: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 30. Mai 2012

Grass hat recht

Meine Gemütslage spielt hier im Blog keine Rolle. Ich sage es nicht, wenn ich verliebt bin und auch nicht, wenn ich Sorgen habe, ich klammere weite Teile meines Privatlebens aus und zwar auch, weil das Netz der letzte Ort ist, bei dem ich davon ausgehen würde, dass keiner dabei nochmal reintritt. Da draussen ist ziemlich viel feiges Pack unterwegs, dem will man schliesslich keine Freude machen. Heute ist das anders, heute geht es mir besser als den Menschen in Mantua, aber trotzdem ziemlich bescheiden.



Mein letzter direkter Statusbericht von heute Nachmittag war nicht gut, seitdem scheint das Netz in Italien nicht stabil zu sein. Was man sonst so hört: Sie sagen ein Testländerspiel ab. Und, da war noch was, richtig, der Palazzo Ducale und einige Kirchen in Mantua sind beschädigt, Zu mehr reicht es in den deutschen Zeitungen nicht, wenn ein Weltkulturerbe bedroht ist. Und das ist bitter. Es sind ja nicht irgendwelche Gemälde.



Pisanello, Mantegna, Romano, diese drei haben im Palast mit vielen anderen gearbeitet. Romanos Hauptwerk ist zwar der Palazzo Te (auch betroffen), aber allein im Palazzo Ducale kann man wandern und vergleichen: Spätgotik, Frührenaissance, Hochrenaissance, Spätrenaissande, Manierismus, und das alles in Hauptwerken. Um ehrlich zu sein: Wenn man Mantegna gesehen hat, wirkt Romano ein wenig affektiert. Aber sie wussten schon, warum sie diese Stadt zum Weltkulturerbe gemacht haben.



Mantua hat einfach Glück gehabt. Nach der grossen Zeit passierte nicht mehr viel, es wurde wenig überbaut und verändert, es war zu klein, zu uinbedeutend für grosse Bauprogramme wie etwa in Florenz, wo das Strassenbild der "Renaissance" eines der Stadtumgestaltung des 19. Jahrhunderts ist. Und es war keine Stadt der Kirche: Die Hauptwerke sind profan und eher frei von Kreuzesideologie. Es ist eine Stadt der Menschen und nicht der Gläubigen. Der Kundige sieht auch heute noch, ob er in einer Stadt des Kirchenstaates oder weltlicher Herrscher ist. So ein Campanile - eigentlich Sache der Kirche - im Palast verrät es. Dieser Campanile, unten im Bild, ist einsturzgefährdet, die Spitze ist heute schon in den Hof gefallen.



Die letzte grössere Zerstörung liegt über 200 Jahre zurück; das war unter Napolen. Jetzt also das Erdbeben. Von dem niemand weiss, ob es schon vorbei ist. Was mit den Höfen ist, auf denen ich gewesen bin - sie sind 20 Kilometer näher dran am Epizentrum - weiss ich nicht. es sind alte Anlagen, das lässt hoffen. Auf dem Rückweg wollte ich mit Manu unbedingt noch in eine Gonzagavilla zu Essen; aus der Region werden jetzt schwere Schäden gemeldet.



Das letzte, was es in so einer Situation vermutlich noch braucht, ist ein schockierter Kunsthistoriker, der versucht, die Schäden an seinen Lieblingsgebäuden zu sehen, die man jetzt besser meiden sollte. Man kann nichts machen, so ein Erdbeben kommt und tut, was es will, und was bleibt, ist das Vertrauen auf die Alten und ihr Wissen um die Sicherheitsmargen, die wir heute gern ignorieren. Bei Santa Barbara, der Hofkapelle der Gonzaga, war es jedenfalls nicht genug; dort ist ist Kuppel beschädigt. Man mag gar nicht daran denken, was da noch kommen könnte.



Und man denkt auch nicht daran. warum auch. Es gibt wichtigere Themen. Der Kursverfall von Facebook, die Finanzkrise und ob das Erdbeben Italiens Haushalt belastet. So ein wenig europäische Kulturgeschichte ist da nicht so wichtig. Zahlt die Versicherung, mit Auswirkung an der Börse, das ist dann schon ein Thema. Grass hat recht, die Ökonomisierung drückt alles andere weg, es geht nur noch um Zahlen und nicht mehr um das, was da zu fallen droht. Jede Bankfiliale ist heute wichtiger als Kultur.



Es ist ein deprimierender Tag voll mit schlimmen Nachrichten, und in den Feuilletons liest man, was gestern Abend im Fernsehen gelaufen ist, wie bei Berlusconi. Der Schwachkopf sagte damals. als L'Aquila einstürzte, man sollte das als Campingurlaub betrachten. Und was sagt man zu dem, was Parma, Bologna, Sabbioneta und Ferrara noch droht? Nichts. Vermutlich kennt man es auch nicht besonders. Für drei Zeilen schaut man noch nicht mal bei Wikipedia.



Kein guter Tag. Wirklich nicht.

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Ich denke, das ist es wert.

Markus Kompa will natürlich keinem verkommenen Rechtspersonal das stinkende Drecksmaul stopfen, niemals, nein, es geht allein um die Frage, wie man sich ein klein wenig gegen unerfreuliche Urteile für uns alle zur Wehr setzt. Und das Schöne: Man kann mithelfen.

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In Natur leben und sterben

Das wird bei uns aber viele bewusste Bauern freuen: Ganz offensichtlich ist die Natur in der Lage, unsere Gentechnikpflanzen auszutricksen.

Darauf einen eigenen Schrebergarten von mir in der FAZ, für den andere Platz machen müssen, die nicht in das system der Gentrifizierung passen - zumindest nicht als Gewinner. Die einen rafft das Insekt dahin, die anderen der Cabriofahrer.

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