Privat. Absolut nicht.

Bevor ich morgen als indiskreter Nachfolger des diskreten Tagebuches musealisiert werde, vielleicht ein paar Anmerkungen.

Der Unterschied ist, dass man nicht einfach so vor sich hinschreibt. Das ist anstrengender als im Tagebuch, in dem es einem egal sein kann, was andere davon denken. Wobei auch viele, wenn nicht alle Tagebücher mit dem Hintergedanken formuliert werden, dass man es später vielleicht mal liest, und dann nur ungern peinlich berührt sein möchte; so, wie man das bei den autobiographischen Aufzeichnungen eines Göthe oder Canetti kaum vermeiden kann. Statt also wie im Blog dem anderen etwas vorzukonstruieren, belügt man sich im Tagebuch selber, mit dem Resultat, dass man ihm auch nur bedingt mehr Privatheit zusprechen kann, als dem Blog. Das wiederum lebt und leidet davon, dass es da ausschaltet, wo es eigentlich spannend wird. Man könnte zu diesem Bild eine spannende Geschichte erzählen, das mich einschliesst und weit über mich hinausführt, aber es bleibt nur ein Bild. Und wird keine Erzählung.



Was ich schätze, sind Blogs, in denen man trotz des Filters die Anwesenheit dieser Geschichten fühlt. ich mag Texte, die obsessive Charakterzüge und Abgründe vermitteln, ohne dass sie deutlich werden. Obsessionen sind mir nicht fremd, und haben in der Realität nur wenig mit dem hier so gelobten Silber zu tun; die Texte variieren gewissermassen nur über den realen Objekten der Begierden und zersplittern das Licht der Realität in viele Reflexe. ich mute damit meinen Lesern lediglich einen Trümmerhaufen zu, und passe auf, dass nicht zu viele Spolien zueinander passen.

Am besten kann man es vielleicht mit der Genese dieses Beitrags erklären, für den es eigentlich zwei Bilder gab. Obiges ist tatsächlich unmittelbar nach einem für mich sehr wichtigen Ereignis entstanden, als die zweite Person kurz den Raum verlassen hatte. Ich habe noch ein weiteres Bild, das gezielt Intimität vermitteln soll; eine komplett gestellte und auf Photoshop Richtung Authentizität und Unmittelbarkeit ausgerichtete Aufnahme meiner eigenen Person im Bett; ungefähr das, was man sieht, wenn man das Glück? Pech? Problem? Vergnügen? Malheur hat, neben mir aufzuwachen. Um zu zeigen, was die gefühlte Nähe des Bloggens ist: Eine gezielte Täuschung.

Und nach 24 Stunden Nachdenken bin ich zur Überzeugung gelangt, dass es meine Leser nichts angeht. Auch wenn es nur gestellt ist, sie haben in meinem Bett absolut nichts verloren, ich will sie nicht mal aus Spass drin sehen. Oder zur Vermittlung von Realitätskonstrukten. Es ist ein Dilemma, es macht Mühe und überflüssige Arbeit, man lernst sich dabei besser kennen, als man glauben und haben möchte. Das ist teil des Spiels, man ist Teil des Problems und muss dafür sorgen, nicht als Teil aufgelöst zu werden. Man täuscht die anderen, man täuscht sich selbst, man bekommt, was man verdient, am Ende sind alle betrogen und zufrieden.

Ausser wenn ich so die Wahrheit sage, dass mir keiner glaubt, natürlich.

Mittwoch, 5. März 2008, 00:39, von donalphons | |comment

 
Rätselhaft.Mein Kaffee schmeckt auf jeden Fall einen Tick besser, mit dem letzten Stück Kranz vor Augen.
The Joy of Problemlösing..

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Weisst Du, was komisch ist? Momentan endet jede dritte Mail mit "übrigens, der Zopf, so einen hat meine Mutter auch immer gemacht, der war soooo gut". Komisch.

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Es gibt und gab ihn nicht, diesen Unterschied zwischen Blog und Tagebuch. Beides ist gleichermaßen Bühne für uns Selbstdarsteller. Um im Bild deines Bettes zu bleiben, wir lupfen bestenfalls mal die Decke, um einen polierten Zehennagel zu zeigen.

Ein Bild aus Blogger Bett bekommst du nur wenn er ja nach persönlichem Geschmack umgeben von den auserlesensten Spielgefährtinnen oder -gefährten umrahmt wird.

Die Kunstfigur Don wurde letztens in irgendeinem Blog durchgehechelt. Die Autoren dort wollten allerdings nicht wahr haben, das wir alle Kunstfiguren sind. Nicht nur im Blog, sondern jeden Tag in unserem Leben. Früher gab es mal Sätze wie: "Das ist ein Mann, der stellt etwas dar."

Darsteller, die sich zur Schau stellen, aber natürlich nur den Teil, den sie für darstellenswert halten. Das Vorzeigbare. Nicht den eingewachsen Zehennagel sondern den polierten. Rolle von klein an. Leben als erfüllte Erwartungshaltung. Ein Spiegel der genau weiß welches Bild er dem Betrachter zu liefern hat.

Was da durchscheint ist nicht Wahrheit, sondern nur eine weitere Zwiebelhaut. Der frierende kranke Obdachlose der mir erzählt, das er nicht in Räumen leben kann.

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Ich habe nie ein Tagebuch geführt. Ich habe zwar mal eines von meiner Mutter bekommen, es aber nie benutzt. Eine Freundin meinte, wenn man glücklich ist, hat man keine Zeit ein Tagebuch zu schreiben und wenn man unglücklich ist, dann schreibt man nur Unsinn, den man zu allem Überfluss auch noch Jahre später lesen kann.

Als Tagebuch sehe ich mein Blog nicht. Der Vergleich Blog/Tagebuch hinkt. Das Blog ist öffentlich. Man will was öffentlich sagen. Dabei ist man sehr eingeschränkt, wenn man keine Probleme bekommen möchte.

Aber auch Romane sind oft sehr autobiographisch. Goethe oder Thomas Mann bekämen heute Probleme, weil etliche ihrer Figuren erkennbar waren.

Henry James hat auch gern Geschichten verarbeitet, die ihm bei Dinnerparties erzählt wurden. Einmal hat er sehr erkennbar einen Freund porträtiert. Der war ziemlich verärgert, hat dann den Kontakt zu ihm abgebrochen. Aber nicht sehr lange, er vermisste die Konversation mit James.

Die guten Geschichten schreibt halt das Leben.

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nur zur klärung: die ausstellung will weder zeigen, dass ein tagebuch früher ein buch war und heute blog ist, noch geht es um die unterscheidung von geheim und öffentlich. daher das fragezeichen am ende des titels.
das geheime oder öffentliche erscheint uns nicht als das entscheidende kriterium eines tagebuch. das ist für uns der tag, da "tage"buch. das verschriftlichen im tagesrhythmus und dies funktioniert in ganz unterschiedlichen formaten.

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maya, der große tanz
es könnte spannend sein. ich finde, wahrheit ist immer nur der teil der wirklichkeit, den DIE ANDEREN sehen sollen - egal, unter welcher matrize. die jedoch nehmen auch nur wahr, was in IHRE vorstellung von wirklichkeit irgendwie rein passt.

canettis 'gerettete zunge' ist auch nur ein bild. das bild eines textsklaven nichtmanieristischen manierismus'. oder so. insofern betrachte ich 'wahrheit' als ein zivilisatorisches paradox. deutlich wird dies an dem problem, das ein sohn von w. jens in der faz heute aufgeworfen hat.

http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB
243B181B8B60AE/Doc~E6CE2894D9FE84E309C
8A59493E94B08D~ATpl~Ecommon~Scontent.html

der versuch, ohne auszukommen, heißt dann tatsächlich, auf normen und tabus von zivilisationen zu verzichten. da haben uns die ernsthaften indischen yogis was voraus.

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Die Kunst der literarischem Fiktion ist es, den Versuch des lesers, alles in sein Schema zu pressen, so zu führen, dass er am Ende bei der Intention des Autors rauskommt. Das ist eine der hauptaufgaben des Schreibens, und es ist sehr schwer. Bloggen ist dagegen anders, zumindest für mich, ich mache mir da sehr viel weniger Gedanken und wenn, dann eher experimenteller Natur. Man kann beide Ansätze kaum miteinander vergleichen.

Und ja, ich müsste mal wieder ein Buch schreiben. Seit Jahren habe ich jemandem eine nette Sommerliebesgeschichte versprochen. *hüstel*

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Ich mag ja völlig falsch liegen, aber selbst beim Sachbuch bei dem ich nur den Ghostwriter gebe, schreibe ich wie in meinem Blog. Ich erzähle einzelne Geschichten die ich dann irgendwann verknüpfe. Ich habe allerdings schon als Kind, alles vollgeschrieben was ich vollschreiben konnte.

Bei dem Krimi der gerade so nebenbei auf dem Blog veröffentlicht wird, war es das gleiche. Die Geschichte stand schon lange bevor ich sie mit Elsa in diese Form gegossen habe.

Ich sags mal ganz blöd. Es ist egal ob ich koche oder backe. Die guten Zutaten, die Sorgfalt in der Verarbeitung und das sichere Auge machen den Erfolg.

Wo mein Leser bleibt. Ich schreibe doch nicht für Leser. Ich schreibe an mich. Leser dürfen mitlesen. Aber nicht mehr.

http://www.duckhome.de/tb/index.php?/pages/voegel.html

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kein einziges buch eines guten schriftstellers beruht auf reiner literarischer fiktion - mit ausnahme der tagebücher:)

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So radikal kann man das natürlich auch sagen, allerdings fehlen mir da ein paar bedeutungsebenen, die es für mich reizvoll machen.

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Du schreibst ja auch. Für dich gibt es Zwischentöne, Ebenen die der Leser doch gar nicht verstehen kann. Er müsste doch zuerst dich verstehen.

Es gibt bei einem fiktionalen Text nur eine Frage. Startet er dein Kopfkino oder startet er es nicht. Wenn er es startet erlebst du deine Version dieses Textes. Die ist individuell. Nicht übertragbar. Persönlich. Sie wird von keinem anderen Leser auf dieser Welt geteilt.

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also, das stimmt ja nun so gar nicht, herr hoff. die magie der fiktion besteht doch gerade darin, dass sich das persönliche kopfkino auf einer kollektiven ebene miteinander teilen lässt. es ist eben beides, persönlich und geteilt. selbstverständlich ist dabei auch das teilen illusionär. weshalb gerade "autobiografisch" gefärbte texte anregend sind. so wie blogs. die sind auch bloß eine art fortführung des romans, als genre, in modernen zeiten.

"er müsste doch zuerst dich verstehen." das ist die autobiografische komponente.

"deine version des textes. die ist individuell. nicht übertragbar." das ist die lyrische komponente.

beides zusammen, und wir sind bei einer ziemlich guten definition des (post)modernen romans. a bisserl erotischen sensationismus, so wie bei richardsons pamela, und ein wenig manierismus wie bei madeleine de scudéry - et voilà.

und die zwischentöne: wenn überhaupt keine leser die verstehen, wäre der text m.e. misslungen. da hat don schon recht: ein qualitätsmerkmal der literarischen fiktion könnte sein, dass es gelingt, den leser dorthin zu führen, wo der implizite autor ihn haben will.

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das hat doch nicht mal beim literarischen doppelkopf geklappt. das geht vielleicht auf der ebene von st. king, da gibt es keine zwischentöne, nur textblöcke und schreiber mit zeilenhonorar, und bei teenagern.

an dem punkt kann ich d.a. nur zustimmen (die letzten drei sätze).

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Kollektives Kopfkino? Mein Kopfkino benutzt meine Erfahrungen, meine Erinnerung und mein Wissen, ja sogar die Bilder die ich kenne um den fiktionalen Text zu interpretieren. Das ist Indvidualität in Reinform.

Wie kann jemand der nicht ich ist und nicht über meine Erinnerung verfügt, das gleiche empfinden wie ich. Er empfindet nach seiner Erinnerung. Selbst Zwillinge die nicht getrennt wurden, empfinden solche Texte anders.

Das Kollektiv erreiche ich mit vorgestanzten Formeln auf die wir sozusagen dressiert wurden. Die wir als Rolle abspielen. Durchaus auch aus eigener Überzeugung, aber meist als Reflexion auf ein Stichwort.

Aber selbst innerhalb einer Beziehung, oder Eltern Kinder Kiste, funktioniert das Kollektiv nicht. Nimm Harry Potter. Mögen bei uns alle. Keine große Literatur, aber eingängig. Frag mal wenn der neue Band rausgekommen ist, was sie empfunden haben. Besser noch frag nach der englischen Ausgabe und dann nach der deutschen nochmal.

Es ist irre. 12 Erwachsene haben scheinbar völlig unterschiedliche Bücher gelesen. Bei den Kindern verständlich. Aber bei den Erwachsenen? Selbst zwei gleichalte Haderlumpen wie wir beiden Opas kommen trotz langer gemeinsamer Wegstrecken in Arbeit und Privatleben nicht auf den gleichen Nenner. Nö. Kollektiv ist da nicht.

Besser ich glaube da nicht an das Kollektiv. Deshalb versuche ich in meinen Texten auch immer mehrere Ansprungpunkte für unterschiedliches Kopfkino zu bieten.

Gut ich kann das nicht besonders gut. Aber die Absicht zählt.

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: ) schon die absicht heißt ja aber doch, dass man nicht nur für sich selbst schreibt? vielleicht war mein ausdruck "kollektiv" ein bisschen irreführend. das wort hat ja etliche historisch oder weltanschaulich gefärbte nebenbedeutungen. nach meinem empfinden ist gerade das, was man für individuell hält, weil es subjektiv empfunden wird, oftmals gerade nicht besonders individuell.

die auseinandersetzung darüber, was wann wie und ob überhaupt individuell ist oder vielleicht doch geteilt wird, gibt es ja schon ziemlich lange. eigentlich seitdem es moderne literatur überhaupt gibt. eigentlich seitdem es den roman überhaupt gibt, wobei das genre sehr wahrscheinlich eher eine folge dieser unterscheidung ist als eine ursache. ich meine ja, das thema gibt es vor allem immer in phasen eines gerade irgendwie neu aufkeimenden rationalimus, also jetzt mal so historisch betrachtet. und es scheint eine verbindung zwischen diesem thema und der erfindung oder etablierung von neuen technologien zu geben. deswegen ist es eigentlich völlig klar, dass das internet z.b. (private oder autobiografische) blogs hervorgebracht hat, in denen gerade der aspekt des persönlichen eine wesentliche rolle spielt. interessantes thema!

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Ich finde, manche machen es sich zu einfach. Jeder einzelne wirklich neue Gedanke benötigt eine spezielle Form - zudem abhängig vom Publikum - damit er sich entfalten kann, mehr noch, damit er überhaupt ankommt. Wenn ich nur Trivia verfasse oder Banalitäten aneinanderreihe, dann mag das Schreiben einfach sein. Vermutlich ist eine gewisse Einfachheit ohnehin erstrebenswert. Wenn ich Literatur verfasse, so ist es allerdings ein langer elender - und mehrfach wiederholter Kampf um jeden einzelnen Satz, um jeden Nebensatz, um jedes einzelne Wort.

Schwerstarbeit.

(Ich persönlich bevorzuge daher das Plagiat oder das kompositorische Plagiat, denn - ich bin ein literarischer Stümper, dem höchstens einmal eine halbe Seite wirklich gelingt)

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