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Donnerstag, 18. September 2008
Wir sterben einsam.
Ich kenne eine ältere Dame, die ein Haus an einem See in Oberbayern hat. Und diese Dame hat einen einzigen Sohn, der wiederum hat eine Frau und mit dieser Frau zusammen ein Kind. Letzthin habe ich ihr geraten, die Schwiegertochter mt Rattengift aus dem Weg zu räumen. Die hatte sich nämlich bei einem nicht allzu verschwiegenen Makler erkundigt, wieviel Miete so ein Haus bringen würde, und angedeutet, dass es nächstes Jahr so weit sein sollte. Die Dame ist zwar älter, aber noch durchaus in der Lage, Bäume umzusägen, Holz zu schlichten und eine Strecke zu schwimmen, auf der ich mich in eine Bleiente verwandeln würde. Es gab, als die Geschichte herauskam, einen grossen Krach, in dessen Folge die Dame verstand, dass sie ziemlich alleine mit der Auffassung war, das Pflegeheim könnte noch warten.
Ich gebe offen zu, dass ich keine Ahnung habe, wie es andernorts, in anderen Schichten ausschaut. Aber meine Mutter sagte mir einen alten Spruch, der hier bei den Bauern beliebt war: "Weidergebn - Nimma lebm". Und ich habe einen Freund aus dem Dorf, bei dem wir früher gefeiert haben. Im leerstehenden Austraghäusl für die Alten. Das so kalt und primitiv war, dass sie sicher nicht sehr alt wurden. Möglicherweise ist es also nicht neu und überall üblich, den natürlichen Gang der Dinge zu beschleunigen. An das muss ich immer denken, wenn man mir bei den wenigen seltsamen Gelegenheiten Kinder eintgegenhält und mir erzählt, wie toll das mal sein wird, wenn man alt ist, und jemanden hat, der sich um einen kümmert.
Ich habe keine Kinder, ich will keine Kinder, und ich habe die brutal-schlächtigen Gene zweier ziemlich robusten Familien in mir, deren Angehörige sehr alt werden und, wenn sie dann endlich sterben wollen, das auch vergleichsweise schnell tun. Leben, sterben, etwas anderes gibt es bei uns nicht und zum Arzt geht man auch nicht. Dennoch habe ich zwei Jahre Erfahrung im fast täglichen Besuch in einem Altersheim, und dort kannte mich jeder. Als derjenige, der immer kam. Um es ganz brutal zu sagen: Die anderen kamen in aller Regel zu Weihnachten, Ostern, zum Geburtstag und nach dem Sterbetag. Keine Grattler. Beste Familien der Stadt. Oft gehörte Ausrede der Enkelinnen, die anzusprechen ich mich ab und an erdreistete, weil das Elend der auf dem Gang versauernden, von der Gesellschaft ausgeschlossenen Damen und ihrer Lügen - die B. käme schon öfters, ich würde sie nur verpassen - nicht zu ertragen war: Sie können nicht, sie müssen sich um ihre eigene Kinder kümmern.
Praktisch, so ein Kind. Und auch irgendwo verständlich. Man kann sich das Leben noch einigermassen schön machen, da mag man nicht wirklich zuschauen, wie ein anderer über Jahre zerfällt. Zumal das heute eine ziemlich lange und ungewohnt harte Erfahrung sein kann. Nachvollziehbar, irgendwo. Sicher auch mal für das eigene Kind, später mal. Manche haben das Glück, genug Geld für einen getarnten Pflegeplatz zu bekommen; ich kenne so eine Einrichtung in Rottach, mit Wappen, Chalets, Arzt und 2500 Euro Miete pro Person, ohne Extras. Rottach ist hübsch weit weg von München, also am Wochenende, da klappt das. Oder am Wochenende drauf. Andere haben im Alter das Geld nicht. Tja.
Vermutlich werde ich einsam sterben. Offen gesagt, ich möchte damit auch keinem auf den Sack gehen, so ich nicht die Torheit begehe, zum Finale die Barchetta in den Dienstwagen eines besonders widerlichen Politikers zu setzen, den anderweitig zu überleben mir nicht vergönnt wäre. Ganz sicher aber werde ich ohne die Torheit sterben, ein paar Hunderttausend in Blagen versenkt zu haben, die schon mit dem Antiquar telefonieren, um meinen handsignierten Mann zu verscheuern und die Erstausgabe des Candide taxieren zu lassen. Sterben ist immer einsam, das muss man alleine tun, so langweilig und banal es auch ist, aber es ist sicher leichter, wenn man sich nicht über all die Versäumnisse ärgert, die nun jenen zum Vorteil gereichen, die sich nachher mindestens so von irdischen Bedrängnissen befreit fühlen, wie man es selbst tatsächlich ist.
(Alle Bilder aus Hall in Tirol, das zum leben schön ist)
Ich gebe offen zu, dass ich keine Ahnung habe, wie es andernorts, in anderen Schichten ausschaut. Aber meine Mutter sagte mir einen alten Spruch, der hier bei den Bauern beliebt war: "Weidergebn - Nimma lebm". Und ich habe einen Freund aus dem Dorf, bei dem wir früher gefeiert haben. Im leerstehenden Austraghäusl für die Alten. Das so kalt und primitiv war, dass sie sicher nicht sehr alt wurden. Möglicherweise ist es also nicht neu und überall üblich, den natürlichen Gang der Dinge zu beschleunigen. An das muss ich immer denken, wenn man mir bei den wenigen seltsamen Gelegenheiten Kinder eintgegenhält und mir erzählt, wie toll das mal sein wird, wenn man alt ist, und jemanden hat, der sich um einen kümmert.
Ich habe keine Kinder, ich will keine Kinder, und ich habe die brutal-schlächtigen Gene zweier ziemlich robusten Familien in mir, deren Angehörige sehr alt werden und, wenn sie dann endlich sterben wollen, das auch vergleichsweise schnell tun. Leben, sterben, etwas anderes gibt es bei uns nicht und zum Arzt geht man auch nicht. Dennoch habe ich zwei Jahre Erfahrung im fast täglichen Besuch in einem Altersheim, und dort kannte mich jeder. Als derjenige, der immer kam. Um es ganz brutal zu sagen: Die anderen kamen in aller Regel zu Weihnachten, Ostern, zum Geburtstag und nach dem Sterbetag. Keine Grattler. Beste Familien der Stadt. Oft gehörte Ausrede der Enkelinnen, die anzusprechen ich mich ab und an erdreistete, weil das Elend der auf dem Gang versauernden, von der Gesellschaft ausgeschlossenen Damen und ihrer Lügen - die B. käme schon öfters, ich würde sie nur verpassen - nicht zu ertragen war: Sie können nicht, sie müssen sich um ihre eigene Kinder kümmern.
Praktisch, so ein Kind. Und auch irgendwo verständlich. Man kann sich das Leben noch einigermassen schön machen, da mag man nicht wirklich zuschauen, wie ein anderer über Jahre zerfällt. Zumal das heute eine ziemlich lange und ungewohnt harte Erfahrung sein kann. Nachvollziehbar, irgendwo. Sicher auch mal für das eigene Kind, später mal. Manche haben das Glück, genug Geld für einen getarnten Pflegeplatz zu bekommen; ich kenne so eine Einrichtung in Rottach, mit Wappen, Chalets, Arzt und 2500 Euro Miete pro Person, ohne Extras. Rottach ist hübsch weit weg von München, also am Wochenende, da klappt das. Oder am Wochenende drauf. Andere haben im Alter das Geld nicht. Tja.
Vermutlich werde ich einsam sterben. Offen gesagt, ich möchte damit auch keinem auf den Sack gehen, so ich nicht die Torheit begehe, zum Finale die Barchetta in den Dienstwagen eines besonders widerlichen Politikers zu setzen, den anderweitig zu überleben mir nicht vergönnt wäre. Ganz sicher aber werde ich ohne die Torheit sterben, ein paar Hunderttausend in Blagen versenkt zu haben, die schon mit dem Antiquar telefonieren, um meinen handsignierten Mann zu verscheuern und die Erstausgabe des Candide taxieren zu lassen. Sterben ist immer einsam, das muss man alleine tun, so langweilig und banal es auch ist, aber es ist sicher leichter, wenn man sich nicht über all die Versäumnisse ärgert, die nun jenen zum Vorteil gereichen, die sich nachher mindestens so von irdischen Bedrängnissen befreit fühlen, wie man es selbst tatsächlich ist.
(Alle Bilder aus Hall in Tirol, das zum leben schön ist)
donalphons, 01:43h
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Empfehlung heute - Frankenstein
wohnte bekanntlich in meiner Heimat, und irgendwo hier oben, unter so einem alten, spitzen Dach, muss er des nachts seine Kreatur erschaffen haben. Ein nettes Kerlchen, nicht allzu hübsch mit ein paar komischen Marotten und nicht allzu leicht zu kontrollieren - im Vergleich zu dem, was der amerikanische Staat an der Backe hat, das mit Frankenstein zu vergleichen die New York Times - übrigens selbst auch bald ein Opfer der Krise - sich in diesem fulminanten Beitrag anschickt. Ein Beitrag, den man vergeblich in deutschen Medien suchen würde. Und auch in Blogs, die Zocker "Kaufen!" brüllen lassen und Lehman mit zwei n schreiben.
donalphons, 23:57h
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Ich hasse die Wirtschaftspresse
Und ich hasse ihre gut geschmierten Propagandalöcher, durch die jetzt die Meinung sprudelt, die FED hätte keine andere Wahl gehabt, als die AIG zu mitsamt ihren unkalkulierbaren Risiken für 85 Milliarden zu verstaatlichen, weil sich die Betroffenen in der Wirtschaft vor der Verantwortung drücken.
Um das Problem mal griffig zu beschreiben: Wenn die USA ein Handelsschiff wäre, und die wirtschaftliche, selbst angesteuerte Lage ein Orkan, dann wären auf der einen Seite des Schiffes die Händler, die Planken unterhalb der Wasserlinie aus der Wand reissen, damit sie im Falle des Untergangs davonschwimmen können. Und auf der Seite des Staates reisst Bernanke mit Erlaubnis des besoffenen Kapitäns ebenfalls Planken aus der Wand, um damit auf der anderen Seite die Lecks zu stopfen. Aus einer Wand, die schon arg morsch ist und nicht mehr lang halten wird. Und keiner kommt auf die Idee, dass man das Schiff auspumpen muss, oder zumindest die Händlerratten über Bord gehen lassen könnte, um schädlichen Ballast loszuwerden.
Diese gut geschmierten Propagandalöcher sollten sich vielleicht mal überlegen, wo diese 85 Millarden eigentlich herkommen, die zusätzlichen 180 Milliarden zum Auputzen der giftigen Derivate, oder die 136 Milliarden, mit denen gestern Lehman nochmal künstlich operativ am Leben erhalten wurde. Sie sollten mal den Blick abwenden von den Lecks, die ihre Freunde machen und überlegen, wie lang der Sturm noch dauert. Denn es könnte sein, dass wir dann formal kernsanierte Firmen in einem ruinierten, realsozialistischen Land sehen, das eine erhebliche Ähnlichkeit mit den schlechteren Ecken Ostdeutschlands im Jahre 1988 hat.
Um das Problem mal griffig zu beschreiben: Wenn die USA ein Handelsschiff wäre, und die wirtschaftliche, selbst angesteuerte Lage ein Orkan, dann wären auf der einen Seite des Schiffes die Händler, die Planken unterhalb der Wasserlinie aus der Wand reissen, damit sie im Falle des Untergangs davonschwimmen können. Und auf der Seite des Staates reisst Bernanke mit Erlaubnis des besoffenen Kapitäns ebenfalls Planken aus der Wand, um damit auf der anderen Seite die Lecks zu stopfen. Aus einer Wand, die schon arg morsch ist und nicht mehr lang halten wird. Und keiner kommt auf die Idee, dass man das Schiff auspumpen muss, oder zumindest die Händlerratten über Bord gehen lassen könnte, um schädlichen Ballast loszuwerden.
Diese gut geschmierten Propagandalöcher sollten sich vielleicht mal überlegen, wo diese 85 Millarden eigentlich herkommen, die zusätzlichen 180 Milliarden zum Auputzen der giftigen Derivate, oder die 136 Milliarden, mit denen gestern Lehman nochmal künstlich operativ am Leben erhalten wurde. Sie sollten mal den Blick abwenden von den Lecks, die ihre Freunde machen und überlegen, wie lang der Sturm noch dauert. Denn es könnte sein, dass wir dann formal kernsanierte Firmen in einem ruinierten, realsozialistischen Land sehen, das eine erhebliche Ähnlichkeit mit den schlechteren Ecken Ostdeutschlands im Jahre 1988 hat.
donalphons, 12:19h
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