Ich muss nicht alles mitnehmen

Manche Themen da unten am See sind sehr speziell. Nur was für die Hardcore-Typen. Ich habe weder BWL noch Jura studiert, ich bin beim Aneignen langsam, und für meine Tätigkeit reicht es, wenn ich die Haifische sicher von A nach B bringe und das liefere, was sie brauchen. Ich bin eigentlich so draussen, dass ich mich frage, wozu ich mir das alles anhöre. Nichtwissen kann eine Gnade sein, und anderes habe ich schon zu oft gehört. Hinten, an der Grenze zu Tirol zeigen die webcams schönes Wetter, drei Slots sind nur für die Betreuer von Paranoikern, Verschleierungstechniken, wenn der Kunde durchdreht, Best case Szenarien, Placebo, ich bin Fahrer, und kein Irrenarzt, ich muss mir das nicht geben. Ich fahre rauf zum Sylvenstein. Allein.



Wenn ich könnte, würde ich mir da oben überlegen, was man empfehlen kann in den kommenden Zeiten. Aber es ist nicht so einfach, wie es vielleicht beim Bankberater klingt. Was ich mitgenommen habe ist, dass auch die Cracks nicht das Ausmass des Kommenden wissen. Grob gesagt ist es so, dass die Ratingagenturen jetzt grossflächig die Finanzmarktbereiche abwerten, bei denen es ohnehin keine Hoffnung mehr gibt. Das sorgt für eine erneute Verlustwelle, Gewinnwarnungen, erhöhte Kosten für Kredite und extrem viel Misstrauen. Und die Vereinigten Staaten können aus mehreren Gründen nichts dagegen tun: Dass die Hauspreise fallen, ist auch ohne Krise ein Naturgesetz in einem Land, dessen Bauqualität hierzulande noch nicht mal für eine Hundehütte ausreichen würde. Ein normales Haus in Amerika ist nach dreissig Jahren wertlos. Dazu kommt aktuell ein enormes Überangebot an Wohnraum zum Verkauf.



Momentan berücksichtigen die Neubewertungen vor allem faule Hypotheken. Die Ratingagenturen, die amerikanische Regierungt und alle Banken tun so, als gäbe es einen Problemsektor mit armen leuten, die ihre Schulden nicht zahlen können, und einen gesunden Markt auf der anderen Seite. Das ist in der Realität nicht so, dort sind die Übergänge fliessend, und gerade in der Mitte, zwischen den Bruchbuden im Bible Belt und der Park Avenue, wird es weitere Neubewertungen geben. Vermutlich im März oder April. Und dann fliegen den Banken und dem Mittelstand die Fetzen um die Ohren. Bei diesem Personenkreis kommen auch noch die Kreditkartenprobleme dazu. Keiner da unten hat mir für dieses Szenario realitisch erklären können, welche Effekte das aufhalten können.



Es wird nicht alle treffen. Aber ich würde in dieser Zeit so wenig wie möglich mit irgendwelchen Banken zu tun haben wollen. Die Dinger sind jetzt schon kritisch wie ein Kernreaktor ohne Kühlsystem, angefangen von den grossen Vermögensverwaltern bis runter zur Kreissparkasse, die mal eben an die Reserven muss, um die Landesbank zu retten. Es wird Länder und Wirtschaftssysteme geben, die danach nicht mehr zu erkennen sind, aber in Deutschland muss man wohl zugeben, so falsch und ungerecht die zugrunde liegenden politischen Entscheidungen wie hartz IV und die Unternehmenssteuerreform isoliert gesehen auch waren, dass die Wirtschaft und das Land gerade jetzt stabil genug sind, die kommende Delle ohne grossen Schaden zu durchstehen. Als ganzes. Aber wenn es kommt, weiss ich auch, welche Ecken des Landes gar nicht wissen, wo die Krise sein soll, und welche Ecken zwei, drei, zehn, hundert Nokias erleben werden.



Es wird wenige Gewinner geben und viele Verlierer, und wenn es dann wieder aufwärts geht, werden die Unterschiede durch die veränderten Ausgangslagen nochmal grösser. Hier oben werden dann die sein, die auf der richtigen Seite waren, auch wenn heute da unten in einem Hotel welche sitzen, die man gerade auf keine Brücke und an kein offenes Fenster im 5. Stock lassen dürfte. Ich habe hier oben einen sehr weitreichenden Beschluss für mich selbst gefasst, der Dinge beinhaltet, die in meinem Leben bis gestern keine Rolle gespielt haben: Aktive Altersvorsorge, strategische Planung, Neuorientierung. Auch in dieser Zeit gibt es Chancen, ich würde wetten, dass der DAX die 5000 Punkte im Sommer unterboten hat, dass es die chinesische Wirtschaft zerreisst, dass man Ende 2008 wieder langfristig Aktien deutscher Firmen kaufen kann, und der Finanzmarkt böte mir auch die dafür nötigen Wettinstrumente. Aber da unten sind alle kaputte Zocker, die in einenAbgrund schauen, und ich möchte auch in Zukunft über Brücken gehen können, ohne an das Stürzen zu denken. Und danach wieder meinen Garten bestellen.

Donnerstag, 31. Januar 2008, 22:44, von donalphons | |comment

 
bravo, don. der erste gescheite beitrag zu diesem dilemma, den ich in einem blog lese. ich habe bwl studiert und sage deshalb nur: das ist sicher der richtige weg. viel glück!

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Es gibt keinen richtigen Weg, allenfalls nicht falsche Wege. Das ist gewissermassen die Quittung nach dem Boom. Und BWL hilft einem auch nicht weiter - die Verursacher der Krise kannten sich blendend damit aus.

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"Auch in dieser Zeit gibt es Chancen"

Ich würde sogar behaupten wollen: die grössten Chancen bestehen in Zeiten wie diesen - aber nur für Leute mit dem richtigenRiecher, dem richtigen Timing und der notwendigen Portion Chuzpe und natürlich die zwingendste Voraussetzung von allem: niemals eine BWL-Studium absolviert zu haben...

(jetzt bin ich nur auf die Alterversorge gespannt: Rürup...?Mhuahuahahaha)

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Ich hoffe, ja, dass richtiger Riecher und Timing bald aussterben und dass Menschen mit Leidenschaft für das, was sie tun, wieder Oberwasser gewinnen. Ich persönlich gehe aufrecht und da ist ein riecher evolutionär gesehen eher überflüssig. wuff wuff.

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Selbst wenn man gewisse Themen mag wie einen Kropf: Es ist nicht ganz doof, sich damit zu beschäftigen. BWL ist hochgradig sinnvoll, nur leider funktioniert die Wirtschaft nicht nach deren Regeln. Und weil das alles so komplex ist, reicht eben eine Nebenproblematik wie die Immobilienpreise aus, um das System ins Wanken zu bringen. Danach schägt das auf alle anderen durch, die nichts mehr dagegen setzen können.

Nicht Rürup. In fact, ich halte das Vertrauen in das Prinzip "Rente" für wenig sinnvoll.

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Spannender Beitrag und Einsichten in eine Welt, die mir fremd ist. Das ist vielleicht auch ganz gut so.

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So ähnlich dachte ich früher auch, aber es ist unmöglich, dem Komplex zu entgehen, also ist die Auseinandersetzung mit ihm gar nicht so dumm. Zumal, wenn man nicht zu the happy few gehört. Zu den Orten, wo ich das alles nicht erleben will. gehören vor allem die Bereiche, in denen Cost Cutting simpel ist: Werbung, Medien, PR, Marketing. Und die Orte, die wirtschaftlich nichts dagegen setzen können: Osten, Berlin, besonders Berlin, Berlin wird es extrem hart treffen, Ruhrgebiet, überall dort, wo der Strukturwandel noch nicht abgeschlossen ist. Umgekehrt bin ich mir sicher, dass man von der ganzen Geschichte in Südbayern kaum etwas merken wird, mit Ausnahme der besagten Branchen.

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berlin
wird es besonders hart treffen, ruhrgebiet.

köln und hamburg hätte ich von mir aus noch hingetan, und wenn das mit dem sparen erstmal richtig losgeht, haben dann auch der daimler (bzw. der benz), bmw und vw (einsch. porsche und audi) ein problem. letzteres passt ja gerade den grünen sehr in den kram, bis die auch noch merken, dass der strom nicht vom dach oder der windmühle und das geld nicht aus dem automat kommt.

was dann? wird dann berlin-kreuzberg mit feldküchen des senats (diese mahlzeit widmete ihnen ihr regierender bürgermeister klaus wowereit) versorgt? und all die anderen ecken der reichshauptstadt, die so arm und deshalb so sexy sind, gleich mit.

oder was wird unternommen werden, um eine wiederholung von weimar zu verhindern? ich schätze, dass daher die musik noch länger spielen wird, ganz einfach deswegen, weil sie nicht aufhören darf. oder anders, neufünfland ist gerade mitten drin bei dem, was anderen erst noch bevorsteht.

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"bwl hilft einem auch nicht weiter." das war eben das, was ich damit sagen wollte.

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So schlimm wird es nicht kommen. Die Firmen werden aber sehr genau merken, was sie an Deutschland haben: Stabile Verhältnisse und Menschen, die, wenn es eng wird, zusammenstehen. ich mache mir in dem Punkt keine grossen Sorgen, denn nicht alle Firmen heissen Deutsche Bank. Und benehmen sich so. Ganz ehrlich, einen sichereren Ort als Deutschland kann ich mir gerade kaum vorstellen, wenn man Flächenstaaten betrachtet. dennoch gibt es auch hier Unterschiede, und ich glaube nicht, dass irgendwer in einem Berlin sein möchte, das eine 10% höhere Arbeitslosenquote und Versorgungsenpässe hat. Armut ist immer unsexy.

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das ist sicher richtig. aber so wirklich trösten würde es mich selbst dann nicht, wenn ich woanders (in bayern?) wohnte.

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@kleinziwo: ich verlasse mich auf gar nichts. habe ich noch nie gekonnt. auch nicht vor dem bwl-studium. wie macht man das?

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sorry, wenn ich hier etwas kurz angebunden bin. ich biete gerade bei ebay auf art-deco-geschirr. so weit ist es schon gekommen.

:)

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Oh, dass es höchst unschön ist, steht völlig ausser Frage. Aber mein Mitleid ist wirklich begrenzt, wenn das Volk auf solche Dinge mit der momentan erkennbaren Leckmich-Haltung reagiert. Die WestLB hat das grösste deutsche Bundesland so in Probleme geritten, dass da längst die Akten aus dem Fenster fliegen müssten und die Verantwortlichen hinterher, aber man schluckt sowas. Überall. Da muss man nur mal in die Blogs schauen. Der Kapitalismus schreddert gerade ein paar Volkswirtschaften, und wo bleiben jetzt die Wimpel und die Bapperl? Wer klärt auf? Wer schreibt das nieder?

Statt dessen überlässt man das den Wirtschaftstotalitaristen vom handelsblatt, dem managermagzin und der ftd, und derwesten lobhudelt dazu. Meinungsbildung findet nicht statt, und wenn, dann von der anderen Seite. Na schön. Dann müssen sie halt zahlen.

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Und? Gewonnen?

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überboten. mist. von so einem arsch, der in der allerletzten sekunde eingestiegen ist!

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Mein Beileid!
Vielleicht doch Flohmarkt? Da geht es preislich in die andere Richtung.

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i know.

immerhin bin ich aber noch höchstbietende auf diesem hier: http://revirement.de/feldpost/?p=654

von tielsch & co., schätze 30er-40er. bitte, die daumen zu halten.

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Der Kapitalismus schreddert gerade ein paar Volkswirtschaften

das wird eher so gewesen sein, dass ein paar schlaue ein paar dumme gefunden haben. so macht man in den us of a geschäfte. lief schon seinerzeit mit den junk bonds nicht anders, wer mich einmal betrügt, tut mir unrecht, wer mich ein zweites mal betrügt, der tut mir recht.

der eigentliche skandal ist, wie don richtig feststellt:

Die WestLB hat das grösste deutsche Bundesland so in Probleme geritten, dass da längst die Akten aus dem Fenster fliegen müssten und die Verantwortlichen hinterher, aber man schluckt sowas.

man schluckt noch viel mehr. es ist herrn milbradt gelungen, seine sä-lb pleite als gutes geschäft zu verkaufen, und herr oettinger meint wohl in seinem grössenwahn (auf schwäbisch: allmachtskrattel ), seine bw-lb sei so sicher wie die bank von england, was für bayern in ähnlicher weise gilt.

eigentlich muss das ganze öffentliche bankwesen neu geordnet werden, was ich mir so ähnlich vorstelle wie das herkulische reinigen der viehställe des augias. das wäre auch gleich die gelegenheit, mit den landesregierungen in derselben weise zu verfahren, und eine neuordnung der bundesländer mitsamt ihrer aufgaben durchzusetzen.

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Ich weiß nicht, ob es hier schon mal erwähnt worden ist: Große Chancen, das nächste Börsen-Unwort nach "Subprime" zu werden, hat das Wort "Monoline".

http://www.manager-magazin.de/geld/artikel/0,2828,530562,00.html

In Kürze: Es handelt sich um Spezialversicherer für Anleihen von Kommunen und Unternehmen, die durch die Subprime-Krise hohe Verluste angehäuft haben. Auf Umwegen drohen deswegen Ratingherabstufungen bei Anleihen, deren weltweites Gesamtvolumen auf 2,3 bis 2,7 Billionen Dollar geschätzt wird.

Das Problem dabei: Diese Anleihen liegen vermutlich in allen möglichen Investmentportfolien weltweit. Wenn ihre Bonität sinkt, müssen sie abgewertet werden. Bei dem oben genannten Gesamtvolumen kann man sich ausrechnen, was schon eine Abwertung um ein paar Prozent für Folgen hätte.

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