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Mittwoch, 18. Mai 2005
Jamba-CDU zu Besuch bei Wikipedia
Woher kommt mir dieses Verhalten bekannt vor? (via Lumma)
donalphons, 17:43h
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Sehr zu empfehlen I: Stuck 1
Stuck zuerst, weil man beim Restaurieren immer an der Decke anfängt und sich dann nach unten vorarbeitet.
1908 erschien eine bitterböse Abrechnung mit dem überladenen floralen Prunk des Jugendstils: Der Aufsatz "Ornament und Verbrechen" des Wiener Architekten Adolf Loos: "Evolution der kultur ist gleichbedeutend mit dem entfernen des ornamentes aus dem gebrauchsgegenstande". Was Loos an Verdammung von Blümchen, Muster, Schnörkel und Stuck forderte, war nicht weniger als die Revolution, die später im Bauhaus ausbrach und heute bei Ikea als totale Pervertierung, als neues Verbrechen sowohl an Nachhaltigkeit, Ästhetik als auch an den Idealen von Loos zu bestaunen ist. Prunk, Dekoration und Ornament wurden aus Kostengründen abgeschafft, aber billiges Pressspan, Wegwerfmöbel und Rosina-Wachtmeister-Drucke waren noch weitaus weniger im Sinne der Revolutionäre, die zu früh gestorben sind, um die fatalen Folgen ihres falsch verstandenen Tuns noch erleben zu müssen.
Loos - Bauhaus - Skandinavische Einrichtung - Ikea - Ikea goes Kitsch, so lief das ab, und heute ist es an der Zeit, wieder die Nihilistenbombe zu nehmen und sie unter den Müll werfen, der uns heute als Einrichtung aufgeschwatzt wird, obwohl es eine Hinrichtung ist. In Ikea wohnt man nicht, man vegetiert im immer gleichen pastelligen Alptraum, es ist ein aufgesextes Cubicle, anpassungsfähig wie ein Grossraumbüro und der beste Grund, sich mit einem 107-cm-Display ein Fenster in eine andere Welt zu kaufen, denn draussen, vor den Löchern in der Wand, sind nur andere Löcher als Eingang in weitere 1-Personen-Ikea-Slums.
Auch wenn Loos es nie zugegeben hätte: In Wirklichkeit war er ein Reaktionär. Seine eigenen Entwürfe sind aus heutiger Sicht ein Rückgriff des Jugendstils auf Klassizismus und Biedermeier, versetzt mit den leicht organischen Formen des Jugendstils. Auch er machte seine Ornamente, nur waren die unauffällig und scheinbar funktional. Aus Sicht des Ikea-Menschen sind Loos-Interieurs keinesfalls schlicht, sondern ziemlich intensive Raumeindrücke. Loos wollte kein Slum, sondern in sich geschlossene, gestaltete Räüme, und es ist im Gegensatz zu Ikea nicht möglich, irgendetwas anderes zu stellen, und sei es nur ein schlichtes Bauhaus-Möbel. Loos hasste im Kern die Beliebigkeit, deren Symptom das Ornament war, und wenn wir uns heute aufmachen zum ersten Schritt des Aufbaus der Bibliothek, dann strippen wir Loos von seinen rhetorischen Ornamenten, seiner Galle, und denken daran: Keine Beliebigkeit, und vor allem - Nichts darf Ikea sein. Deshalb Stuck.
Ab Raumhöhen über 3 Meter ist Stuck keine Geschmacksfrage mehr, sondern eine simple Notwendigkeit zur optischen Gliederung des Raumes. Gesimse und Leisten, die nicht im Mindesten überladen sein müssen, fangen die Linien auf und verbessern den räumlichen Eindruck. Stuck ist in seiner Reinform erst mal kein Ornament, sondern Teil der Architektur, und das in unseren Breiten seit der späten Jungsteinzeit. Die Tempel der griechischen Archaik und Klassik haben seit dem 8. Jh. v. u. Z. Gliederungselemente entwickelt, die bis heute vor dem Auge des Betrachters bestehen können. Im Gegensatz zum heutigen Bauen scheint es beim Besuch in Athen, Syracus und Milet so, als ob die Hellenen generell ihre Ornamente nur in Stein ausgeführt hätten - aber das ist nur eine Legende, denn schon damals wurden kleinere Stücke nicht in Marmor gemeisselt, sondern aus Ton gebrannt, aus Gips geformt oder aus Holz geschnitzt. In Marmor ausgeführt wurde vor allem, wenn es um Repräsentation und Tragfähigkeit ging. Ansonsten neigte man schon während der kretischen Hochkultur zu Show und Deko. Will sagen, wenn es um Stuck geht, befinden wir uns historisch in allerbester Gesellschaft. Und komme mir bitte keiner mit den reinen, klaren Linien des teutschen Mittelalters, als Gotik und Romanik die reine Architektur verkörperten: Sobald man technisch konnte, sah Gotik so aus:
Und wenn man sich dieses Stück Donauschule jetzt noch quietschbunt rot, blau, weiss und gold bemalt vorstellt, hat man in etwa den Originaleindruck von 1530.
Nun ist der fragliche Raum im Dachgeschoss und nur 2,40 Meter hoch, hat Dachschrägen und ist in seiner letzten Ausbaustufe gerade mal 50 Jahre alt, und damit anders als alle anderen Räume des Gebäudes, die spätestens um 1900, wenn nicht 1780 ihre endgültige Form erhielten - der Gang im Erdgeschoss ist noch ca. 1450 mit Originalbemalung. Und damit stehen wir vor einem Problem: ist es legitim, einer "neuen" Kammer, die erst seit 120 Jahren nicht mehr als Speicher genutzt wird, mit Stuck einen fraglos "falschen" Eindruck zu geben, ein Aussehen, das eine Nutzung seit mindestens 200 Jahren vorspielt?
Die Antwort auf diese Frage finden wir in einem der Räume im Erdgeschoss dieses Hauses, gebaut vor 1400, gewissermassen der Kernbau. Als die Gesellschaft Jesu gegen 1600 einen Palast in der Stadt wollte, kaufte man dieses Haus und die Nachbargebäude, zog sie alle 5 Stockwerke hoch, und machte bei der Gelegenheit gleich noch die Innenräume. Ein Maler aus Italien legte sich auf den Rücken und bepinselte die ganze Decke mit Ornamenten, als sei das hier eine italienische Kirche und nicht der Arbeitsraum eines alten Bürgerhauses. Niemand hat sich daran gestört, auch wenn´s ein enormer Stilbruch war, und heute bekommen Kunsthistoriker von den Resten feuchte Höschen. Insofern: Wir dürfen. Solange wir Mass halten und das Alte respektieren. Schliesslich hat die Gesellschaft Jesu hier auch nicht alles untergepflügt, sondern Vorhandenes miteinbezogen, so, wie es jeder Denkmalschützer liebt, und genauso werden wir auch verfahren.
1908 erschien eine bitterböse Abrechnung mit dem überladenen floralen Prunk des Jugendstils: Der Aufsatz "Ornament und Verbrechen" des Wiener Architekten Adolf Loos: "Evolution der kultur ist gleichbedeutend mit dem entfernen des ornamentes aus dem gebrauchsgegenstande". Was Loos an Verdammung von Blümchen, Muster, Schnörkel und Stuck forderte, war nicht weniger als die Revolution, die später im Bauhaus ausbrach und heute bei Ikea als totale Pervertierung, als neues Verbrechen sowohl an Nachhaltigkeit, Ästhetik als auch an den Idealen von Loos zu bestaunen ist. Prunk, Dekoration und Ornament wurden aus Kostengründen abgeschafft, aber billiges Pressspan, Wegwerfmöbel und Rosina-Wachtmeister-Drucke waren noch weitaus weniger im Sinne der Revolutionäre, die zu früh gestorben sind, um die fatalen Folgen ihres falsch verstandenen Tuns noch erleben zu müssen.
Loos - Bauhaus - Skandinavische Einrichtung - Ikea - Ikea goes Kitsch, so lief das ab, und heute ist es an der Zeit, wieder die Nihilistenbombe zu nehmen und sie unter den Müll werfen, der uns heute als Einrichtung aufgeschwatzt wird, obwohl es eine Hinrichtung ist. In Ikea wohnt man nicht, man vegetiert im immer gleichen pastelligen Alptraum, es ist ein aufgesextes Cubicle, anpassungsfähig wie ein Grossraumbüro und der beste Grund, sich mit einem 107-cm-Display ein Fenster in eine andere Welt zu kaufen, denn draussen, vor den Löchern in der Wand, sind nur andere Löcher als Eingang in weitere 1-Personen-Ikea-Slums.
Auch wenn Loos es nie zugegeben hätte: In Wirklichkeit war er ein Reaktionär. Seine eigenen Entwürfe sind aus heutiger Sicht ein Rückgriff des Jugendstils auf Klassizismus und Biedermeier, versetzt mit den leicht organischen Formen des Jugendstils. Auch er machte seine Ornamente, nur waren die unauffällig und scheinbar funktional. Aus Sicht des Ikea-Menschen sind Loos-Interieurs keinesfalls schlicht, sondern ziemlich intensive Raumeindrücke. Loos wollte kein Slum, sondern in sich geschlossene, gestaltete Räüme, und es ist im Gegensatz zu Ikea nicht möglich, irgendetwas anderes zu stellen, und sei es nur ein schlichtes Bauhaus-Möbel. Loos hasste im Kern die Beliebigkeit, deren Symptom das Ornament war, und wenn wir uns heute aufmachen zum ersten Schritt des Aufbaus der Bibliothek, dann strippen wir Loos von seinen rhetorischen Ornamenten, seiner Galle, und denken daran: Keine Beliebigkeit, und vor allem - Nichts darf Ikea sein. Deshalb Stuck.
Ab Raumhöhen über 3 Meter ist Stuck keine Geschmacksfrage mehr, sondern eine simple Notwendigkeit zur optischen Gliederung des Raumes. Gesimse und Leisten, die nicht im Mindesten überladen sein müssen, fangen die Linien auf und verbessern den räumlichen Eindruck. Stuck ist in seiner Reinform erst mal kein Ornament, sondern Teil der Architektur, und das in unseren Breiten seit der späten Jungsteinzeit. Die Tempel der griechischen Archaik und Klassik haben seit dem 8. Jh. v. u. Z. Gliederungselemente entwickelt, die bis heute vor dem Auge des Betrachters bestehen können. Im Gegensatz zum heutigen Bauen scheint es beim Besuch in Athen, Syracus und Milet so, als ob die Hellenen generell ihre Ornamente nur in Stein ausgeführt hätten - aber das ist nur eine Legende, denn schon damals wurden kleinere Stücke nicht in Marmor gemeisselt, sondern aus Ton gebrannt, aus Gips geformt oder aus Holz geschnitzt. In Marmor ausgeführt wurde vor allem, wenn es um Repräsentation und Tragfähigkeit ging. Ansonsten neigte man schon während der kretischen Hochkultur zu Show und Deko. Will sagen, wenn es um Stuck geht, befinden wir uns historisch in allerbester Gesellschaft. Und komme mir bitte keiner mit den reinen, klaren Linien des teutschen Mittelalters, als Gotik und Romanik die reine Architektur verkörperten: Sobald man technisch konnte, sah Gotik so aus:
Und wenn man sich dieses Stück Donauschule jetzt noch quietschbunt rot, blau, weiss und gold bemalt vorstellt, hat man in etwa den Originaleindruck von 1530.
Nun ist der fragliche Raum im Dachgeschoss und nur 2,40 Meter hoch, hat Dachschrägen und ist in seiner letzten Ausbaustufe gerade mal 50 Jahre alt, und damit anders als alle anderen Räume des Gebäudes, die spätestens um 1900, wenn nicht 1780 ihre endgültige Form erhielten - der Gang im Erdgeschoss ist noch ca. 1450 mit Originalbemalung. Und damit stehen wir vor einem Problem: ist es legitim, einer "neuen" Kammer, die erst seit 120 Jahren nicht mehr als Speicher genutzt wird, mit Stuck einen fraglos "falschen" Eindruck zu geben, ein Aussehen, das eine Nutzung seit mindestens 200 Jahren vorspielt?
Die Antwort auf diese Frage finden wir in einem der Räume im Erdgeschoss dieses Hauses, gebaut vor 1400, gewissermassen der Kernbau. Als die Gesellschaft Jesu gegen 1600 einen Palast in der Stadt wollte, kaufte man dieses Haus und die Nachbargebäude, zog sie alle 5 Stockwerke hoch, und machte bei der Gelegenheit gleich noch die Innenräume. Ein Maler aus Italien legte sich auf den Rücken und bepinselte die ganze Decke mit Ornamenten, als sei das hier eine italienische Kirche und nicht der Arbeitsraum eines alten Bürgerhauses. Niemand hat sich daran gestört, auch wenn´s ein enormer Stilbruch war, und heute bekommen Kunsthistoriker von den Resten feuchte Höschen. Insofern: Wir dürfen. Solange wir Mass halten und das Alte respektieren. Schliesslich hat die Gesellschaft Jesu hier auch nicht alles untergepflügt, sondern Vorhandenes miteinbezogen, so, wie es jeder Denkmalschützer liebt, und genauso werden wir auch verfahren.
donalphons, 17:21h
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für den täglichen Gebrauch durch aufgeklärtes Bürgertum:
Sachsen-Alex - Angeheirateter Ostelbier - der von-Ex von der Teleklamaukerin
Schliesslich sollen Popliteraten wie Alexander Graf von Schönburg-Glauchau, Florian Illies und Benjamin von Stuckrad-Barre doch auch schön poppig klingen.
Gibt es natürlich auuch als Button:
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donalphons, 14:29h
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