Eine kleine Geschichte der Missverständnisse

Um 1880 wandelt vielleicht ein amerikanisches Paar durch Paris, vom Louvre hinunter zum Place de la Bourse, und biegt hinter dem berühmten Palais de la Bourse nach rechts ab, in die feine Geschäftsstrasse der Rue de Feydeau, statt geradeaus weiter zum neu geschaffenen, aber noch nicht allzu attraktiven Boulevard Haussmann weiterzugehen, wo das Printemps und andere Warenhäuser Alles für Alle bieten. In der Rue de Feydeau sind die besseren Geschäfte, hier hat sich der Ramsch der überdrehten Industrialisierung noch nicht allzu breit gemacht, und so spazieren sie entlang der feinen Auslagen, bis sie stehenbleibt und ein "Oh" haucht. Dieses Oh gilt einem kleinen, französischen Tee- und Kaffee-Service im Schaufenster, wie es die Franzosen bevorzugen: Hohe, ovale Kannen, und die Théière hat nur einen kleinen Ausguss, ganz im Gegensatz zu den bauchigen Kannen, die man im victorianischen England bevorzugt. Und weil sie das Oh so fein hingehaucht hat, denkt er, dass es eine gute Gelegenheit ist, seine Zuneigung zu beweisen, und so betreten sie das Geschäft von Horace J. Linton, leichten Sinnes und ohne Gedanken an die Vergangenheit des Ortes zu machen, dem Théâtre Feydeau, in dem die französische Revolution ihr Zentrum hatte, und kaufen das Service.

Und retten mir damit 130 Jahre später meinen gewaschenen Hals.



Hätten sie einfach das gekauft, was Amerikaner immer kaufen - englisches Silber, um sich eine auf die Mayflower zurückgehende Tradition zu erfinden - hätten ihre Erben nach Ablauf besagter 130 Jahre eben klassisch englische Formen auf eine Auktion an der amerikanischen Ostküste gegeben. Die hätten sicher einen Käufer gefunden, aber dort wollte keiner diese nichtenglischen Stücke haben, und so gingen sie im Nachverkauf mit vielen anderen ungeliebten Silbersachen an einen Händler, der sie nach Deutschland verschiffte und sie in Pfaffenhofen anbot, wo ich mich sofort in die Form, die Edelholzgriffe, die eingeprägte Adresse in Paris und den Umstand, dass sie sehr französisch sind, verliebte und nach längerem Feilschen erwarb, und nur ein paar Stände weiter auf Iris traf.

Ach, auch hier?

Ja.

Und was ist da in der Tüte?

Nun...

Sag bloss nicht, dass du das englische Silberservice da vorne gekauft hast.

Äh...

Aber du hast schon so viele andere, das brauchst du wirklich nicht mehr, du hast schon so viel englische Teekannen. Wenn das deine Mama erfährt...

Nun, wenn Iris etwas erfährt, das sie nicht weiter negativ betrifft, erfährt es meine Mutter immer. Rettung tat Not, und so entnahm ich die Teekanne der Tüte, drehte sie um und sprach mit Verweis auf die Inschrift: Aber nein! Schau! Das ist kein englisches Silber! Paris! Französisch! Eindeutig.

Iris las, was dort stand, und man konnte erkennen, wie der Groschen sich löste, stürzte, um dann aufzuschlagen. Sie war an einem französischen Service aus Paris, aus einem der feinsten Geschäfte der Belle Epoque" vorbeigerannt, und so entschlüpfte ihrem Mund ein entzücktes Geräusch, das das Service vielleicht schon bestens kannte: Oh!

Gefolgt von einem äusserst ungalanten, nachgerade habgierigen Benehmen meinerseits, aber mein Mitgefühl ist etwas derangiert, seitdem ich in den letzten Wochen sage und schreibe drei Kannen an weitere Bekannte verloren habe. Ausserdem: Besser eine Freundin verlieren, als den Anlass für einen guten Blogeintrag. Und ich habe bislang wirklich kein einziges Pariser Teeservice. Das, um im Übrigen der Wahrheit die Ehre zu geben, letztlich doch in England für den französischen Geschmack produziert wurde, wie es eine kleine Prägung verrät.

Sonntag, 27. Januar 2008, 21:49, von donalphons | |comment

 
Gratulation! Ein wirklich schöner Fang.

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Danke! jetzt brauche ich nur noch das passende Plätzchen dafür.

Und das Plätzchen wiederum, das muss ich erst noch, hm, sagen wir mal, kommunizieren. Da steht nämlich noch was anderes auf meiner Einkaufsliste. *hust*

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jetzt brauche ich nur noch das passende Plätzchen dafür.

In meinem Schrank wäre noch Platz. Die Edelholzgriffe sind schon sehr fein, macht was her im Vergleich zu den gängigen Henkeln im 0815-Schwarz. Wieviel wurden denn aufgerufen?

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Wenig. Sagenhaft wenig. Mittlerer zweistelliger Betrag.

Leider geht es hier nicht mehr um blosse halbe Schrankbrettdimnsionen, die Lösung muss schon etwas grösser sein.

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Maxvorstadt? Isarvorstadt? Unsanierter Denkmalschutz?
Oder doch living-hell Tegernsee?

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In der Maxvorstadt habe ich eine Wohnung, in die Isarvorstadt will ich nicht, Denkmalschutz habe ich mehr als genug, und T´see gewönne im Vergleich mit dem Gardasee allein durch Benito Berlusconis Wiederaufstieg.

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Ist es schon mal passiert, dass ein Antiquitätenhändler mit einem silbernen Heißgetränkservice in hysterisches Kichern ausgebrochen ist, als er Dich kommen sah?
Das muss sich doch irgendwann herum sprechen.

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Frag mal einen Herrn Miri ;-)

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Es gibt tatsächlich welche, die mich sofort wiedererkennen, wenn ich anderthalb Jahre nicht dort war. Aber das liegt auch daran, dass solche Händler es in den meisten Fällen mit wenig erfahrenen Kunden zu tun haben, undmir in manchen Kreisen mein Expertenwissen auf gewissen Gebieten vorauseilt. Da wäscht dann die eine Hand die andere. Der obige Herr ist inzwischen ein guter Bekannter, keine Frage. Aber man muss auch berücksichtigen, dass ich einen erheblichen Durchlauf habe. Man darf raten, was man sich in der Regel von mir zu den üblichen Festen wünscht.

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"Besser eine Freundin verlieren, als den Anlass für einen guten Blogeintrag. "

oha - na, solange deine Prioritäten noch erkennbar im Lot sind, will ich ja mal nichts über die Verschleuderung der Barschaften sagen ;-)

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Hallo Hans,bin froh, Dich malwieder zu lesen!

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Nennen wir es doch
angesichts von weiter fallenden Aktienkursen schlicht und einfach Wertanlage.

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