Irgendwas Manager nach drei Monaten sich auch so ein Teil beschafften, um mitzuhalten, wenn der Boss sich seine neue Patek aus der Schweiz mitbrachte.

Und ich sah sie hier, im Wedding, in einer nicht allzu sauberen Vitrine unter so viel Ramsch.

Die Rolex, fragte mich der Besitzer des Ladens, der den alten Lederkoffer mit dem Besteck gebracht hatte.

Ist die echt, fragte ich, und wusste sofort, dass es ein Fehler war, das zu fragen.

Natürlich, sagte er, nahm sie aus der Vitrine. Jeder fragt, ob sie echt ist, schauen Sie nur; er drehte sie um, hob den lose aufgelegten Deckel und zeigte mir das fraglos originale, gravierte Werk. Wenn Sie wollen, mache ich Ihnen einen Sonderpreis.

Nein danke, sagte ich, ich habe sie nur gesehen...

Wirklich billig, eine Gelegenheit, sagte er. Und die kommt aus gutem Besitz, der Vorbesitzer hat Probleme mit seiner Firma und der Steuer und brauchte schnell Geld, aber hier ist es schwer zu verkaufen, weil die Leute hier, die wollen nur so dicke Submariner, aber Sie verstehen was davon, nicht wahr? Ich mache Ihnen einen Vorschlag, mit dem Besteck für - und er nannte einen wirklich günstigen, sehr günstigen Preis, drückte den hinteren Deckel drauf und reichte sie mir. Für Xxxx von deinen Eltern zum Abitur 1987, ist hinten in verschnörkelten Buchstaben eingraviert.

Original, wirklich, sagte der Händler, probieren Sie. Ich legte sie an, und sie passte. OK, sagte ich, ich nehme sie. Sie passt zu meinen anderen Skalpen.

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Herbsteinkäufe

Vier Zitronen, 200 Gramm Pfifferlinge, 1 Kilo rote Trauben, 250 Gramm korsischer Bergkäse, warme dunkelbraune Schuhe, feine mittelbraune Handschuhe, eine "Mehr Skalpe meiner Feinde"-Rolex Oyster. Es wird Herbst 2004, ich will Vitamine und nicht frieren, und weil andere das auch nicht wollen, beschaffen sie sich das Geld für die Miete durch den Verkauf von Assets.

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