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Donnerstag, 26. Mai 2005
Kleine Frage, off Topic
Kennt jemand ein gutes, ruhiges, nettes Hotel in Berlin, mittlere bis gehobene Preisklasse, am besten im Zentrum oder im Norden von Berlin?
donalphons, 14:20h
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Real Life 25.05.05 - Warten in der Goltzstrasse
Der Antikladen ist zu, hinter dem Fenster steht ein kleiner Beistelltisch mit ziemlich grossartigen Intarsien von der Art, wie sie auch auf deinem Beistelltisch sind, den du ihr nicht geben wirst. Schliesslich ist es deiner. Und ihr Argument, dass er ja in der Familie bleibt, zählt nicht, weil er ja auch bei dir in der Familie bleibt. Also soll sie sich bessere Argumente einfallen lassen. Oder den da drinnen kaufen.
Sie schaut ein wenig ärgerlich und gleicht der giftgrünen Jugendstilschlange aus irisierendem Glas, die sie heute gekauft hat. Es ist warm. Der Laden bleibt zu. Eine Frau, die ebenfalls wartet, versichert euch aber, dass der Besitzer bald wieder aufmacht. Sie hat Hunger, weil das Essen in einem indischen Restaurant in der Oderberger Strasse grottenschlecht war, nachdem Bedienung und Koch mehr Interesse an ihrem vor dem Lokal abgestellten BMW Z1 hatten.
Gegenüber ist ein italienischer Feinkostladen, der Baguettes anbietet, und andere Petitessen. Und einen Blick hinüber zum Antiquitätengeschäft, falls der Besitzer kommt. Ihr setzt euch an den kleinen, runden Aluminiumtisch, bestellt, und - da kommt wer, bleibt vor dem Geschäft stehen, sie springt auf und läuft hin - aber es war nur ein anderer Kunde, der ebenfalls draussen bleiben muss. Du sitzt, lang ausgestreckt da, lässt die Minuten verinnen, und das späte Tageslicht macht dich müde.
Du siehst zufrieden aus, sagt sie. Ja, sagst du. Ich zähle die Tage, bis es vorbei ist, nächste Woche ist schluss, dann ab mit Sack und Pack und Kronleuchtern nach Süden. Auf der Strasse gleitet eine S-Klasse vorbei. In der Luft sind irgenwelche undefinierbaren Vögel, unter den Tischen eindeutige Spatzen. Letzte Tage in Berlin, dann nochmal 2 Tage Hektik, Schluss, Ende, Bayern.
Wirst du nichts vermissen, fragt sie aus Höflichkeit und mangels eines anderen Themas, und in deinem Kopf findet sich da eigentlich nur sehr wenig, ws dir fehlen wird. Es gibt ein paar gute, private Begegnungen, und es wäre schade gewesen, die nicht erlebt zu haben. Aber das sind offene Enden wie in jedem guten Roman, man kann nicht alles zu einem ergreifenden Finale führen, und ausserdem hast du deutliche Einladungen ausgesprochen. 500 Kilometer in den Süden ist nicht so schlimm, wie 100 Kilommeter in die andere Richtung, as Gefälle wird sie hoffentlich ganz natürlich anziehen, und für alles weitere gibt es ja Telefon, Email und auch Blog.
Und dann alles, was mit dem Niedergang des hiesigen Bürgertums und den positiven Folgen für dich zu tun hat. In einem Antiquitätengeschäft war heute wieder so ein Nachlass, der idealtypisch erklärt, was hier los ist: Kein Gefühl für Beständigkeit, kein Respekt, kein Verständnis für Gewachsenes und Geschichte, dafür her mit den 500 Euro und Rebranding mit irgendeinem communitytauglichen Gadget. Gut für dich, wenn du nicht drüber nachdenkst, was das im Kern bedeutet, welche Brüche sich da auftun, wo neue Grenzen und Klassen definiert werden. Du stehst daneben, du bist nur Beobachter auf der "richtigen Seite", und nimmst ab und zu ein Angebot derer wahr, die nicht wirklich begreifen, auf welchem Weg in die Mietkonsumfavelas sie sind.
Alles andere - du hoffst, dass du es möglichst schnell vergisst, die Kaputtheit der Normalen, die Korruption der Eliten, die Hirnlosigkeit der Thinktank-Buffetgespräche, die Karriere-Netzwerke, die sie dir in den Weg gelegt haben, die Lobbyhuren auf der Suche nach moralisch sauberen Unterbringung ihrer Sauereien, die Hauptstadt, den Dreck, die Dirt Pics und die Drogengirlies, die du jeden Tag siehst, wenn du zu ihr ins Hotel fährst, die Verschwendung und die Löcher im Asphalt...
Gegenüber im Antikgeschäft rührt sich was, sie springt auf und überlässt dir das zahlen, und du sitzt wie ein abgelaufenes Aufziehspielzeug in deinem Stuhl, bist still, und schaust in den Abendhimmel.
Es ist vorbei. Nicht jetzt, aber bald. Was bleibt? Einen Einkaufsführer für Berlin schreiben, über die Gedärrme dieser Stadt, für andere, die nach dir hierher kommen. Man kann ein paar gute Sachen mitnehmen, zum hier lassen ist es zu schade, und die anderen Menschen werden so oder so irgendwann auch gehen. In den Süden. Wenn sie gehen, wird es im Norden, Osten und Westen nicht mehr allzu viel geben, wo man hin kann.
Sie schaut ein wenig ärgerlich und gleicht der giftgrünen Jugendstilschlange aus irisierendem Glas, die sie heute gekauft hat. Es ist warm. Der Laden bleibt zu. Eine Frau, die ebenfalls wartet, versichert euch aber, dass der Besitzer bald wieder aufmacht. Sie hat Hunger, weil das Essen in einem indischen Restaurant in der Oderberger Strasse grottenschlecht war, nachdem Bedienung und Koch mehr Interesse an ihrem vor dem Lokal abgestellten BMW Z1 hatten.
Gegenüber ist ein italienischer Feinkostladen, der Baguettes anbietet, und andere Petitessen. Und einen Blick hinüber zum Antiquitätengeschäft, falls der Besitzer kommt. Ihr setzt euch an den kleinen, runden Aluminiumtisch, bestellt, und - da kommt wer, bleibt vor dem Geschäft stehen, sie springt auf und läuft hin - aber es war nur ein anderer Kunde, der ebenfalls draussen bleiben muss. Du sitzt, lang ausgestreckt da, lässt die Minuten verinnen, und das späte Tageslicht macht dich müde.
Du siehst zufrieden aus, sagt sie. Ja, sagst du. Ich zähle die Tage, bis es vorbei ist, nächste Woche ist schluss, dann ab mit Sack und Pack und Kronleuchtern nach Süden. Auf der Strasse gleitet eine S-Klasse vorbei. In der Luft sind irgenwelche undefinierbaren Vögel, unter den Tischen eindeutige Spatzen. Letzte Tage in Berlin, dann nochmal 2 Tage Hektik, Schluss, Ende, Bayern.
Wirst du nichts vermissen, fragt sie aus Höflichkeit und mangels eines anderen Themas, und in deinem Kopf findet sich da eigentlich nur sehr wenig, ws dir fehlen wird. Es gibt ein paar gute, private Begegnungen, und es wäre schade gewesen, die nicht erlebt zu haben. Aber das sind offene Enden wie in jedem guten Roman, man kann nicht alles zu einem ergreifenden Finale führen, und ausserdem hast du deutliche Einladungen ausgesprochen. 500 Kilometer in den Süden ist nicht so schlimm, wie 100 Kilommeter in die andere Richtung, as Gefälle wird sie hoffentlich ganz natürlich anziehen, und für alles weitere gibt es ja Telefon, Email und auch Blog.
Und dann alles, was mit dem Niedergang des hiesigen Bürgertums und den positiven Folgen für dich zu tun hat. In einem Antiquitätengeschäft war heute wieder so ein Nachlass, der idealtypisch erklärt, was hier los ist: Kein Gefühl für Beständigkeit, kein Respekt, kein Verständnis für Gewachsenes und Geschichte, dafür her mit den 500 Euro und Rebranding mit irgendeinem communitytauglichen Gadget. Gut für dich, wenn du nicht drüber nachdenkst, was das im Kern bedeutet, welche Brüche sich da auftun, wo neue Grenzen und Klassen definiert werden. Du stehst daneben, du bist nur Beobachter auf der "richtigen Seite", und nimmst ab und zu ein Angebot derer wahr, die nicht wirklich begreifen, auf welchem Weg in die Mietkonsumfavelas sie sind.
Alles andere - du hoffst, dass du es möglichst schnell vergisst, die Kaputtheit der Normalen, die Korruption der Eliten, die Hirnlosigkeit der Thinktank-Buffetgespräche, die Karriere-Netzwerke, die sie dir in den Weg gelegt haben, die Lobbyhuren auf der Suche nach moralisch sauberen Unterbringung ihrer Sauereien, die Hauptstadt, den Dreck, die Dirt Pics und die Drogengirlies, die du jeden Tag siehst, wenn du zu ihr ins Hotel fährst, die Verschwendung und die Löcher im Asphalt...
Gegenüber im Antikgeschäft rührt sich was, sie springt auf und überlässt dir das zahlen, und du sitzt wie ein abgelaufenes Aufziehspielzeug in deinem Stuhl, bist still, und schaust in den Abendhimmel.
Es ist vorbei. Nicht jetzt, aber bald. Was bleibt? Einen Einkaufsführer für Berlin schreiben, über die Gedärrme dieser Stadt, für andere, die nach dir hierher kommen. Man kann ein paar gute Sachen mitnehmen, zum hier lassen ist es zu schade, und die anderen Menschen werden so oder so irgendwann auch gehen. In den Süden. Wenn sie gehen, wird es im Norden, Osten und Westen nicht mehr allzu viel geben, wo man hin kann.
donalphons, 13:41h
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